Bayraktar TB2 (AA)
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Die armenischen und griechischen Lobbys in den USA zeigten sich von den mit heimischen und nationalen Mitteln entwickelten unbemannten Luftfahrzeugen der Türkei gestört. 27 Kongressabgeordnete, die diesbezüglich einen Brief an US-Außenminister Blinken verfassten, haben verlautbart: „Türkische Drohnen sind eine Bedrohung unserer Interessen und der Partner der USA.“ Weiter wurde in diesem Schreiben gefordert, ein Embargo solle gegen die Türkei verhängt werden.

Es stellt sich die Frage, wie die Türkei solch eine Entwicklung in diesem Bereich an den Tag legen konnte, dass selbst US-Kongressabgeordnete ihn nicht unerwähnt ließen.

In verschiedenen Epochen der Weltgeschichte läuteten technologische Neuerungen auch eine neue Ära ein. Staaten, die diese Offenheit für Innovationen vorantreiben, profitieren nicht nur wirtschaftlich, sondern erlangen auch politische und militärische Überlegenheit. Der Zweite Weltkrieg verdeutlichte beispielsweise, dass Lufthoheit wichtiger war als die Überlegenheit auf See und Land.

Unbemannte Drohnen bieten sowohl in Bezug auf Verteidigung als auch auf Angriff große Vorteile. Die Türkei, die über einen langen Zeitraum in Bezug auf ihre Luftsicherheit auf andere Staaten angewiesen war, hat massiv in Drohnensysteme investiert. Selbst der berühmte Politikwissenschaftler Francis Fukuyama sagt hinsichtlich der Ernsthaftigkeit der Türkei in puncto Drohnen: „Der Einsatz von Drohnen in der Türkei wird das Wesen des Heeres und die bestehenden Machtstrukturen auf den Kopf stellen, und in naher Zukunft werden Drohnen im Zentrum der Konflikte stehen.“

Politische Embargos als Drohmittel

Die aus dem Marshallplan und der Truman-Doktrin resultierenden finanziellen Hilfen machten die türkische Rüstungsindustrie im großen Maße von den USA abhängig. Die in den Anfangsjahren der jungen Republik gegründeten Rüstungsfabriken galten als unproduktiv. Diese Betriebe wurden nach und nach geschlossen, und der Bedarf der türkischen Streitkräfte wurde aus dem Ausland importiert. Der Beitritt der Türkei zur NATO hat diesen Prozess beschleunigt. Denn die Regierungen in Ankara begannen damit, ihren Bedarf für Verteidigung hauptsächlich über die NATO zu decken.

1964 schrieb der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson einen ungebührlichen Brief an den türkischen Premier Ismet Inönü, in dem er im Falle einer türkischen Intervention auf Zypern mit einem Waffen- und Ausrüstungsembargo drohte. Die Friedensoperation auf Zypern 1974 und die Entwicklungen in der darauf folgenden Zeit der verhängten Embargos drängten die Regierungen in Ankara, nach Lösungen zu suchen. Auch wurden mit diesem Brief erstmals Spannungen in den Beziehungen zwischen der Türkei und den USA offenbar. Die Türkei spürte, welche Auswirkungen eine vom Ausland abhängige Rüstungspolitik entfalten konnte.

Herausforderungen bei der Produktion einheimischer Drohnen

Anfang der 2000er Jahre wurde die Türkei erneut von den als Verbündete geltende Staaten enttäuscht. So wurden mit einem Abkommen 10 Heron-Drohnen aus Israel bestellt. Diese sollten innerhalb von zwei Jahren ausgeliefert werden, doch aus verschiedenen Gründen wurden sie bis heute nicht an die türkischen Streitkräfte (TSK) übergeben. Die Verschlechterung der diplomatischen und politischen Beziehungen zu Israel nach dem Überfall auf die Mavi Marmara Flotte im Jahr 2010 verzögerte zudem die Auslieferung der Drohnen. Für die türkischen Streitkräfte waren diese notwendig, um den Kampf gegen den Terrorismus effektiver zu gestalten, weshalb man sogar auf die Anmietung der Fluggeräte zurückgriff. Dabei stürzte eine dieser Drohnen ab und wurde unbrauchbar. Die anderen beiden in Bestand waren technisch dem Bedarf nicht gewachsen.

Die Türkei wendete sich 2008 und 2009 mit zwei separaten Anfragen für unbemannte Luftfahrzeuge an die USA, erhielt aber vom US-Kongress keine positive Rückmeldung. Als Gründe dafür wurden u.a. unterschiedliche Standpunkte in Bezug auf die Syrienpolitik der Türkei aufgeführt. Schließlich genehmigte Washington den von Ankara angeforderten Kauf von vier verschiedenen Waffensystemen nicht.

Spannungen sowohl mit den USA als auch mit Israel, das Hinauszögern der Verhandlungsprozesse, bürokratische Hürden und der Versuch, Drohnen als politisches Druckmittel einzusetzen, machten es notwendig, dass die Türkei einheimische sprich nationale Drohnen entwickelt. Diesbezüglich erklärte Präsident Erdogan: „Aufgrund der Schwierigkeiten, Drohnen aus Israel und den USA zu beschaffen, hat die Türkei begonnen, eigene Drohnen zu produzieren. Sprichwörtlich hat der schlechte Nachbar uns somit eine neue Gelegenheit eröffnet.“

Eine ähnliche Situation ergab sich zu einem unerwarteten Zeitpunkt im Karabach-Krieg. Kanada gab bekannt, dass es die Lieferung wichtiger Kamerateile nach Ankara als Reaktion auf die türkische Unterstützung Aserbaidschans mit Drohnen einstellen würde. Erneut offenbarte sich hier die Abhängigkeit vom Ausland, welche die Rüstungsindustrie auch als politisches Instrument einsetzt. Der türkische Rüstungstechnologie-Konzern Aselsan begann unmittelbar nach dieser Verlautbarung mit der Entwicklung eigener strategischer Kamerasysteme.

Der Beginn einer neuen Ära auf dem Schlachtfeld: Unbemannte bewaffnete Luftfahrzeuge der Türkei

Moderne unbemannte und bewaffnete Luftfahrzeuge haben den Vorteil, dass sie autonom starten und landen und auch autonom fliegen können. Neben den unbemannten und bewaffneten Luftfahrzeugen aus dem Hause Bayraktar befinden sich im Inventar der türkischen Streitkräfte die Anka-Modelle, entwickelt von TUSAS, die durch die Ausstattung mit Flugabwehrraketen eine große technische Hürde nahmen.

Im Vorfeld der Operation Euphratschild 2016 ermöglichten diese Drohnen das Eliminieren von fünf IS-Zielen. Der Einsatz der Drohnen, die auch in den Operationen Olivenzweig 2018 und Friedensfrühling 2019 vor allem in bewohnten Gebieten zum Zug kamen, führten zu effektiven Resultaten und reduzierten zivile Opfer. Bei der Operation Friedensfrühling wurden in einem weitläufigen Gebiet mit 34.000 PYD-Terroristen viele in kürzester Zeit eliminiert. In ähnlicher Weise fand bei der Operation Frühlingsschild 2020 in Syrien der erste Schwarmangriff mit unbemannten und bewaffneten Drohnen statt. Dabei erlitt das Assad-Regime einen schweren Schlag, und russische Verteidigungssysteme wurden zerstört.

Die Türkei veränderte mit der von ihr entwickelten Technologie für bewaffnete Drohnen die regionale Geopolitik und baute ihre militärische und politische Macht aus. Nach Ansicht einiger Experten gilt der Berg-Karabach-Krieg als erster, der durch bewaffnete Drohnen entschieden wurde. Erneut wurde dabei die Unwirksamkeit konventioneller Waffen gegen bewaffnete Drohnen deutlich.

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte sich zu diesem Paradigmenwechsel in der Kriegsführung wie folgt: „Der erste Krieg der Geschichte zwischen bewaffneten Drohnen fand in Karabach statt. Drohnen verändern mit ihren Bombardements den Kriegsverlauf. Das Resultat war für die Verliererseite verheerend.“ Dementsprechend konstatierte sie den schlechten Zustand der Bundeswehr in diesem Bereich und wies auf die Bedeutung des Kaufs bzw. der Entwicklung unbemannter Luftfahrzeuge für Deutschland hin. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace äußerte sich ähnlich dazu: „Der Aufstieg türkischer Drohnen ist der Gamechanger.“

Der Export von unbemannten und bewaffneten Luftfahrzeugen in die Ukraine, nach Katar und Polen unterstreicht sowohl aus politischer als auch diplomatischer Sicht die Bedeutung einer heimischen Technologie. Von historischer Bedeutung ist vor allem der Export von 24 türkischen bewaffneten Drohnen an das NATO-Mitglied Polen.

Die Erfolgsgeschichte der Türkei in der Luft

Die Embargos nach der Friedensoperation auf Zypern, der Brief von Johnson und die Schwierigkeiten beim Erwerb und der Instandhaltung der Heron-Drohnen belasteten die Beziehungen zu den Verbündeten und führten die Gefahren einer vom Ausland abhängigen Verteidigungsindustrie vor Augen. Dass die importierten Teile für die Verteidigungsindustrie als politisches Druckmittel gegen türkische Operationen eingesetzt wurden, veranlasste die Türkei, nach alternativen Wegen zu suchen und sich von einer vom Ausland abhängigen Verteidigungspolitik abzuwenden.

Unbemannte Luftfahrzeuge der Türkei sind nicht nur einheimische und herausragende Fluggeräte, sondern zeigen in erster Linie, dass die Türkei ihrem eigenen Potenzial vertraut und dadurch Erfolge erzielt.

Drohnen aus der Türkei haben im Bereich der Verteidigung eine neue Ära eingeläutet, indem sie die globale Militärgeschichte und das Machtgefüge veränderten. Auch wenn Panzer und schwere Artillerie, also konventionelle Verteidigungssysteme, nicht von heute auf morgen verschwinden werden, zeigt sich doch, dass unbemannte Luftfahrzeuge langfristig noch aktiver eingesetzt werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird mit diesen Fluggeräten eine Ära beginnen, bei der neue Konzepte in der Luft, der Verteidigung und dem Angriffskrieg eingeführt werden. Auf der einen Seite eröffnen die Erfolge der Drohnen bei ihren Einsätzen neue Chancen Auf der anderen Seite stärken sie die außenpolitische Position der Türkei und ermöglicht dieser, Politik unabhängiger zu gestalten.

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