Archivbild - 29.11.2021, Berlin: Ein Mann packt seine gekauften Lebensmittel in seine Tüte. Nach Jahren moderater Inflationsraten müssen die Menschen in Deutschland 2021 einen sprunghaften Anstieg der Verbraucherpreise verkraften. (dpa)
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Die Corona-Pandemie schlägt sich vor allem die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland nieder. Im Dezember 2021 stieg der Preis von Waren und Dienstleistungen im Vergleich zum Vorjahr um 5,3 Prozent. Das war der größte Preisanstieg seit fast drei Jahrzehnten. Für die kommenden Wochen und Monaten erwarten Experten eine steigende Inflation. Es steht zu erwarten, dass sich vor allem die Produktions- und Transportkosten erhöhen werden. Die EZB (Europäische Zentralbank) möchte während der kommenden Wochen die Situation abwarten und die Zinsen vorerst nicht erhöhen. Mit dieser Passivität steigt jedoch auch die Unsicherheit innerhalb der Bevölkerung.

Inflation steigt – steigende Produktions- und Transportkosten

In Deutschland steigt die Inflation stetig. Obwohl Experten für den Monat Dezember 2021 einen Rückgang der Inflation von 5,2 Prozent auf 5,1 Prozent erwartet hatten, stieg die Inflationsrate stattdessen auf 5,3 Prozent. Der Chefvolkswirt der Commerzbank Jörg Krämer zeigte sich beispielsweise erstaunt darüber, dass die Preise auch im Dezember weiter hoch blieben. Grund für diese überraschte Reaktion der Experten ist hauptsächlich der Rückgang der Energiepreise. Erhöhte Preise von Nahrungsmittel werden als Hauptgrund aufgeführt, warum die Inflation angestiegen statt gesunken ist.

Durch die steigende Inflation erhöhen sich automatisch auch die Produktions- und Transportkosten für Firmen und Unternehmen in Deutschland. Viele deutsche Firmen rechnen für die kommenden Wochen und Monaten keine deutliche Verbesserung erwarten, planen sie ihre Produkte auch dementsprechend zu erhöhten Preisen zu verkaufen. Als Beispiel kann hier die Firma Philippi-Design aufgeführt werden; das deutsche Unternehmen verkauft ein Windlichtmodell namens „Lousiana XXL“, das normalerweise für 99 Euro verkauft wird. Da die Produktionskosten in China um 16 Prozent gestiegen sind und sich die Transportkosten nach Deutschland vervierfacht haben, kostet das Modell nun 189 Euro.

Rund zwei Drittel aller deutscher Firmen im Einzelhandel planen ihre Preise in den kommenden Monaten weiter zu erhöhen. Der Volkswirt Eric Heymann von Deutsche Bank Research begründet diese Entwicklung damit, dass weltweit eine Knappheit an Rohstoff- und Transportkapazitäten besteht und deswegen die Preise für die Unternehmen steigen.

Abwartestrategie der EZB

Die EZB möchte zurzeit nicht voreilig mit einer Zinserhöhung reagieren, sondern die Entwicklung der Inflation für die kommenden Wochen und Monaten abwarten. EZB-Präsidentin Christine Lagarde meint, die Notenbank werde alles Mögliche tun, um die Inflation mittelfristig wieder auf zwei Prozent zu senken. Die EZB hat bei ihrem letzten Treffen beschlossen, ihrer geldpolitischen Linie weiter treu zu bleiben und die Zinsen nicht zu erhöhen. Die Treiber der Teuerungen würden im Laufe des Jahres nachlassen, weswegen sich die Preise bei einer passiven Geldpolitik wieder einpendeln würden.

Auch EZB-Direktorin Isabel Schnabel warnt davor, die Zinsen zu früh zu erhöhen, da die Inflation in „ein bis drei Jahren“ wieder sinken und man damit den Aufschwung verhindern würde. Vor allem bei steigenden Öl- und Gaspreisen könne die EZB nicht entgegenwirken. Deswegen sei die Erhöhung der Zinsen zurzeit nicht die richtige Lösung.

Kritik wird lauter – Vertrauen sinkt

Nicht alle sind von der derzeitigen Geldpolitik der EZB restlos überzeugt. Der zukünftige CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz sieht die hohe Inflation im Euroraum nicht nur als aktuelles Problem, sondern glaubt, dass dieses Problem die EU auch in Zukunft nachhaltig beschäftigen wird. Die EZB sei sich nicht bewusst, dass dieses Problem langfristige Auswirkungen mit sich bringen wird, und, so Merz, deswegen „spätestens Ende des ersten Halbjahres der richtige Zeitpunkt“ sei, weil man „dann einen Indikator dafür habe, wie lange wir uns auf hohe Geldentwertungsraten einzustellen haben.“

Die Kritik an Institutionen wie der EZB, ihren Prognosen und ihrer damit verbundenen Geldpolitik kommt nicht von irgendwoher. Im Herbst 2020 hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) für Deutschland für das Gesamtjahr 2021 eine Inflationsrate von 1,1 Prozent prognostiziert, für den Euroraum sogar nur 0,9 Prozent. Mit Blick auf die jetzigen Zahlen (ca. 3 Prozent für das Gesamtjahr 2021) erkennt man, dass sich der IWF deutlich geirrt hat. Diese falschen Prognosen führen dazu, dass solche Institutionen an Glaubwürdigkeit verlieren, da Unternehmen und Privatpersonen ihre Investitionen nach den Prognosewerten dieser Institutionen planen. Nicht wenige Unternehmen und vor allem Privatpersonen mussten deutliche Verluste erleiden aufgrund falscher Prognosen des IWF.

Ungewisse Zukunft

Fehlprognosen, stetig steigende Inflation und Passivität der EZB sind Faktoren, welche die Bevölkerung nicht nur vor eine ungewisse Zukunft stellen, sondern auch die Anspannung innerhalb der Bevölkerung erhöhen. Der Westen und insbesondere Deutschland hatte schon in den 1920er und 1970er Jahren wirtschaftliche Krisen erlebt. Auch damals verlor die Bevölkerung immer mehr Vertrauen in die verantwortlichen Institutionen. In den 1920er entstanden schwerwiegende Folgen der wirtschaftlichen Krise in Form einer Zerrissenheit innerhalb der Gesellschaft.

Mag ein Szenario wie in den 1920er Jahren auch als eher unwahrscheinlich erscheinen, so lässt sich trotzdem nicht genau sagen, inwiefern die Bevölkerung der Geldpolitik und den Prognosen der verantwortlichen Institutionen vertraut. Sollte die Talfahrt der Wirtschaft anhalten und dies im Alltag der Bürger als einschneidendes Problem erscheinen, könnten sich Ungewissheit und Unsicherheit der Bürger in Wut und Enttäuschung verwandeln. Daraus könnte eine erneute Zerrissenheit innerhalb der Gesellschaft resultieren.

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