Ehemalige Kriegsflüchtlinge vom Balkan in europäischen Parlamenten
In vielen europäischen Staaten leben erfolgreiche bosnische Politiker, die auf staatlicher Ebene Verantwortung für ihre Mitmenschen übernehmen. Damit tragen sie zum Wohl dieser Staaten bei.
Die Baščaršija in Sarajevo (AA)

Während einerseits junge Menschen in Bosnien und Herzegowina der politischen Strukturen, der wirtschaftlichen Probleme sowie der Bürokratie im Land überdrüssig sind und darauf hoffen, ihr Glück anderswo zu finden, suchen andererseits Länder wie Deutschland händeringend nach jungen Arbeitskräften. Erfolgsgeschichten aus dem Leben verdeutlichen aber, dass junge Menschen aus Bosnien eben nicht nur billige Arbeitskräfte sind. Die jüngsten Wahlen in Deutschland führen dies vor Augen. So errang Adis Ahmetovic, einer dieser jungen Menschen aus Bosnien, bei den Bundestagswahlen im vergangenen Monat ein Mandat für die SPD. Er kam 1993 in Deutschland auf die Welt, nachdem seine Eltern zuvor von Bosnien nach Deutschland ausgewandert waren. Seit 2016 ist er in der Politik aktiv und hat nun dieses Engagement mit dem Einzug in den Bundestag gekrönt. In seinen Erklärungen gegenüber bosnischen Medien machte er deutlich, dass er seinen Erfolg auch mit seinen bosnischen Freunden und Bekannten gefeiert habe und sich im Bundestag sowohl für Bosnien und Herzegowina als auch die weiteren Westbalkanstaaten einsetzen werde.

Vom Migranten zum Bundestagsabgeordneten

Ahmetovic ist nicht der einzige Balkanstämmige, der bei den letzten Wahlen einen Erfolg einfahren konnte. Jasmina Hostert aus Sarajevo ist ebenfalls eine erfolgreiche Politikerin. Sie kam in Sarajevo auf die Welt und erlebte somit als Kind den Krieg, so wie tausende anderer Kinder in Bosnien. Hostert wurde bei den kriegerischen Auseinandersetzungen verletzt und verlor im Jahr 1993 ihre Hand. Aus diesem Grund war sie gezwungen, zusammen mit ihrem Vater nach Deutschland zu emigrieren, da ihre Verletzung sehr schwer war und die Behandlung in Bosnien nicht fortgeführt werden konnte. Jasmina, die als Flüchtling in das Land kam, sitzt heute im Bundestag. In diesem Zusammenhang erklärte sie den Medien gegenüber, sie könne mit der Annahme eines deutschen Familiennamens den Unterschied fühlen: „Mit meinem bosnischen Familiennamen habe ich mich immer wie eine Ausländerin gefühlt, nun fühle ich mich wie eine Deutsche. Mich störte das einfach, wobei alle Menschen das Recht dazu haben, den von ihnen bevorzugten Namen zu führen. Aber als jemand mit einem ausländischen Familiennamen hat man es hier doch schwerer.“ Sie fügte hinzu, sie wolle Bosnien und Herzegowina in ihre Arbeit im Bundestag einbeziehen.

Rekordanteil in Dänemark

Ahmetovic und Hostert sind lediglich exemplarische Namen dafür, wie erfolgreich junge Menschen aus Bosnien sein können.

Bei den anstehenden Wahlen in Dänemark stammen fünfzehn der aufgestellten KandidatInnen aus Mostar, Gorajde, Trebinje und Bosanska Krupa in Bosnien und Herzegowina. Es kandidiert sogar ein Politiker, geboren in Srebrenica, also dort, wo 1995 der Völkermord an der bosnischen Zivilbevölkerung begangen wurde, für das dänische Parlament.

Nejra Kalkan wurde ebenfalls in Sarajevo geboren und lebt heute in den Niederlanden. Die niederländische Partei PvdA, der sie angehört, hatte sie 2014 für die Wahlen zum Europäischen Parlament aufgestellt. Sie war als Beraterin für die Bereiche Recht, Justiz und Inneres der Europaparlamentarierin Emine Bozkurt tätig. Eine weitere Persönlichkeit aus Sarajevo, die im gleichen Zeitraum als Kandidatin für das Europäische Parlament nominiert wurde und zwischen 2014 und 2019 die genannte Beraterposition innehatte, war Jasminko Halilovic. Halilovic lebt seit 1992 in Schweden und hat bis dato viele Erfolge gefeiert. In Großbritannien gehört Arminka Helic, die im bosnischen Gracanitsa auf die Welt kam, dem britischen Oberhaus an. Auch sie zählt zu den unzähligen Menschen, die während des Krieges auswandern mussten. Alma Zadic wurde in Tuzla geboren, also ebenfalls in Bosnien und Herzegowina, wanderte aber 1994 während des Krieges mit ihrer Familie nach Österreich aus. Sie ist seit Jahren als Mitglied der Grünenpartei in der österreichischen Politik aktiv und seit 2020 amtierende Justizministerin. Die aus Foça stammende Aida Hadzialiç war stellvertretende Bildungsministerin in Schweden, und die in Bugoyno geborene Hannah Sumeja Atic war für die norwegische Regierung tätig. Dies sind nur einige der zahllosen erfolgreichen bosnischstämmigen Politiker.

Darüber hinaus gibt es Hunderte, wenn nicht gar Tausende von Bosniaken, die wir hier zwar nicht erwähnt haben, die aber in den europäischen Staaten auf unterschiedlichsten verschiedenen Berufsfeldern erfolgreich sind. All diese Erfolgsgeschichten zeigen, dass junge Menschen aus Bosnien und Herzegowina weit mehr sind als nur kostengünstige Arbeitskräfte. Deshalb sollten die betroffenen Staaten besser mit Bosnien und Herzegowina und seinem Potenzial umgehen. Anstatt in Bosnien nach billigen Arbeitskräften zu suchen, sollten sie sich lieber für eine bessere Zukunft von Bosnien und Herzegowina einsetzen, damit die frustrierten jungen Menschen im Land für sich eine Perspektive in Bosnien sehen.

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