Rassismus-Debatte: Regierung untersucht „Racial Profiling“ bei der Polizei (dpa)
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„Racial Profiling“ ist bei der Polizei zwar gesetzlich untersagt - kommt aber immer wieder vor. Die Bundesregierung hat nun eine Studie in Auftrag gegeben.

„Racial Profiling“, also eine polizeiliche Kontrolle aufgrund äußerlicher Merkmale wie dunkler Haut- oder Haarfarbe ist in Deutschland aufgrund des Grundgesetz-Artikels 3 verboten. Dort heißt es im dritten Absatz: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Trotz des verfassungsmäßigen Verbots gibt es immer wieder Vorfälle, bei denen sich die Polizei dem Vorwurf des „Racial Profiling“ aussetzt. Der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurden seit ihrer Schaffung im Jahre 2006 insgesamt 200 solcher Fälle gemeldet.

„Aus Sicht des Bundesjustizministeriums ist eine Studie zu racial profiling - bezogen auf den Bund und die Länder - ein wichtiger Schritt, um fundierte Erkenntnisse über das Phänomen zu erlangen und darauf aufbauend über mögliche Gegenmaßnahmen zu diskutieren“, erklärte ein Sprecher. Eine solche Studie habe auch die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz in ihrem aktuellen Bericht über Deutschland empfohlen.

Esken: „Auch in Deutschland gibt es latenten Rassismus“

Die Grünen hoffen derweil auf Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion bei ihrem Vorstoß für einen unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes. „Nun ist die SPD gefragt, das umzusetzen, was von ihrer Vorsitzenden öffentlich gefordert wurde“, sagte die grüne Innenpolitikerin Irene Mihalic mit. „Wir setzen darauf, dass die SPD diesmal nicht mitmacht, wenn die Behandlung unseres Gesetzentwurfes im Ausschuss verschoben werden soll“, fügte sie hinzu. Der Innenausschuss des Bundestages trifft sich regulär am kommenden Mittwoch.

Die Grünen plädieren für die Einrichtung eines Polizeibeauftragten, an den sich Bürger wenden können, wenn ihnen Fehlverhalten oder strukturelle Missstände bei der Polizei aufgefallen sind. Bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag hatten vor allem Redner der Union erklärt, das dies im Prinzip ein Misstrauensvotum gegen die Polizei sei. Die SPD verwies auf Anlaufstellen in den Ländern. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte Anfang der Woche mit Blick auf die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA gesagt: „Auch in Deutschland gibt es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte.“ Um Fälle ungerechtfertigter Polizeigewalt aufzuarbeiten, forderte sie eine unabhängige Beschwerdestelle. Mit ihrer Einschätzung stieß Esken unter anderem bei SPD-Innenministern auf Kritik.

Bundesjustizministerin sieht kein „ strukturelles Rassismus-Problem"

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hingegen hält eine unabhängige Meldestelle für überflüssig. Ein „besonderes strukturelles Rassismus-Problem" gebe es ihrer Ansicht nach bei der Polizei nicht, berichtete „tagesschau.de“ am Donnerstag. Es gebe aber Einzelfälle wie der Fall in Frankfurt/Main zeige. Dort laufen Ermittlungen gegen Polizisten, die eine NSU-Opferanwältin bedroht haben sollen.

Auch der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat angesichts der Rassismus-Debatte davor gewarnt, die Situation in Deutschland mit der in den USA zu vergleichen. „Ich halte es für unzulässig, die Bilder aus Amerika eins zu eins auf Deutschland zu übertragen“. Es gebe in den Vereinigten Staaten einen systemischen Rassismus. „Die Amerikaner haben seit der Abschaffung der Sklaverei das Problem der Rassendiskriminierung bis heute nicht wirklich gelöst. In Deutschland gibt es das in dieser Form nicht - und es gibt bei uns auch keinen latenten Rassismus bei der Polizei.“

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Polizisten pauschal unter Rassismus-Verdacht zu stellen, finde ich nicht in Ordnung.“ Er verwies auf umfangreiche Überprüfungen der Bewerber bei der Polizei. Bevor junge Leute zur Polizei kämen, würden sie vom Verfassungsschutz gecheckt und bei Beginn der Ausbildung noch einmal überprüft. Während der Ausbildung gebe es Ethikunterricht. „Und wir machen in der Fortbildung eine ganze Menge. Das ist überhaupt kein Vergleich mit den USA.“ Trotzdem könne man auch mit Blick auf Rassismus in der Polizei „niemals nie sagen“, betonte der CDU-Politiker. Deshalb gebe es in jeder Polizeibehörde in NRW einen Extremismusbeauftragten.

Rassistische Vorfälle werden bagatellisiert

Hintergrund der Berufung der Extremismusbeauftragten war der Fall eines Verwaltungsbeamten des Polizeipräsidiums Hamm, der wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung in Haft genommen worden war. Im Zuge der Ermittlungen hatte sich die Polizei von zwei weiteren Mitarbeitern getrennt.

Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften erklärte, er unterstütze die Forderungen betroffener Menschen, die Darstellungen von rassistischen Strukturen in der Institution Polizei wahr- und ernstzunehmen. Ratsuchende und Angehörige berichteten immer wieder von Erlebnissen mit racial profiling. Sie erlebten auch, dass rassistische Vorfälle bagatellisiert würden. Die Diversity-Trainerin Anna Cardinal, die sich in dem Verband engagiert, sagte: „Eine wichtige Rolle spielt sicher auch die Tatsache, dass die Polizei von einem Großteil betroffener Personen nicht als Ansprechpartnerin gesehen wird und deshalb davon abgesehen wird, diese zu rufen - aus Angst, selbst kriminalisiert zu werden und Ziel rassistisch motivierter Diskriminierung durch die Polizei zu werden.“





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