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Die Teppichknüpferei ist eine Tradition, die ihren Ursprung bei den Nomaden in den Steppen Zentralasiens hat. Diese Kunst breitete sich bis über die Grenzen des Orients aus und heute erfreuen sich Orientteppiche auf der ganzen Welt großer Beliebtheit

1887 erhält eine Cottbuser Tuchfabrik ihren größten Auftrag: die Herstellung von Teppichen für die Ausstattung des kaiserlichen Palastes in Japan gegen eine Summe von 1,75 Millionen Mark. Um genauer zu sein, handelt es sich um Orientteppiche, die nach dem Vorbild türkischer Teppiche geknüpft werden sollen. Das Handwerk wird im Orient erlernt, 87 Knüpferinnen arbeiten Tag und Nacht an den Teppichen und stellen die Bestellungen fertig.

Der Ursprung des Teppichs

Ursprünglich stammen Orientteppiche höchstwahrscheinlich von den turkstämmigen Nomaden in den Steppen Zentralasiens. Der älteste geknüpfte Teppich, der gefunden wurde, ist der über 2500 Jahre alte Pasyryk im Altaigebirge. Davor wurden Teppiche ganz einfach gefilzt oder gewebt, wie beispielsweise die türkischen Kilims. Durch die Entwicklung der Knüpftechnik durch Nomaden wurden die Teppiche stabiler. Sie dienten neben ihrer Funktion als Teppich auch als Decken, Wandbehänge oder Satteltaschen. Durch die Völkerwanderungen der Turkstämme gelangte die Knüpfkunst nach Persien und in den Mittelmeerraum. Später eroberte die raffinierte Technik die islamische Welt und drang durch die Mauren bis nach Andalusien vor. In Cordoba entstand die erste Teppichknüpferei Europas.

Spätestens mit dem stärker werdenden kulturellen Austausch zwischen Orient und Okzident, insbesondere durch den Handel im 14. Jahrhundert, gelangen die anatolischen Teppiche nach Europa. Sie werden zu einem Statussymbol und einem wichtigen Motiv in der europäischen Malerei. Insbesondere bei der Darstellung Heiliger oder religiöser Szenen finden die Teppiche Platz in den Gemälden. Verwirrenderweise wurden später seitens europäischer Kunsthistoriker Orientteppiche entsprechend ihrer geometrischen Formen und Muster kategorisiert und erhielten europäische Namen. Und zwar immer nach den Malern, in deren Werken die Teppiche vorkamen. Zu den berühmtesten zählen die Holbein-Teppiche aus der Frühzeit des Osmanischen Reiches, die typischerweise aus aneinandergereihten Achtecken mit nach innen verflochtenen Konturen bestehen. Solche geometrischen Muster sind auf den Teppichen in einigen Werken des deutschen Renaissancemalers Hans Holbein der Jüngere (1497-1543) zu sehen.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts werden auch in Deutschland Teppichfabriken gegründet. Die erste ist die eingangs erwähnte Cottbuser Fabrik, die 1861 von Theodor Kühn gegründet wird. Sie stellte unter anderem handgeknüpfte Teppiche her. 1873 wird sie vom Tuchfabrikanten Oscar Prietsch übernommen, und die produzierten Orientteppiche werden weltberühmt. In den folgenden Jahrzehnten werden weitere Fabriken in Deutschland gegründet. Es kommt zu Übernahmen und Fusionen, und ab 1959 heißt die Prietscher Firma Kronen-Teppich-Fabrik GmbH, Hannover.

Die raffinierteste Art der Teppichherstellung: Das Knüpfen

Für das Knüpfen wird zunächst das Gerüst des Teppichs erstellt. Dazu werden Kettenfäden vertikal auf einen Webstuhl gespannt und Schussreihen eingearbeitet. Danach werden Knoten um die Kettenfäden geknüpft. Nach jeder Reihe werden die Knoten zur Verdichtung des Gewebes mit einem Kamm und den Schussreihen fixiert. Die KnüpferInnen haben immer auch ein kleines Messer in der Hand. Nach jedem Knoten werden die Fadenenden, der sogenannte Flor, mit dem Messer gekürzt. Man unterscheidet zwischen zwei Arten der Knüpfkunst. Zum einen der Doppelknoten (symmetrisch, auch türkischer Knoten genannt), der insbesondere in der Türkei verbreitet ist, zum anderen der Einfachknoten (asymmetrisch, auch persischer oder Senneh-Knoten genannt), der im Iran verwendet wird. Als Material wird oftmals Wolle, Baumwolle oder Seide verwendet. Die Knüpfdichte wird per Quadratmeter gemessen und ist ein Indikator für den Wert des Teppichs. Je höher die Knüpfdichte, desto robuster und teurer der Teppich. Bei 100.000 Knoten pro Quadratmeter spricht man von groben Teppichen und bei über 1.000.000 Knoten von sehr feinen.

Teppiche: ein besonderes Kunstwerk

Anfangs wurden in Anatolien und insbesondere in Persien verschiedene Tiermotive in die Teppiche geknüpft, vor allem Vogelarten wie Adler oder auch Drachen erfreuten sich großer Beliebtheit. Mit der Erstarkung des Islams wurden dann zur Zeit der Seldschuken in Anatolien immer mehr geometrische und florale Muster, Ornamente oder Gebetsnischen als Motive verwendet. Der Teppich bekam auch eine religiöse Komponente und wurde in Moscheen und Häuser nun auch zum Beten verwendet.

Das Garn wurde mit natürlichen Farben, die aus Pflanzen gewonnen wurden, gefärbt. Besonders beliebt waren dabei die Farben Rot und Blau. Diese wurden aus den Wurzeln der Färberkrapppflanze für Rot oder der Indigopflanze für Blau gewonnen, welche in Zentralasien weit verbreitet ist. Auch Gelb wurde häufig verwendet und aus Kamillen oder Kurkuma erzeugt. Durch Beizstoffe und Mischungen konnten unterschiedliche Farbtöne entwickelt werden.

Das Teppichknüpfen erfordert Ruhe und Zeit, und auch Derwische setzten sich in ihren Orden an den Webstuhl, um sich während des Knüpfens in Ruhe, Geduld und Kontemplation zu üben.

Im Zeitalter der Osmanen nahm die Teppichknüpferei ihren Platz in der sogenannten Ahilik Teşkilatı ein, eine soziale und kommerzielle Institution, in der handwerkliche Berufe vertreten wurden. Diese Institution sicherte den Handwerkern eine Infrastruktur in Produktion und Handel.

Noch heute stammen die berühmtesten Orientteppiche aus der Türkei oder dem Iran. Sie werden oft nach dem Ort benannt, aus dem sie stammen, beispielsweise Hereke- (Türkei) oder Täbris- (Iran) Teppiche. Dort wird größtenteils die alte Tradition des händischen Knüpfens weitergeführt, während in vielen anderen Ländern meist Maschinen das Knüpfen übernommen haben.

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