Am Dienstag sind die Aussichten gesunken, dass der Bundestag vor der Bundestagswahl noch weitreichende Beschlüsse treffen kann. „Wir werden keinem Gesetzentwurf der SPD und der Grünen zustimmen, der haushaltswirksam ist“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz. Das gelte auch für Projekte, bei denen die Wirtschaft Handlungsbedarf angemeldet hatte. Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge wiederum machte deutlich, dass ihre Fraktion das sogenannte Steuerfortentwicklungsgesetz nicht mehr aufschnüren wolle. Dies hat die FDP aber zur Bedingung gemacht, um der noch von der Ampel-Koalition auf den Weg gebrachten Abmilderung der inflationsbedingten Progression (Kalte Progression) und der Kindergelderhöhung zuzustimmen.
Am Dienstag hatten sich die Fraktionen getroffen, um angesichts der geplanten Auflösung des Bundestags nach der Vertrauensabstimmung am 16. Dezember zu beraten, womit sich das Parlament noch bis zur geplanten Neuwahl am 23. Februar beschäftigen soll. SPD und Grüne, die nach dem Ampel-Bruch eine Minderheitsregierung bilden, wollen noch etliche Gesetzesvorhaben durchbringen, die durch das plötzliche Ende der Regierung im Bundestag hängen geblieben sind. Dies könnten sie entweder mit der FDP oder der CDU/CSU-Fraktion erreichen. Die Wirtschaftsverbände hatten die Minderheitsregierung sowie FDP und Union zu schnellen Beschlüssen aufgefordert, die die Unternehmen entlasten können.
„Die Verbände haben sich offensichtlich hier auch abgestimmt untereinander. Ich höre aus den Unternehmen nichts dergleichen“, sagte Merz aber. Die Firmen hätten mit dieser Regierung abgeschlossen und erwarteten in dieser Wahlperiode nichts mehr. „Die Unternehmen in Deutschland erwarten eine grundlegende Kurskorrektur in der Wirtschaftspolitik, und die ist mit dieser Regierung nicht mehr möglich.“ Daran änderten auch kleinere Projekte nichts, die nun noch auf den Tisch gelegt würden.
Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, äußerte sich skeptisch über die Möglichkeit, noch die Abmilderung der kalten Progression zu beschließen. Die Ampel habe die Reform der kalten Progression in das Steuerfortentwicklungsgesetz gepackt, das viele andere Regelungen enthalte, kritisierte er ähnlich wie die FDP. „Das Gesetz, wie es derzeit vorliegt, ist für uns keinesfalls zustimmungsfähig.“ Eine neue Regierung könne die Entlastung der Bürger im kommenden Jahr mit nachträglicher Wirkung beschließen.
„Grundsätzlich gilt für uns genauso wie für die SPD, dass wir das Steuerfortentwicklungsgesetz gerne noch im Deutschen Bundestag beschließen würden“, sagte Grünen-CO-Fraktionschefin Dröge. „Und das auch in der Form, die der Finanzminister vorgelegt hat.“
Schlecht sieht es offenbar auch beim sogenannten Lieferkettensorgfaltsgesetz aus, obwohl im Prinzip alle Mitte-Parteien eine Änderung befürworten. Die Union und die FDP wollen zwar noch diese Woche Gesetzentwürfe zur Abschaffung des Lieferkettensorgfaltsgesetzes in den Bundestag einbringen, haben dies aber nach Angaben von Frei nicht miteinander abgestimmt. Der Gesetzentwurf werde nach einer ersten Lesung zunächst in die Ausschüsse überwiesen.
Die nötige Einigung mit der rot-grünen Minderheitsregierung beim Lieferkettengesetz sieht Frei eher skeptisch. „Ich halte auch vom europäischen Lieferkettengesetz nichts“, sagte der CDU-Politiker und verwies auf dort vorgesehene „unsägliche“ Bürokratieauflagen und zivilrechtliche Haftungsregelungen. Deshalb bringe es auch nichts, das deutsche Gesetz an das EU-Regelungsniveau anzupassen. Die Union habe vielmehr vorgeschlagen, das Gesetz ganz zu streichen. Äußerungen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für eine Reform könne man nicht trauen. Ohnehin werde die Union erst nach der Vertrauensabstimmung am 16. Dezember darüber reden, welchen Gesetzesvorhaben man im Bundestag zustimmen werde, die nach dem Ampel-Bruch hängengeblieben sind.