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Antischwarzer Rassismus ist kein rein US-amerikanisches Phänomen. Das gilt auch für den Polizeiapparat, wie Umfragen und Todesopfer zeigen. Dem Schweigen der politischen Führung in Österreich steht der Protest der Straße gegenüber.

Die „Black Lives Matter“-Demonstrationen haben nicht nur in den USA ihre nachhaltige Wirkung gezeigt. Auch in vielen europäischen Ländern sind Menschen auf die Straßen gegangen und Statuen sind gefallen. In der österreichischen Bundeshauptstadt waren es gar 50.000 Menschen, die auf die Straßen gingen, um gegen Polizeigewalt gegen Schwarze zu protestieren. Eine unglaublich hohe Zahl, die nicht nur die Veranstalter verblüffte, die ursprünglich mit einer kleinen Kundgebung von maximal 500 Leuten gerechnet hatten. Und mehr noch als das: Am Tag darauf versammelten sich weitere 10.000 Menschen vor der US-Botschaft. Im gesamten Bundesgebiet (mit Ausnahme des Burgenlandes) waren es 100.000 Leute, die innerhalb von 10 Tagen auf die Straßen gingen.

Das ist eine beachtliche Anzahl für ein so kleines Land wie Österreich. Aber es zeigt auf, dass die – vor allem jungen – Menschen in Österreich dem offensichtlichen Rassismus, wie er sich in der Ermordung von George Floyd gezeigt hat, etwas öffentlich entgegensetzen. Nicht zuletzt waren viele der demonstrierenden Black and Brown People of Color, die nicht nur auf die „Black Lives Matter“-Bewegung in den USA, sondern auch auf die Polizeigewalt in Österreich aufmerksam machten. Die Liste Schwarzer Menschen, die Opfer von Polizeibrutalität wurden, ist lang. Sie reicht von dem 25-jährigen Marcus Omofuma, der mit Klebeband an seinen Sitz gebunden in der Abschiebung starb, über Ahmed F., Richard Ibekwe und Johnson Okpara bis hin zu Edwin Ndupu, Yankuba Ceesay und Essa Touray. Sie alle zeigen, dass auch in Österreich Polizeigewalt tödlich enden kann.

Antischwarzer Rassismus und die österreichische Polizei

Exakt zwei Tage vor der ersten „Black Lives Matter“-Demonstration am 4. Juni veröffentlichte die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarates ihren sechsten Bericht über Österreich. Darin heißt es mitunter in der Zusammenfassung: „Meldungen mutmaßlicher Praktiken eines ethnischen Profiling (Racial Profiling) durch die Polizei, insbesondere in Bezug auf Dunkelhäutige und Muslime, finden nach wie vor statt“. Es wäre ein Anlass gewesen, um vonseiten der Politik darauf zu reagieren. Insbesondere vor dem Hintergrund der andauernden Proteste in den USA und der Präsenz des Themas in europäischen Medien wäre eine Stellungnahme naheliegend gewesen.

Das Schweigen der politischen Elite

Die politische Führung des Landes schoss sich jedoch lediglich auf das im ECRI-Bericht kritisierte Kopftuchverbot in Österreich ein und betonte nochmals, dass sie darin keinen Rassismus erblicke. Kein Wort zum Rassismus gegenüber Schwarzen. Selbst das Verhältnis von Schwarzen und People of Color fand keinen Eingang in die Reaktion der Regierung. Denn in keinem Land der Europäischen Union ist das Misstrauen von Personen afrikanischer Abstammung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden so hoch wie in Österreich. Nach einer Studie der Europäischen Grundrechteagentur FRA wurden 66 Prozent der Befragten mit sub-saharischem Hintergrund in den fünf Jahren vor der Umfrage (2017) von der Polizei angehalten. 37 Prozent berichteten von Racial Profiling. Das ist der höchste Wert unter allen EU-28, wo der Durchschnitt bei acht Prozent liegt. Und obwohl die österreichische Gesetzgebung Racial Profiling verbietet und sogar einen Rechtsrahmen für die Bearbeitung von Beschwerden bietet, gab es bisher nur zwei Urteile dazu. Nicht verwunderlich, dass laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle Steiermark ganze 70 Prozent nicht an die Gleichberechtigung von Schwarzen Menschen im österreichischen Rechtssystem glauben.

Wohin?

Vergegenwärtigen wir uns diese Zahlen, wird die Handlungsnot, gegen antischwarzen Rassismus vorzugehen, offensichtlich. Das Schweigen des offiziellen Österreich zum antischwarzen Rassismus, das einer unglaublich hohen Mobilisierung auf der Straße gegenübersteht, verdeutlicht nicht zuletzt die Blindheit weißer Eliten gegenüber den Erfahrungen und Lebenswelten von People of Color. Dieses Schweigen zu brechen, ist ein erster notwendiger Schritt, um der Ungleichheit in der Gesellschaft entgegenzutreten. Der Protest war ein erster Schritt, dem noch weitere folgen sollten.

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