6.11.2019, Nordrhein-Westfalen, Mönchengladbach: Fußball: EM-Qualifikation, Deutschland - Weißrussland, Gruppenphase, Gruppe C, 9. Spieltag im Stadion im Borussia-Park. DFB-Vizepräsident Rainer Koch (l) und DFB-Präsident Fritz Keller auf der Tribüne.  (dpa)
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Noch ist Fritz Keller DFB-Präsident. Mit jeder Stunde ohne eine Reaktion des 64-Jährigen auf die Rücktrittsforderungen, die mächtige Landes- und Regionalchefs am Sonntag in Potsdam an ihn gerichtet hatten, wächst aber der Druck auf ihn selbst und den Deutschen Fußball-Bund, der tief in der nächsten Führungskrise steckt.
Keller, der sich mit einem Nazi-Vergleich massiv selbst geschwächt hatte, wäre nach Wolfgang Niersbach und Reinhard Grindel der dritte DFB-Präsident hintereinander, der infolge disziplinärer Verfehlungen das Amt abgeben müsste. Vor etwa einer Woche soll Keller seinen Vize Rainer Koch in einer internen Sitzung am Templiner See in Anspielung an den Präsidenten des NS-Volksgerichtshofs als „Freisler“ bezeichnet haben.
Die Nachfolgeregelungen
Sollte sich der renommierte Winzer dem Druck der Präsidenten der Landes- und Regionalverbände beugen, würden die Statuten das weitere Vorgehen regeln. „Endet das Amt des Präsidenten vorzeitig oder ist er an der Ausübung des Amts nicht nur vorübergehend gehindert, obliegt die Vertretung des Präsidenten den beiden gleichberechtigten 1. Vizepräsidenten“, heißt es in den Statuten. Aktuell würden also der für die Amateure zuständige Rainer Koch sowie Peter Peters als Stellvertretender Sprecher des Präsidiums der Deutschen Fußball Liga die DFB-Führung übernehmen.
Koch (62), dem im Gegensatz zu Keller am Sonntag das Vertrauen ausgesprochen worden war, vertritt den DFB als Mitglied im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (UEFA), Peters (58) sitzt seit kurzer Zeit im Rat des Weltverbandes FIFA. Ein neuer Präsident muss im Rahmen eines ordentlichen oder außerordentlichen Bundestages gewählt werden. Die Landes- und Regionalchefs sprachen sich am Sonntag jedoch gegen eine außerordentliche Versammlung aus, der nächste Bundestag würde demnach erst 2022 stattfinden.
Die Ethikkommission
Noch ist unklar, ob und wie die DFB-Ethikkommission Kellers Nazi-Vergleich behandelt. Keller hatte Koch nach dieser Aussage zwar um Entschuldigung gebeten, der Vize habe diese aber auch am Sonntag in einem persönlichen Gespräch nicht angenommen. Nach dpa-Informationen ist Kochs Entscheidung für die vierköpfige Ethikkommission von Bedeutung, die laut DFB-Beschreibung „in allen Fällen, die der Integrität und dem Ansehen des DFB und seiner Mitgliedsverbände schaden, insbesondere bei illegalen und unethischen Verhaltensweisen“, Ermittlungen aufnehmen soll.
Ein Ethikverfahren gegen Keller könnte auch den Ausschlag geben, sollte es in den kommenden Tagen zur Schlammschlacht kommen. Einfach abberufen werden kann ein DFB-Präsident nicht. Zuständig wäre wohl der DFB-Vorstand, der sich aus den Präsidiumsmitgliedern, den Landes- und Regionalchefs sowie zwölf DFL-Vertretern zusammensetzt. „Der Vorstand ist berechtigt, Präsidiums-, Vorstands- und Ausschussmitglieder bei grober Pflichtverletzung oder bei Unwürdigkeit mit sofortiger Wirkung ihrer Tätigkeit im DFB durch schriftlich begründete Entscheidung bis zum nächsten ordentlichen Bundestag zu entheben“, steht in den Statuten.
Die Landes- und Regionalchefs ließen nach der Tagung in Potsdam ein klares Urteil zum Nazi-Vergleich mitteilen: „Eine derartige Äußerung ist völlig inakzeptabel und macht uns fassungslos.“
Der Generalsekretär
DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius war in den vergangenen Monaten erbitterter Gegenspieler von Keller, auch ihm wurde jedoch von den Landes- und Regionalchefs das Vertrauen entzogen. Anders als Keller kann Curtius aber nicht zum Rücktritt aufgefordert werden, der 44-Jährige steht beim DFB als höchster hauptamtlicher Mitarbeiter unter Vertrag. Curtius verantwortet unter anderem den Geschäftsbetrieb der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main, wo ihm eine große Hausmacht nachgesagt worden war. Die DFL hatte sich jedoch schon im Januar gegen den DFB-General gestellt - in die Sitzungen der Liga soll seitdem Koch entsandt werden.
Die offenen Entscheidungen
Der DFB und seine Führung stünden auch ohne die tiefe Krise vor wegweisenden Wochen. Die prominenteste offene Entscheidung ist die Neubesetzung des Bundestrainer-Postens, Joachim Löw hört nach der EM im Sommer auf. Als Favorit für die Nachfolge gilt Noch-Bayern-Trainer Hansi Flick. Mit der Abwicklung betraut ist DFB-Direktor Oliver Bierhoff, der sich bislang nicht zu dem Beben von Potsdam geäußert hat. Der 53-Jährige ist zudem der Hauptverantwortliche für die neue und teure DFB-Akademie, in die der Verband im nächsten Jahr einziehen will. Nach aktuellem Stand eher ohne Fritz Keller.

dpa