Terroristen der PKK-Jugendorganisation (dpa)
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Die angespannten Beziehungen zwischen der Türkei und den Vereinigten Staaten dürften sich weiter verschlechtern, weil das US-Außenministerium in seinem jährlichen Bericht über Menschenhandel („Trafficking in Persons 2021“) die Türkei auf eine Liste von Ländern gesetzt hat, die angeblich Kindersoldaten eingesetzt haben. In dem Bericht wird die Türkei indirekt beschuldigt, die mit ihr verbündeten Milizen („Sultan-Murad-Division“) in Syrien und Libyen hätten Kindersoldaten eingesetzt.

Vor und mit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien 2011 hatten die damalige Obama-Regierung und mehrere arabische Staaten mit der Operation „Timber Sycamore“ radikale terroristische Gruppen ausgebildet, Waffen geliefert und unterstützt, um den syrischen Machthaber Bashar al Assad zu stürzen. Dies geht aus CIA-Dokumenten hervor, die vor einigen Jahren in Washington freigegeben wurden. Nahezu alle Terrororganisationen, die in Syrien agiert haben, haben in ihren Reihen Minderjährige, insbesondere die PKK/YPG oder auch Daesh/IS.

UN-Bericht: PKK/YPG hat in Syrien die meisten Kinder verschleppt

Diese Einschätzung wird auch durch einen Bericht der Vereinten Nationen („Children and armed conflict“) zur Zwangsrekrutierung von Kindern durch die PKK/YPG bestätigt. Der syrische Ableger der PKK, die YPG, hat nach diesem UN-Bericht von 2019 die meisten Kinder in Syrien rekrutiert. Schätzungen der UN zufolge hat die YPG in Syrien 2018 etwa 700 Kinder von ihren Familien verschleppt, um sie im Krieg einzusetzen. Die meisten von diesen Kindern seien noch nicht einmal kurdischer Abstammung. Der amerikanischen Führung dürfte der Einsatz von Kindern bei der PKK/YPG bekannt sein. Da aber Washington den syrischen Ableger der Extremisten als Verbündeten betrachtet, wird dies nicht thematisiert.

US-Regierung will Regierungswechsel in der Türkei erzwingen

Die eigentliche Frage, die sich nach der Veröffentlichung des State Departments stellt, besteht darin, warum die amerikanische Regierung diesen Vorwurf gegen die Türkei gerade jetzt erhebt. Die Antwort darauf ist in einem Interview zu finden, das Biden gegenüber der New York Times 2020 gab und dort unverblümt von einer „Unterstützung der türkischen Opposition“ sprach und Präsident Erdoğan als „Autokraten“ bezeichnete.

Man könnte auch sagen, die Biden-Administration strebt einen Regierungswechsel in der Türkei an. Es geht dabei jedoch nicht um eine Stärkung der türkischen Oppositionsparteien in rhetorischer Art, sondern um etwas ganz anderes. In einer Art psychologischer Kriegsführung versucht die US-Führung, die Türkei zu destabilisieren. Terrororganisationen wie die PKK/YPG werden in Syrien großzügig mit Waffen beliefert und die geflüchteten Putschisten des 15. Juli 2016 der Fetullahistischen Terrororganisation (Fetö) geschützt.

Unter Zuhilfenahme von Gruppierungen, die als zivilgesellschaftliche Organisationen getarnt sind, versuchen die USA, die türkische Regierung zu schwächen. Jüngstes Beispiel für diese Entwicklung ist das unter anderem vom ehemaligen US-Sicherheitsberater John Bolton, Ex-Gouverneur Jep Bush und Fetö-Mitglied Aykan Erdemir in Washington gegründete „Turkish Democracy Project“. Auf der Website dieser vermeintlichen Nichtregierungsorganisation (NRO) wird die türkische Regierung unter Präsident Erdoğan durchgehend negativ dargestellt und deren Außenpolitik als „Gefahr für Frieden und Stabilität“ bezeichnet.

US-Interessen haben Vorrang vor repräsentativer Demokratie in der Türkei

Aus den Äußerungen Bidens gegenüber der New York Times wird deutlich, dass der US-Präsident Regierungen, die durch demokratische Wahlen legitimiert sind, keinen Respekt entgegenbringt, wenn die nationalen Interessen dieses Landes nicht mit denen der USA übereinstimmen. Insbesondere in ihrer Region weichen die Interessen der Türkei von denen der Vereinigten Staaten ab. Die Ereignisse seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs 2011, die massiven Waffenlieferungen sowie die Unterstützung der Terrororganisation PKK/YPG und radikaler Kräfte in Syrien durch die USA haben das Verhältnis beider NATO-Staaten beschädigt.

Ethnische Säuberungen der PKK/YPG in Nordwestsyrien

In einer hollywoodreifen Inszenierung wurde die PKK/YPG in Syrien im „Kampf gegen den IS“ vorgeschickt, um anschließend von den westlichen Medien als „Brave Fighter“ gefeiert zu werden, bevor sie dann die größten Erdöl- und Erdgasfelder sowie 30 Prozent Syriens völkerrechtswidrig besetzte. Damit einher ging auch die gewaltsame Vertreibung von Arabern, Turkmenen und oppositionellen Kurden, was die demografischen Strukturen in der Region veränderte. In dem erwähnten Bericht der Vereinten Nationen von 2019 wird auch auf Angriffe der PKK-Terroristen auf Schulen und auf das Verbot der arabischen Sprache in mehr als 250 Schulen hingewiesen, die sich in den von der PKK/YPG besetzten Gebieten in Syrien befanden. Laut UN wurden ungefähr 60.000 Schülerinnen und Schüler von der Terrororganisation daran gehindert, eine Schule zu besuchen.

Die Proteste der Türkei wegen der US-Unterstützung von PKK-Terroristen wurden in Washington nicht erhört, da der Name dieser verbotenen Terrororganisation von amerikanischen PR-Strategen in „Syrian Democratic Forces“ umbenannt wurde. Wegen der Bedrohung ihrer Sicherheitsinteressen durch die PKK/YPG sowie Daesh hat die Türkei mehrfach in Syrien militärisch interveniert, was zu Spannungen mit der amerikanischen Seite und europäischen Staaten führte. Ankara hat mehrmals zum Ausdruck gebracht, dass es einen „PKK/YPG-Staat“ weder in Syrien noch im Irak dulden wird.

Vereinigte Staaten haben Vertrauensbasis zur Türkei nachhaltig zerstört

Das wohl signifikanteste Ereignis in jüngster Zeit ist der Putschversuch von Mitgliedern des terroristischen Gülen-Netzwerks in der türkischen Armee am 15. Juli 2016, mit der die Vertrauensbasis der Türkei gegenüber Washington nachhaltig zerstört wurde. Diese Entwicklung wird durch eine Meinungsumfrage der Istanbuler Kadir Has Universität zur türkischen Außenpolitik aus dem letzten Jahr bestätigt, wonach 70 Prozent der befragten türkischen Bürger die USA als Bedrohung für die Türkei betrachten. Ein Jahr zuvor lag dieser Wert bei 81,3 Prozent. Die Zahlen beruhen auf einer Meinungsumfrage der Universität vom 17. Juni 2020, bei der in 26 Provinzen der Türkei 1.000 Bürger über 18 Jahren zur türkischen Außenpolitik befragt wurden.

Auch wenn die US-Regierung unter Ex-Präsident Obama eine Beteiligung an dem Putschversuch von 2016 zurückgewiesen hatte, gibt es Auffälligkeiten hinsichtlich der Äußerungen des ehemaligen Oberbefehlshabers des US Central Command, General Joseph Votel. Der Viersternegeneral erklärte damals am Aspen Security Forum in Colorado, einige der engsten Verbündeten des US-Militärs in der türkischen Armee seien nach dem Putschversuch im Gefängnis. Er sei besorgt bzw. beunruhigt über die Situation in der Türkei.

Ähnlich äußerte sich der damalige Nationale Geheimdienstdirektor (DNI) James R. Clapper. Der gescheiterte Putschversuch und die Reaktionen der türkischen Regierung darauf beträfen alle Bereiche des Sicherheitsapparates. Viele der „Gesprächspartner“ der US-Amerikaner seien „gesäubert“ oder festgenommen worden. Die Festnahmen würden die Nahost-Strategie der USA erschweren. Hier gibt der Ex-Direktor des nationalen US-Nachrichtendienstes offen zu, dass der gescheiterte Putschversuch und die Verhaftung von „Gesprächspartnern“ die Nahost-Politik der Vereinigten Staaten zurückwerfen könnte. Mit „Verbündeten“, wie es Votel genannt hatte, oder dem von Clapper verwendeten Begriff „Gesprächspartnern“ sind ehemalige Mitglieder des Gülen-Netzwerks in der türkischen Armee gemeint, die nach dem Putschversuch verhaftet wurden.

US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch: PKK bekannt für Rekrutierung von Kindern

Apropos Einsatz von Kindersoldaten: Die USA unterstützen die Terrororganisation PKK/YPG, die bekanntlich seit Jahrzehnten Kinder und Jugendliche verschleppt und diese anschließend zwangsrekrutiert. Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärte in einer 2016 veröffentlichten Mitteilung, die PKK sei dafür bekannt, häufig Kinder zu rekrutieren, die manchmal erst zwischen 7 und 12 Jahre alt seien. Human Rights Watch weist auf die wachsende Zahl von Eltern hin, deren Kinder von der PKK verschleppt wurden und die diese von der Terrororganisation zurückhaben wollen. Zum Beispiel die Mutter Maide T. aus Berlin, die seit März 2020 regelmäßig vor dem Bundeskanzleramt steht, um Regierung, Medien und Öffentlichkeit auf das Schicksal ihrer von der PKK entführten Tochter aufmerksam zu machen.

HDP ist verlängerter Arm der Terrororganisation PKK

Seit dem 3. September 2019 führen die genannten Mütter einen Sitzstreik vor der Provinzparteizentrale der HDP durch, um auf das Schicksal ihrer Kinder aufmerksam zu machen. Für die Eltern der verschleppten Kinder und Jugendlichen gilt die HDP als der verlängerte Arm der terroristischen PKK. Sie mag nach außen hin den Eindruck erwecken wollen, eine politische Partei zu sein, aber tatsächlich dienen die Parteibüros der HDP in Istanbul, Ankara, Izmir usw. wie eine „Rekrutierungszentrale der Terrororganisation“.

Statt scheinheilig der Türkei indirekt den Einsatz von Kindersoldaten vorzuwerfen, sollten US-Präsident Biden und Außenminister Blinken vielleicht lieber ein Gespräch mit den Müttern von Diyarbakır führen. Diese könnten ihnen sicher über das Thema Kindersoldaten und über ihre von der PKK entführten Kinder berichten.

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