Partygate-Affäre: Johnson muss sich Untersuchung stellen
In der Partygate-Affäre muss der britische Premierminister Johnson eine schwere Niederlage einstecken. Wegen möglicher Falschangaben im Amt muss er sich einer Untersuchung durch den zuständigen Ausschuss stellen. Erneut werden Rücktrittsrufe laut.
8. Dezember 2021, London: Britischer Premier Johnson im Unterhaus (DPA)

Der britische Premierminister Boris Johnson muss sich wegen mutmaßlicher Falschangaben im Zusammenhang mit der Partygate-Affäre einer Untersuchung durch den zuständigen Ausschuss im Unterhaus stellen. Ein entsprechender Antrag der Labour-Opposition wurde am Donnerstag nach mehrstündiger Debatte von den Abgeordneten ohne Abstimmung durchgewunken.

Ein Kuchen allein macht noch keine Feier?
Für Johnson ist das eine schmerzhafte Niederlage. Er hatte noch am Morgen die Hoffnung geäußert, seine Fraktion werde eine Vertagung der Entscheidung erzwingen. Doch dabei machten ihm offenbar die eigenen Abgeordneten einen Strich durch die Rechnung. Einige seiner Parteikollegen forderten sogar seinen Rücktritt. Selbst der Erz-Brexiteer Steve Baker kündigte an, für die Untersuchung zu stimmen, und rief Johnson auf, seinen Posten abzugeben: „Der Premierminister sollte längst weg sein.“
Das wies Johnson, der am Donnerstag zu Besuch in Indien war, jedoch umgehend zurück. „Ich glaube nicht, dass es das Richtige ist“, sagte er in einem Interview mit dem Nachrichtensender Sky News, in dem er jedoch deutliche Nervosität spüren ließ.
Johnson hatte nach Berichten über illegale Lockdown-Partys in der Downing Street während der Pandemie im Parlament mehrfach beteuert, die Regeln seien stets befolgt worden. Später stellte sich heraus, dass der Premier selbst an mehreren der fraglichen Zusammenkünfte teilgenommen hatte. Inzwischen musste er dafür sogar eine von der Polizei verhängte Strafe zahlen, weil er sich mit einem Kuchen von seinen Mitarbeitern zum Geburtstag feiern ließ. Weitere könnten folgen. Johnson stellt sich nun auf den Standpunkt, er habe nicht gemerkt, dass es sich um Feiern handelte. Labour-Chef: „Die politische Stimmung hat sich gedreht“
Das Parlament zu belügen gilt in Großbritannien für Mitglieder der Regierung als Rücktrittsgrund. Sollte der Ausschuss befinden, dass Johnson gelogen hat, wäre das für ihn äußert heikel. Bevor die Untersuchung beginnt, soll aber erst noch das Ende der polizeilichen Ermittlungen abgewartet werden.
Oppositionschef Keir Starmer nahm die fehlende Gegenwehr in der Tory-Fraktion als Beweis dafür, dass Johnson das Vertrauen seiner Abgeordneten verloren hat. „Ich glaube, die politische Stimmung hat sich gedreht“, so der Labour-Chef.
Starmer hatte dem Premier zuvor vorgeworfen, die Debattenkultur des Unterhauses zu missbrauchen. Den Abgeordneten ist den Regeln zufolge nicht erlaubt, sich gegenseitig Lügen vorzuwerfen. Für die Debatte am Donnerstag hob Parlamentspräsident Lindsay Hoyle diese Regel ausnahmsweise vorübergehend auf. „Der Premierminister hat sich vor diese Kammer gestellt und Dinge gesagt, die nicht wahr sind, er verließ sich darauf, dass er nicht der Lüge bezichtigt wird, weil das nicht erlaubt ist“, sagte Starmer. Britische Wähler glauben, dass Johnson gelogen hat
In der öffentlichen Meinung scheint das Urteil über Johnsons Aufrichtigkeit längst gefallen zu sein. Fast 80 Prozent der britischen Wähler glauben, dass er gelogen hat. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag von Times Radio hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Demnach schenken nur acht Prozent der Wähler dem konservativen Regierungschef Glauben. Selbst unter Anhängern von Johnsons Tories ist demnach eine deutliche Mehrheit (61 Prozent) davon überzeugt, dass er die Unwahrheit gesagt hat. Befragt wurden 2079 Briten im Wahlalter am 19. und 20. April.
Für Johnson, der kürzlich noch durch seine Vorreiterrolle etwa bei Waffenlieferungen für die Ukraine punkten konnte, ist das eine denkbar schlechte Ausgangslage für die Kommunalwahlen in England am 5. Mai. Sollten die Konservativen dabei deutlich verlieren, gilt ein Misstrauensvotum gegen Johnson in der eigenen Fraktion nicht als ausgeschlossen.

DPA