Olcay Şahan: „Co-Trainer bei Beşiktaş wäre ein Traum“
Nach seinem Karrierestart in Deutschland zog es Olcay Şahan 2012 nach Istanbul. Bei Beşiktaş wurde der Offensivspieler ein Leistungsträger. Im TRT Deutsch-Interview spricht er über seine Verbundenheit mit den Beşiktaş-Fans und seine Zukunftspläne.
Olcay Şahan im TRT Deutsch-Interview (Screenshot aus dem Interview)

von Emre Bölükbaşı Nach seinem Karrierestart in der Jugendabteilung von Fortuna Düsseldorf lief Olcay Şahan für mehrere deutsche Fußballvereine auf. Mit seinen Leistungen in der Ersten und Zweiten Bundesliga machte der Mittelfeldspieler auf sich aufmerksam. 2012 zog es ihn dann nach Istanbul.
Bei Beşiktaş stieg er prompt zu einem der Leistungsträger des Teams auf und wurde durch seinen unermüdlichen Einsatz auf dem Rasen und das gute Verhältnis zu den türkischen Fans ein Publikumsliebling.
Im Interview mit TRT Deutsch blickt Şahan auf seine Fußballkarriere zurück und teilt seine Zukunftspläne für seine Trainerkarriere mit. Doch vor allem über den Gewinn der Meisterschaft mit Beşiktaş und die phänomenale Meisterschaftsfeier am Bosporus redet der Ex-Fußballprofi noch heute gerne.

Als Sie in der Jugendabteilung von Bayer 04 Leverkusen kickten, hatte der Verein viele Starspieler im Team. Hatten Sie Kontakt zu den Profifußballern? Ich habe meine Fußballkarriere bei Fortuna Düsseldorf angefangen. Nach zwei Jahren
ungefähr bin ich zu Bayer 04 Leverkusen gewechselt und damals waren mit Yıldıray Baştürk, Michael Ballack, Ulf Kirsten, Zé Roberto, Berbatov, Carsten Ramelow schon sehr gute Spieler vorhanden. Ulf Kirsten kam auch ständig zum Training. Und da hat man sich eben unterhalten können. Wir waren noch kleine Kinder, aber er hat uns immer motiviert.

Olcay Şahan in der Jugendabteilung von Bayer 04 Leverkusen (Facebook-Account von Olcay Şahan)

Mit dem MSV Duisburg standen Sie in der Saison 2010/11 im Finale des DFB-Pokals. Was war das für ein Gefühl damals? Ja, die ganze Saison war eigentlich sehr einmalig, weil ich als junger Spieler bei MSV Duisburg in dieser Saison als Stammspieler agiert habe. Da sind wir ins Finale gekommen. Und dann spielst du auf einmal gegen Schalke 04. Bei mir in der Mannschaft bin ich immer als Letzter auf den Platz gegangen und bei Schalke war der letzte Spieler, der rausgegangen ist, Raúl. Und als ich ihn angeguckt habe – ich kannte ihn nur vom Fernsehen – das war für mich phänomenal. Das Stadion war ausverkauft. Wir haben 5:0 verloren. Aber ich kann dir garantieren, nach dem Spiel in der Kabine: Kein einziger Spieler war traurig. Jeder war stolz.

Vor Ihrem Beşiktaş-Transfer hatte eigentlich Galatasaray Interesse an Ihnen bekundet. Wie kam der Transfer dann doch zustande? Hatte Stefan Kuntz, der damalige Vorstandsvorsitzende des 1. FC Kaiserslautern, dabei eine Rolle gespielt? Der Sportdirektor von Galatasaray war in Frankfurt. Da haben wir uns in einem Hotel getroffen. Die wollten mich unbedingt haben. Ich bin, seit ich ein kleiner Junge bin, ein Fan von Beşiktaş. Aber für in Deutschland geborene Türken ist es nicht so emotional wie in der Türkei, was Fußball angeht. Und deswegen war es für mich ein großes Highlight. Ich hatte Interesse, natürlich. Und dann hat sich der Verein mit Kaiserslautern geeinigt.

Das war in der Sommerpause und Galatasaray hat mich ein bisschen warten lassen. Ich als gebürtiger Düsseldorfer wurde dann zappelig. Die Vorbereitung in Kaiserslautern hatte wieder begonnen. Ich komme auf meinen Platz: Meine Trikotnummer wurde an einen anderen Spieler weitergegeben. Und Stefan Kuntz hat gefragt, was ich suche. „Ich habe dich doch schon verkauft. Wir haben uns doch geeinigt mit Galatasaray“, hat er gesagt.

23. April 2016: Olcay Şahan (AA)

Ich sagte: „Aber ich habe mich nicht geeinigt.“ Und dann habe ich mit meinem Berater gesprochen und ihm gesagt, dass ich nicht mehr zu Galatasaray wechseln will.

Dann kam Beşiktaş dazwischen. Und als sich dann mein Berater mit Stefan Kuntz zusammengesetzt hat und gesagt hat: „Wir haben eine Alternative, aber Beşiktaş zahlt weniger als die Hälfte Ablöse“, hat Stefan Kuntz definitiv gesagt: „Nein, ich muss an meinen Verein denken. Ich habe mich mit Galatasaray geeinigt. Der Verein braucht diese Summe für alle.“

Ich war nicht mehr in den Planungen des Trainers. Dann hat der Herr Kuntz zugesagt. Und er hat mir auch bei der Verabschiedung erzählt, dass er an dem Abend vorher mit seiner Frau gesprochen hatte. Weil er ein ehemaliger Beşiktaş-Spieler ist und weil seine Frau und Herr Kuntz auch in Istanbul gelebt hatten, habe die Frau von Herrn Kuntz gesagt: „Lass den Jungen gehen, lass ihn seinen Traum leben.“

Sie galten bei Beşiktaş als Publikumsliebling und hatten ein sehr gutes Verhältnis zu den Fans. Wie fanden Sie die Atmosphäre im Beşiktaş-Stadion? Als ich in die Türkei gewechselt war, war mein erstes Vorbereitungsspiel gegen Manchester City. Und da habe ich die ganz großen Stars gesehen. Und meine Beine haben schon ein bisschen gezittert beim Spiel. Mein erstes Spiel war gegen Başakşehir, auswärts im Olympiastadion. Das Stadion war halbleer. Da habe ich mir gedacht: „Wo bin ich hier gelandet? Hier gibt es ja gar kein Interesse an Fußball.“

Und mein erstes Heimspiel für Beşiktaş war im neuen Stadion gegen Galatasaray. Als ich zum Warmmachen rausgegangen bin – die Atmosphäre, die ich da erlebt habe, die werde ich nie vergessen. Ich habe beim Warmmachen Gänsehaut bekommen und bin so emotional geworden, weil ich auch ein echter Fan bin. Beim Warmmachen musste ich die ganze Zeit weinen. Man kann erzählen, was man will, aber man muss das mal erlebt haben.

Olcay Şahan während der Meisterschaftsfeier im Vodafone Park (AA)

Mit Beşiktaş gewannen Sie in der Saison 2015/16 den Meisterschaftstitel. Die Feier am Bosporus war überragend. Wie empfanden Sie das als Spieler? Ich kann es nicht in Worte fassen. Wir sind vom Trainingsgelände zum Bosporus gefahren, sind ins Schiff eingestiegen. Und ich gucke rechts und links in Istanbul auf den Bosporus. Ich habe locker 100 Boote, Yachten gesehen, die mit Fans überfüllt waren. Und dann sind wir alle von der einen Seite der Stadt auf die andere Seite ins Stadion gefahren. Das war unnormal schön. Und das kann man nur in der Türkei erleben, glaube ich.

Sie spielten während Ihrer Karriere mit vielen begabten Fußballern. Wer war denn der talentierteste Spieler, mit dem Sie kickten? Für mich war der, mit dem ich am besten zusammengespielt habe, wo ich wusste „Der hat einfach ein Gehirn, was obere Klasse ist“, das war Oğuzhan Özyakup. Er hatte einfach Qualität. Er wusste, wie Fußball gespielt wird. Und im Training hat er manchmal Sachen gemacht, wo ich dachte, „der Junge hat es drauf“.

Der talentierteste Spieler, mit dem ich zusammengespielt habe, war Sosa. Der hat nicht umsonst bei Bayern München, Atletico Madrid oder Milan gespielt.

Wahrscheinlich denken noch alle Beşiktaş-Fans gern an ihren Derby-Treffer in der Saison 2012/13 gegen Fenerbahçe zurück. Durch das Tor in der letzten Sekunde gewann Ihre Mannschaft das Spiel mit 3:2. Was war das für ein Gefühl? Unser damaliger Kapitän Ibrahim Toraman, den ich auch sehr schätze, hat gesagt: „Olcay, heute kannst du ein Beşiktaş-Spieler werden. Heute kannst du Geschichte schreiben.“ Da habe ich geantwortet: „‚Abi‘, bleib locker. Das Spiel ist in meiner Hand. Du wirst sehen, ich werde heute Geschichte schreiben.“ Und so ist es wirklich passiert. Nach dem Spiel bin ich hingegangen und habe gesagt: „Ich habe dir doch gesagt ‚bleib locker‘.“ Da meinte er: „Jetzt bist du ein richtiger ‚Beşiktaşlı‘.“ Jedes Mal, wenn ich das Video auf Social Media sehe, kriege ich Gänsehaut.

3. März 2013: Olcay Şahan nach seinem Derby-Treffer in der letzten Sekunde gegen Fenerbahçe (AA)

Mit Valérien Ismaël hat Beşiktaş nun seit kurzem einen Trainer, der als Fußballer auch in der Bundesliga aktiv gewesen war. Wie finden Sie seine bisherigen Leistungen? Wie ich die ersten zwei Spiele gesehen habe, scheint es eine richtige Entscheidung zu sein. Das einzige Problem in der Türkei ist: Man hat hier keine Zeit, was aufzubauen. Du musst von null auf hundert Erfolg haben. Wenn jetzt Ismaël fünf Spiele verliert, ist er weg. Das ist schade. Der Trainer hat keine Chance, junge Spieler spielen zu lassen, um sie weiterzuentwickeln. In der Türkei ist alles ergebnisabhängig.

Sie wollen ja auch selber Trainer werden, Ihre Vorbereitungen laufen. Welche Karriereziele haben Sie? Ich gucke mir Fußball inzwischen mit ganz anderen Augen an, weil ich jetzt auch meine UEFA-B-Lizenz und meine UEFA-A-Lizenz gemacht habe und ich auch demnächst als Trainer starten möchte. Natürlich wäre es ein Traum, wenn ich als Co-Trainer bei Beşiktaş anfangen kann. Und natürlich ist auch eines meiner Ziele, bei Beşiktaş als Cheftrainer mal zu arbeiten. Ohne Träume, ohne Ziele fängt man keinen Job an!

Mein Ziel ist eigentlich sehr hoch. Ich möchte als Trainer in Europa arbeiten, ich möchte bei Top-Klubs arbeiten. Ich glaube an mich. Ich habe das Gefühl, dass ich das Zeug dazu habe.

Vielen Dank für das Gespräch!

TRT Deutsch