Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt im Bundeskanzleramt eine Pressekonferenz zu den Maßnahmen, die eine weitere Ausbreitung des Coronavirus verlangsamen sollen. (dpa)
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Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Montag in Berlin angesichts der Corona-Krise vor dem Risiko eines Rückfalls und der Notwendigkeit gewarnt, die gerade beschlossenen Lockerungen dann wieder zurückzunehmen.
„Wir dürfen uns keine Sekunde in Sicherheit wiegen“, sagte die CDU-Politikerin in Berlin. „Wir müssen wachsam und diszipliniert bleiben.“ In einer Schaltkonferenz des CDU-Präsidiums soll sie ihrem Unmut Luft gemacht haben und sprach gar von „Öffnungsdiskussionsorgien“ in einigen Ländern.
Am Morgen waren die ersten Lockerungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Kraft getreten. Kleine und mittlere Geschäfte mit einer Fläche bis 800 Quadratmeter dürfen nun in vielen Bundesländern wieder öffnen. Für die ersten Schüler ging die Schule wieder los: In Sachsen kehrten die Abschlussklassen an ihre Unterrichtsstätten zurück. Die strikten Kontakt- und Abstandsregeln sollen allerdings mindestens bis zum 3. Mai weiter gelten.
„Es wäre jammerjammerschade, wenn wir kommen müssten und sagen müssten, das muss jetzt wieder rückgängig gemacht werden“, sagte Merkel über die Lockerungen. Man müsse weiter „schrittweise, langsam und vorsichtig“ vorgehen.
Die Kanzlerin reagierte damit auf die immer lauteren Rufe nach weiteren Lockerungen und Bestrebungen in manchen Ländern, Restriktionen möglichst schnell wieder aufzuheben. „Es kann auch ein Fehler sein, dass man zu schnell voranschreitet“, sagte die Kanzlerin an die Adresse der Ministerpräsidenten. „Die Situation, die wir jetzt haben, ist trügerisch.“ Denn wie sich etwa die nun beschlossene Öffnung vieler Geschäfte auswirke, sei nicht vorherzusehen.
Epidemie könnte wieder ausbrechen
Der Berliner Virologe Christian Drosten warnte davor, dass die Epidemie in nicht erwarteter Wucht und dann flächendeckend wieder losgehen könnte. In den Intensivstationen werde es immer ein bisschen voller. Das stimme ihn sorgenvoll, sagte der Chef-Virologe des Universitätsklinikums Charité in seinem NDR-Podcast.
Fast gleichzeitig mit Merkels Appell zur Disziplin brachte Familienministerin Franziska Giffey vom Koalitionspartner SPD aber eine weitere Lockerung ins Gespräch: eine vorsichtige Öffnung von Spielplätzen - insbesondere in Städten. Alle Kinder bräuchten Bewegung und freies Spiel, sagte sie. Man müsse darüber reden, inwieweit eine teilweise Öffnung möglich sei, etwa mit einer begrenzten Zahl von Kindern.
Es gab am Montag auch konkrete Entscheidungen zu Corona: Das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes in öffentlichen Verkehrsmitteln und/oder Geschäften wird in immer mehr Ländern zur Pflicht. In Sachsen gilt die Maskenpflicht seit Montag, Thüringen zieht am Freitag nach, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern kommende Woche. In Baden-Württemberg entscheidet das Kabinett am Dienstag. Zugleich verhängen auch in den anderen Ländern immer mehr Kommunen eine solche lokale Pflicht.
Arbeitnehmer mit Erkältungsbeschwerden können sich auch weiterhin per Telefon vom Arzt krankschreiben lassen. Die entsprechende Sonderregelung sollte an diesem Montag eigentlich auslaufen, wird nun aber doch noch einmal bis vorerst 4. Mai verlängert, wie der Gemeinsame Bundesausschuss im Gesundheitswesen (G-BA) mitteilte.
105 mobile Teams sollen vor Ort bei der Identifizierung von Kontaktpersonen helfen. Die Finanzierung übernehme das Bundesgesundheitsministerium, sagte Merkel. Nötig sei „eine präzise Nachverfolgung aller Infektionsketten“.
Zurückhaltend äußerte sich die Kanzlerin zur SPD-Forderung nach Aufstockung des Kurzarbeitergeldes und über eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes für die Gastronomie, wie von mehreren Ministerpräsidenten gefordert. Der schwarz-rote Koalitionsausschuss werde sich am Mittwoch damit befassen und sich einen Überblick verschaffen, sagte sie. „Wir müssen jetzt nur aufpassen, dass wir nicht jede Woche eine Maßnahme uns vornehmen und in der nächsten Woche wieder eine andere.“ Am 30. April wollen Bund und Ländern über das weitere Vorgehen verhandeln.

dpa