Länder einigen sich bei Corona-Maßnahmen auf gemeinsame Linie
Nach über drei Monaten mit Videokonferenzen treffen sich Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Bundesländer zu persönlichen Beratungen. Streitthema sind die Corona-Lockerungen.
Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Treffen des Kabinetts im Bundeskanzleramt (DPA)

Nach langem Streit im Umgang mit der Corona-Krise wollen Bund und Länder mit neuen Regeln für Schulen, Maskenpflicht, Abstandsregeln und Großveranstaltungen Einigkeit demonstrieren. Dem Vernehmen nach einigten sich die Länderchefs am Mittwoch bei der Ministerpräsidentenkonferenz bereits auf eine gemeinsame Linie, dem Beschluss musste aber am Nachmittag auch der Bund bei einer zweiten Konferenzrunde mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch zustimmen. Wegen unterschiedlicher Ansichten bei Lockerungen und entsprechenden Beschlüssen hatte es zwischen Bund und Ländern sowie den Ländern untereinander zuletzt oft Streit gegeben. Zur Eindämmung des Virus setzt die Beschlussvorlage für das Treffen der Länder mit Merkel insbesondere auf die Fortsetzung des Mindestabstands von 1,5 Metern, verstärkte Hygiene-Maßnahmen sowie das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen in bestimmten öffentlichen Bereichen. Spätestens nach den Sommerferien sollen zudem die Schulen bei einem positiven Verlauf der Infektionszahlen in den Regelbetrieb zurückzukehren. Dagegen bleiben - wenn auch mit Ausnahmen - Großveranstaltungen mindestens bis Ende Oktober verboten. In dem Papier heißt es, der Mindestabstand von 1,5 Metern, verstärkte Hygiene-Maßnahmen sowie das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen in bestimmten öffentlichen Bereichen, insbesondere im öffentlichen Personennahverkehr und im Einzelhandel, hätten sich bewährt und würden grundsätzlich fortgeführt. Bürgerinnen und Bürger seien angehalten, ihre Kontakte zu anderen Personen möglichst gering zu halten. Dies war nach den zuletzt auseinanderdriftenden Einzelregeln der Länder in Zweifel gezogen worden. Auf Länderseite wurde eine mögliche Einigung in diesem Punkt als bedeutend hervorgehoben. Sollte die Zahl der Corona-Infektionen wieder stark steigen, sollen aber auch weitergehende Kontaktbeschränkungen erlassen werden, „um den Ausbruch einzudämmen und ein überregionales Infektionsgeschehen zu verhindern“, wie es in der Beschlussvorlage weiter heißt. Bei niedrigeren Fallzahlen könnte andererseits aber das Abstandsgebot bei Zusammenkünften „sicher bekannter Personen“, etwa im Arbeitsumfeld, in Schulen und Kindergärten auch unterschritten werden.

Verbot für Großveranstaltungen bis Ende Oktober verlängert

Ferner streben die Länder wegen der sinkenden Infektionszahlen in den vergangenen Wochen an, spätestens nach den Sommerferien in den schulischen Regelbetrieb „unter Wegfall der Abstandsvorgaben“ zurückzukehren. „Zeitnah soll auch von der Notbetreuung zu einem möglichst vollständigen Regelbetrieb der Kinderbetreuungsangebote zurückgekehrt werden“, heißt es in der Beschlussfassung. Das bis Ende August geltende Verbot für Großveranstaltungen soll bis mindestens Ende Oktober grundsätzlich verlängert werden, jedoch sieht die Einigung auch Möglichkeiten für Ausnahmen zu. Das Verbot gelte für solche Veranstaltungen, „bei denen eine Kontaktverfolgung und die Einhaltung von Hygieneregelungen nicht möglich ist“. Der schleswig-holsteinische Regierungschef Daniel Günther (CDU) sagte, Großveranstaltungen sollten ab dem 1. September möglich sein, aber nur dann, wenn Kontaktbeschränkungen und Hygienekonzepte eingehalten würden. Auf Nachfrage, wie das etwa bei Fußballspielen aussehen könnte, sagte Günther, über die konkrete Ausgestaltung habe man nicht gesprochen. Es gehe um eine grundsätzliche Vereinbarung. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte: „Das erste und wichtigste Ziel ist es, zu vermeiden, dass es zu einer zweiten Welle in Deutschland kommt, und deswegen werden wir uns weiter einschränken müssen.“

Merkel: „Wir müssen sehr vorsichtig sein“

Am 12. März hatten sich Merkel und die Länderchefs zum letzten Mal persönlich im Kanzleramt getroffen. Danach wurde das öffentliche Leben in Deutschland wegen der Pandemie heruntergefahren: Schulen und Kitas wurden geschlossen, Restaurants, Bars und andere Einrichtungen ebenso. Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten hatten seitdem in Videoschalten über das Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten. Der Kurs von Bund und Ländern in der Pandemie war aber seit Anfang Mai auseinandergedriftet. Während Bayern etwa einen betont langsamen Kurs bei Lockerungen gewählt hat, drücken andere Länder wie Thüringen mit deutlich weniger Fallzahlen sehr aufs Tempo. In Sachsen wurde bereits über ein Ende der Maskenpflicht beim Einkaufen nachgedacht. Vor dem Hintergrund der Debatten über weitere Lockerungen hatte Merkel erst am Dienstag erneut eindringlich vor einem Rückschlag gewarnt: „Wir müssen sehr vorsichtig sein, damit wir die schon schwierige Lage in der Wirtschaft nicht noch mal verschlechtern“, warnte die Kanzlerin nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag.

DPA