Ümit Karan im TRT Deutsch-Interview (AA)
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von Ali Özkök Am kommenden Donnerstag gastiert der türkische Vertreter Galatasaray Istanbul im Hinspiel des Achtelfinales der UEFA Europa League beim FC Barcelona. Im Jahr 2001 gelang dem türkischen Rekordmeister beim damaligen 2:2 in der Zwischenrunde bereits ein überraschender Punktegewinn bei dem spanischen Topklub. Einen solchen Erfolg will das Team nun wiederholen.

Das Führungstor im Nou Camp erzielte damals Ümit Karan. TRT Deutsch hat mit dem in Berlin geborenen dreimaligen Meister mit Galatasaray, zehnmaligen Nationalspieler und heutigen Technischen Direktor von İskenderunspor über das bevorstehende Spiel und Entwicklungen im türkischen Fußball insgesamt gesprochen.

In der Europa League wartet mit dem FC Barcelona eine extrem schwere Aufgabe auf Ihren früheren Klub Galatasaray. Wie sehen Sie die Chancen und was sollte man bei der Aufstellung beachten?

Erst mal ist es ein ganz schweres Los, obwohl es ein normales Champions-League-Spiel ist. Was aber für Galatasaray spricht: Wir haben „genetisch“ im europäischen Fußball immer viel Erfolg. Also die Anlagen von Galatasaray stimmen im europäischen Fußball, aber wie gesagt, es ist ein sehr schweres Los.

Vor acht Wochen hätte ich ein Spiel gegen Barcelona noch als leichter betrachtet, aber was Barcelona in den letzten fünf bis sechs Wochen an Fußball spielte, ist natürlich sehr gut. Die haben eine junge Mannschaft, talentierte Spieler, und es ist halt Barcelona, also nicht so einfach.

Im Nou Camp Fußball zu spielen, ist natürlich der Traum eines jeden Fußballers. Ich glaube, das wird eine Extra-Motivation für die Spieler. Sie müssen auswärts schon sehr aufpassen, keine so dummen Fehler zu machen wie in der türkischen Liga. Da wirst du dort gleich bestraft.
Alles muss kompakt stehen, das ist ganz wichtig, und man darf sich keine Konterattacken einfangen. Da hast du ein Problem, wenn du vorne Druck machen willst, dann wird es richtig schwer – und die Aufstellung ist wichtig.

Das Gute daran ist: Du kannst mit so vielen Ausländern spielen, wie du willst, in der Türkei ist das ja nicht erlaubt. Dann kommt zum Beispiel der Kerem [Aktürkoğlu] von der dritten Liga und spielt jetzt gegen Barcelona, das ist ein Traum, deswegen muss er sich nicht extra dafür motivieren. Aber zu viel Motivation ist ja auch immer gefährlich.

Mit Ihrem frühen Treffer hatten Sie 2001 entscheidend dazu beigetragen, dass Galatasaray beim damaligen 2:2 ungeschlagen das Nou Camp verließ – soweit ich informiert bin, als bislang einziges türkisches Team. Wie wach ist Ihre Erinnerung an dieses Spiel? Und was hat sich seither bei beiden Teams verändert?

Wie gesagt, wir haben auch in der Champions League sehr gute Spiele hingelegt, natürlich auch im Nou Camp, und wenn der Markus Merk [Schiedsrichter; Anm. d. Red.] nicht geholfen hätte, dann hätten wir gewonnen. Mit seinen roten bzw. gelb-roten Karten gegen Capone und Hakan Ünsal hat er das Spiel kaputt gemacht: statt 2:0 auf einmal ein 2:2-Unentschieden, aber normalerweise hätten wir da gewonnen.

Und was hat sich so verändert? Wie hat sich zum Beispiel Galatasaray seitdem verändert? Sind sie besser geworden?

Ja, wir sind schon von Zeit zu Zeit besser geworden, aber wir hatten ja auch damals Drogba, Schneider und diese ganzen jungen Superspieler gehabt. Der Kader ist jetzt natürlich nicht so gut besetzt und es ist ein junger Kader: unerfahrene Spieler, ein neuer Trainer, obwohl dieser auch mal Co-Trainer von Guardiola war.

Das legendäre Spiel von 2001 war nicht Ihre erste Erinnerung an Barcelona. Sie sollen ja schon als Schüler dort Fußball gespielt haben. Können Sie uns dazu mehr erzählen?

Da war ich ein junger Fußballer, ich habe da noch in der Jugend gespielt, in Berlin in der Mannschaft und da sind wir zum Turnier nach Barcelona gefahren. Barcelona hat natürlich viele Vereine eingeladen, auch solche, die kein Geld hatten, sich so eine Fahrt zu leisten, aber Barcelona ist so ein großer Fußballklub, dass sie aus allen Ländern ein paar Vereine einladen konnten. Und dann hat es so ein Turnier für Sechs- und Neunjährige gegeben und die ersten vier durften dann zum Spiel Barcelona gegen Atlético Madrid. Wir sind Dritter geworden, dann sind wir zum Spiel und da saßen wir ganz oben auf der Tribüne. Da konnte man als Kind nicht mal runterschauen, so weit war das weg. Und ich habe gesagt, ich werde irgendwann mal wieder herkommen und dort einmal spielen. Ich bin dorthin gekommen, habe gespielt und sogar noch getroffen - noch besser.

Sie sind mit Galatasaray dreimal Meister geworden. Welche ist Ihre prägendste Erinnerung an diese Zeit und wie stark ist Ihre Verbindung zu Ihrem alten Verein heute noch?

Natürlich würde ich gerne immer beim Verein bleiben, aber es ist natürlich nicht so einfach. Wir haben nicht mehr so die guten Verbindungen. Aber der jetzige Präsident war zu meiner Zeit schon im Vorstand gewesen. Wir haben schon gute Kontakte. Die müssten aber halt auch mal zu den alten Spielern hingehen, einfach mal sagen „Kommt, macht mal wieder, arbeitet im Klub“, aber das machen die leider nicht. Wie gesagt: 2002, 2006 und 2008, wo wir den dritten Stern draufgemacht haben, das war alles ganz einfach großartig.

Den dritten Stern holten wir mit einem Team, von dem sie gesagt hatten, das wäre eine Katastrophenmannschaft, die haben keine Spieler. Und dann war da 2006, die 14-Minuten-Geschichte, das waren die längsten Minuten 14 Minuten in meiner Karriere, da waren 14 Minuten gleich wie 14 Jahre gewesen.

[Anm. d. Red.: Am letzten Spieltag der Saison 2005/06 lagen Galatasaray und Fenerbahçe punktegleich an der Spitze. Fener hatte eine deutlich bessere Tordifferenz, sodass Galatasaray das 3:0 gegen Kayserispor nicht gereicht hätte, hätte auch der Istanbuler Konkurrenzklub zeitgleich sein letztes Spiel in Denizli gewonnen. Das Spiel in Denizli konnte wegen Verzögerungen infolge Fanverhaltens erst 14 Minuten nach dem Abpfiff bei Galatasaray beendet werden. Allerdings ging Denizli in der vorletzten Minute in Führung und Fenerbahçe schaffte nur noch den postwendenden Ausgleich.]

Wen würden Sie als besten Trainer bezeichnen, mit dem Sie je gearbeitet haben? Und wen als besten Fußballer?

Ich habe schon mit vielen guten Fußballern gespielt, aber ich habe vor allem das Glück gehabt, dass ich immer gute Trainer hatte. Mircea Lucescu war ein guter Trainer. Das sieht man ja, da muss man ja nicht viel erzählen. Und Fatih Terim ist sowieso historisch bei Galatasaray. Auch Gerets ist ein sehr starker Trainer gewesen.

Und ich habe natürlich mit sehr starken Spielern gespielt. Davala, Hasan Şaş und der Lincoln waren großartig gewesen. Mit dem Hagi konnte ich leider nicht spielen, habe aber gegen ihn gespielt und natürlich ist Hagi eine andere Klasse. Ich habe alle guten Spieler gesehen, aber für mich sind, was ich in meinem Leben gesehen habe, die besten Fußballer Sergen [Yalçın] und Tugay [Kerimoğlu], die sind noch was ganz Besonderes für mich.

Vielen Dank für das Gespräch!

TRT Deutsch