Iran und Aserbaidschan – Eine problematische Beziehung
Eigentlich sollten Aserbaidschan und Iran, so scheint es, aufgrund vieler Gemeinsamkeiten eine kohärente Politik in der Region führen. Doch es gibt viele Faktoren, die dagegen sprechen.
Berg-Karabach-Konflikt: Pro-aserbaidschanische Demonstration in New York (AA)

Aufgrund von historischen und kulturellen Gemeinsamkeiten sowie der geopolitischen Lage sind Aserbaidschan und der Iran Schlüsselparteien im kaspischen und kaukasischen Raum. Geographisch endet der südliche Teil des Kaukasus im Norden Irans, wo sich zudem eine immense aserbaidschanische Gemeinde etabliert hat – allem Anschein nach gute Voraussetzungen, um auf Staatenebene eine Einheit zu bilden.

Trotz vieler Gemeinsamkeiten zahlreiche Reibungen

Nach Erlangen der Unabhängigkeit am 18. Oktober 1991 ist Aserbaidschan offiziell zum zweitgrößten schiitischen Staat der Welt geworden. Beide Nationen feiern das zoroastrische Novruz-Fest, teilen eine Geschichte des Safawiden-, darauffolgend Afschariden- sowie des Kadscharenreiches, deren Führer allesamt türkischstämmig gewesen waren. Sowohl Aserbaidschan als auch Iran erheben Anspruch auf das Erbe von Nizami Gandschavi – eines Poeten, der im Aserbaidschan lebte, aber auf Persisch dichtete. Bei genauer Betrachtung muss bemerkt werden, dass nach dem Frieden von Turkmantschai 1828 das aserbaidschanische Volk durch den Fluss Aras in zwei geteilt wurde. Im Norden gewann die russische Präsenz an Bedeutung, während im Süden die persischen Einflüsse erhalten blieben. Als Folge dieser Trennung leben noch heute rund 30 Millionen Aserbaidschan-Türken im Iran, während die Bevölkerung der Republik Aserbaidschan lediglich aus 10 Millionen Menschen besteht.

Nachdem die persischstämmige Dynastie von Pahlavi im Jahre 1925 im Iran an die Macht kam, begann die Persisierung der aserbaidschanischen Bevölkerung. Dabei wurde ein beinahe rassistischer Ansatz entwickelt. Unter anderem wurde behauptet, die im Iran lebenden Aserbaidschaner seien turkifizierte Arier iranischer Abstammung. Die Turkvölker hingegen seien nomadische Barbaren. Infolge dieser Assimilierungspolitik haben viele der in die Hauptstadt umgezogenen Aserbaidschaner die persische Kultur übernommen und somit ihre Wurzeln verloren. Bis 1979 war Irans Assimilierungspolitik gegenüber Minderheiten zu spüren. Nach der islamischen Revolution im selben Jahr begann eine Assimilierung von Minderheiten anhand der schiitischen Religion, wobei man der nationalen Frage immer weniger Beachtung schenkte und diese gänzlich überflüssig erscheinen ließ. Die Unabhängigkeit Aserbaidschans hat allerdings dazu geführt, dass Iran auch seine regionale Politik änderte.

Komplizierte Beziehungen zwischen den beiden schiitischen Staaten

Aserbaidschan hat in diesem Prozess als unabhängiger Staat den Konflikt mit Armenien geerbt: Armenien besetzte aserbaidschanische Gebiete und zwang die Bevölkerung, ihr Heimatland zu verlassen. Ginge es allein nach der religionspolitischen Perspektive, müsste Iran bei dem Armenien-Konflikt Aserbaidschan unterstützen. Allerdings hat sich ein anderes Szenario entwickelt, sodass bis heute der Iran das christlich geprägte Armenien eindeutig unterstützt. Auch wurden in den 90er Jahren Kurden nach Nordiran umgesiedelt, also an Grenzgebiete zum Nachbarland Aserbaidschan – offensichtlich um den Kontakt zwischen den beiden aserbaidschanischen Gemeinden zu minimieren.

Die iranische Politik gegenüber Aserbaidschan hatte stets auch Auswirkungen auf die aserbaidschanische Außenpolitik, denn Aserbaidschan bemühte sich um eine gute Beziehung zum jüdischen Staat Israel. Bereits in den 1990er Jahren haben israelische Spezialisten Stationen für die elektronische Intelligenz entlang der aserbaidschanisch-iranischen Grenzen gebaut. 2011 begann Israel, Aserbaidschan mit Drohnen zu versorgen, um die Grenze zu überwachen. Die Unabhängigkeit Aserbaidschans ermöglichte somit Israel, ein relevanter Akteur in dieser Region zu werden. Seither versucht Israel durch seine Präsenz, die schiitische Ideologie des Iran zu minimieren.

Nach den Gefechten im vergangenen Juli zwischen Armenien und Aserbaidschan wurde bekannt, dass russische Waffen über iranisches Territorium an Armenien geliefert worden waren. Am 27. September entflammte ein Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Regionen Karabach und Berg-Karabach. Kurz nach diesen Ereignissen teilten in den sozialen Medien die im Iran lebenden Aserbaidschaner Videos, die bestätigten, dass Iran erneut die Lieferung russischer Waffen über sein Territorium an Armenien ermöglicht. Dies geschah vor den Augen der iranischen Aserbaidschaner. Infolgedessen kam es zu Unruhen in den aserbaidschanischen Städten Irans sowie in der Hauptstadt Teheran.

Diesmal konnte man sehr viele aserbaidschanische Fahnen auf den Straßen sehen, auch die Parolen der Protestierenden waren neu. Die Aserbaidschaner riefen beispielsweise: „Wir unterstützen nicht nur Aserbaidschan, wir sind Aserbaidschan“. Die Proteste waren ein deutliches Zeichen innerhalb der aserbaidschanischen Bewegung in der jüngsten Geschichte Irans. Zur Beruhigung der Demonstranten ließen diverse Regierungskreise Mitteillungen verlauten, in denen Teheran wiederum bestätigte, dass die territoriale Integrität Aserbaidschans offiziell zu respektieren sei. Im Zuge dessen rief der Iran Armenien zur Befolgung der UN-Resolutionen auf.

Um zu verdeutlichen, weshalb diese Proteste eine derartige Relevanz haben konnten: Für gewöhnlich demonstriert die aserbaidschanische Minderheit im Iran für ihre eigenen Rechte im Land, wie etwa das Recht auf Bildung in der eigenen Sprache. Aber auch ökologische Probleme wurden zum Gegenstand von Protesten. Dazu gehört die Rettung des beinahe gänzlich ausgetrockneten Urmiasees. Ebenso gehen iranische Aserbaidschaner auf die Straßen, um den siegreichen Fußballclub Traktor, der auch „Barcelona Irans“ genannt wird, zu feiern.

Zuletzt hatten sich die im Iran lebenden Aserbaidschaner in einem solchen Ausmaß mit ihren nördlichen Geschwistern vor 31 Jahren solidarisiert. Am 31. Dezember 1989 rissen Tausende Aserbaidschaner aus Nachitschewan zusammen mit iranischen Aserbaidschanern die Zäune der sowjetisch-iranischen Grenze über dem Fluss Araz ab, um so eine Vereinigung zu erlangen.

Irans Befürchtungen in Zusammenhang mit dem aserbaidschanischen Faktor

Die Unterdrückung der Aserbaidschaner im Iran sowie die angespannten Beziehungen zu Baku haben ihre Gründe und Motive. Teheran fürchtet, dass die im Iran lebenden Aserbaidschaner eine Affinität zur Kaukasusrepublik Aserbaidschan entwickeln und somit Voraussetzungen für eine Abspaltung im Land schaffen könnten. Unter den iranischen Aserbaidschanern kann man unterschiedliche Ansätze und Beweggründe erkennen.

1. Die konservativen iranischen Aserbaidschaner sind der Meinung, dass sie sich in die iranische Gesellschaft und Politik integrieren sollten.

2. Diejenigen, die für die Muttersprache kämpfen, fordern eine kulturelle Autonomie innerhalb Irans.

3. Es gibt aber auch insbesondere im Ausland tätige Organisationen, die sich entweder für die Unabhängigkeit eines iranischen Aserbaidschans oder für die Vereinigung mit dem nördlichen Aserbaidschan einsetzen.

Die politischen Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass der Kontakt der iranischen Aserbaidschaner mit Aserbaidschan und der Türkei stärker geworden ist. Die letzten Pro-Aserbaidschan-Demos bestätigen, dass iranische Aserbaidschaner nicht mehr ausschließlich für ihre eigenen Probleme zivilen Widerstand leisten, sondern auch auf die Ereignisse in der Nachbarschaft vermehrt reagieren.

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