Ukraine-Flüchtlinge in Berlin (Reuters)
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Die militärischen Bewegungen und der Zusammenzug von Truppen an der ukrainischen Grenze standen schon seit geraumer Zeit auf der Tagesordnung der Öffentlichkeit. Diskutiert wurde dabei von Experten, ob diese militärische Aufrüstung Russlands als Vorbereitung für einen Einmarsch in das Territorium der Ukraine oder nur zur Abschreckung der NATO dienen sollte. Obwohl die USA wiederholt erklärten, dass Russland in der Ukraine militärisch intervenieren würde, rechneten weder die restlichen NATO-Staaten noch die EU damit, dass diese Spannungen zu einem bewaffneten Konflikt eskalieren würden, oder hielten diese Wahrscheinlichkeit für gering. Am 24. Februar startete Russland seine Militäroperation in der Region und begann damit, verschiedene Regionen auf dem Territorium der Ukraine intensiv zu bombardieren. Mit diesen Angriffen wurden Bilder menschlicher Tragödien in der Ukraine in den Medien veröffentlicht. Viele Ukrainer mussten ihre Häuser verlassen und suchten Schutz in Notunterkünften oder mussten gar ihre Heimat ganz verlassen. Nach UN-Angaben haben bislang mehr als zwei Millionen Flüchtlinge die Ukraine verlassen, um in den Nachbarländern Zuflucht zu suchen. Die aktuellen Geschehnisse an den EU-Außengrenzen zur Ukraine und die in der europäischen Öffentlichkeit laufenden Diskurse verdeutlichen dabei die seit Jahren betriebene Doppelmoral und werfen ein Licht auf eine rassistisch anmutende Flüchtlingspolitik in Europa.

Diskriminierung an der ukrainischen Grenze

Nach UN-Angaben zog es fast die Hälfte der etwa zwei Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine an die polnische Grenze, während die andere Hälfte die Grenzen zu Belarus, der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Moldawien ansteuerte. Bei diesem massiven Zustrom von Flüchtlingen in die Grenzregionen war wiederholt zu beobachten, dass Europa Flüchtlinge diskriminiert und dabei eine offensichtlich rassistische Einstellung zum Ausdruck kommt. Diese Politik wurde insbesondere an den Grenzen zu Ungarn, Polen und Rumänien offenkundig. Denn während Flüchtlinge mit ukrainischer Abstammung mit einem unbürokratischen Grenzübertritt ihr Leben in Sicherheit bringen konnten, war parallel zu beobachten, dass Flüchtlinge aus der Ukraine mit indischer oder afrikanischer Herkunft auf ihrer Flucht aufgehalten oder gar in andere Länder umgeleitet wurden. So durfte beispielsweise eine Gruppe afrikanischer Studenten, die an die polnische Grenze reisen wollten, nicht in die Busse einsteigen und musste kilometerweit laufen, um ihr Leben zu retten. Ebenso wurden Personen aus dem Nahen Osten daran gehindert, von der Ukraine in europäische Länder einzureisen.

Es entsteht der Eindruck, als ob die Staaten der EU entschieden hätten, Flüchtlingen an ihren Grenzen je nach Nationalität, Religion und Aussehen die Einreise zu erlauben. In diesem Sinne gibt Europa, das ohnehin schon mit seiner diskriminierenden und rassistisch anmutenden Asylpolitik seit 2011 in der Kritik steht, auch bei seiner derzeitigen Haltung gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine kein gutes Bild ab.

Europas Haltung gegenüber ukrainischen Flüchtlingen

Offensichtlich liegen der derzeitigen diskriminierenden und von Doppelmoral durchzogenen Rhetorik bzw. Politik gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine rassistische Ansätze zugrunde, die schon seit geraumer Zeit in ganz Europa zu beobachten sind. Der markige Satz aus den Medien, wonach im Krieg in der Ukraine „Menschen mit blauen Augen und blonden Haaren“ sterben, versinnbildlicht dieses rassistisch anmutende Verständnis in Europa besonders deutlich. Diese jetzt zu beobachtende Praxis in den Grenzregionen manifestiert einen höchst bedenklichen Ansatz, der sich ebenso in den westlichen Medien widerspiegelt. Denn wirft man einen genauen Blick auf die mediale Berichterstattung und die dort laufenden Debatten, so stellt man fest, dass es wohl Kriterien gibt, die festlegen, wer „europäisch“ und wer „anders“ ist, indem phänotypische Merkmale zugrunde gelegt werden. Gemäß diesen Kriterien gelten Blonde und Blauäugige als „Europäer“, und diese verdienen es, dass man ihnen zuerst hilft und sie mit offenen Armen empfängt, wohingegen diejenigen, die eben nicht blond und blauäugig sind, sich selbst überlassen werden. Diese äußerst unmenschliche Haltung zeigt einmal mehr, dass Europa sogar Menschen diskriminieren kann, die als Opfer ein und desselben Kriegs fliehen, um ihr Leben zu retten.

Europas rassistische anmutende Flüchtlingspolitik

Ein weiterer Diskurs, der neben der von Europa betriebenen rassistisch anmutenden Flüchtlingspolitik hervorsticht, ist, dass man im „zivilisierten“ Europa nicht mehr mit einem Krieg gerechnet hat. Diesem orientalistischen Ansatz zufolge sind Kriege nur „unzivilisierten“ Ländern des Nahen Ostens und Afrikas vorbehalten. Dabei fanden die Kriege in Bosnien und im Kosovo und die dabei insbesondere an Muslimen verübten Völkermorde ebenfalls auf europäischem Boden statt.

Während man jetzt, auch wegen der breiten medialen Berichterstattung, mit den Opfern des Kriegs in der Ukraine leidet, allen voran mit den Kindern, gab es auf der anderen Seite leider nicht die gleiche Sensibilität für die Babys, die auf ihrer Flucht vor dem Bürgerkrieg aus Syrien ertranken bzw. anderweitig in den Kriegen ihr Leben verloren. Auch Bilder von palästinensischen Kindern, die sogar an religiösen Feiertagen bei israelischen Bombenangriffen ihr Leben verloren, trafen in der westlichen Öffentlichkeit leider nicht auf die gleiche Aufmerksamkeit. Auch werden immer noch Boote mit Flüchtlingen von verschiedenen europäischen Ländern, insbesondere Griechenland, abgedrängt oder gar versenkt.

Darüber hinaus nehmen islam- und ausländerfeindliche Angriffe rechtsextremer Terrorgruppen in ganz Europa weiter zu. In diesem Sinne hat die Ukraine-Krise einmal mehr gezeigt, dass Kriege eben nicht nur im Nahen Osten oder nur zwischen Muslimen stattfinden. Aus diesem Grund sollte niemals vergessen werden, dass jeder in den europäischen Staaten eines Tages Flüchtling werden kann und deswegen es wichtig ist, Europa dazu zu bewegen, seine Doppelmoral und seine rassistisch anmutende Asylpolitik aufzugeben.

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