Eine türkische Schule in Westthrakien (AA)
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Die rechtlichen Statusfragen bezüglich der türkischen Minderheit in Westthrakien, das unter der Hoheit Griechenlands steht, wurden mit dem Friedensvertrag von Lausanne geregelt. In der Praxis verstoßen die griechischen Behörden jedoch immer wieder gegen das auf Lausanne basierende Völkerrecht und setzen eine Politik fort, die unter missbräuchlicher Ausnutzung der staatlichen Autorität versucht, die religiöse und ethnische Existenz der Türken zu verleugnen. Dabei scheuen sie auch nicht davor zurück, öffentlich zu zeigen, dass man eine bösartige politische Agenda verfolgt und etwa Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Bezug auf die türkischen Einwohner einfach nicht umsetzt.

Westthrakien im Friedensvertrag von Lausanne

In Lausanne wurden die Fragen bezüglich des türkischen Bevölkerungsteils in Griechenland und der nicht-muslimischen Minderheit in der Türkei auf Grundlage des Prinzips der Gegenseitigkeit einvernehmlich geregelt. Dabei war ein weiterer Schlüsselbegriff bei der Vertragsgestaltung die Umsetzung des Bevölkerungsaustauschs. Allerdings waren die nicht-muslimischen Bürger in Istanbul und die türkische Bevölkerungsgruppe in Westthrakien explizit von diesem Austausch ausgenommen. Tatsächlich leben die in Westthrakien von der griechischen Regierung unter Druck gesetzten Türken dort schon seit Jahrhunderten. Der Vertrag von Lausanne gewährleistet die jeweilige religiöse und ethnische Existenz der betroffenen Bevölkerungsgruppen in beiden Ländern. Darauf basierend steht es den Türken in Westthrakien frei, ihre ethnische Identität mit ihrer eigenen Kultur zu leben, und ebenso ist es ihr Recht, das eigene religiöse Oberhaupt, den Mufti, frei zu wählen.

Rechtswidrige Praktiken der griechischen Behörden

Die griechische Regierung verwendet bei ihren Äußerungen und Erklärungen zur Thematik häufig Begriffe wie „Pomaken“ oder „griechische Kinder“ anstelle der Bezeichnung „Türken“. Bei der Wahl dieser Rhetorik geht es vor allem darum, die türkische Existenz in den Diskursen, wenn auch nicht offiziell, zu leugnen und darüber hinaus zu ignorieren, dass die Türken eigentlich nur ihre Rechte aus dem gültigen Völkerrecht wahrnehmen, um damit letztlich die Grundlage für eine langfristige Transformation zu schaffen. Regelmäßig wurde Griechenland für diesen Ansatz sowohl vom türkischen Außenministerium als auch vom türkischen Minderheitenbeirat Westthrakiens scharf verurteilt. So reiht sich die Bestrafung des türkischen Muftis in Westthrakien wegen angeblicher Volksverhetzung, bekannt als „Mufti-Krise“, in den geschilderten Rahmen ein. Der türkische Bevölkerungsteil und dessen freier Wille bei der Wahl des religiösen Oberhaupts werden in der Person des amtierenden Muftis ignoriert, und die griechischen Behörden instrumentalisieren die Justiz als Mittel ihrer Einschüchterungspolitik. Die aktuelle Haltung der griechischen Behörden, Verletzungen der Religions- und Gewissensfreiheit nicht zu verhindern, obschon im globalen Kontext längst Diskussionen über die negative Religionsfreiheit laufen, und immer wieder die Vereinbarungen von Lausanne zu verletzen, wird sich im Zeugnis Griechenlands in Bezug auf die Grundrechte und Grundfreiheiten niederschlagen. Die Situation ist in Westthrakien inzwischen zu einem chronischen Problem geworden. Tatsächlich wird in jeder erdenklichen Weise Druck auf die türkische Selbstorganisationen in der Region ausgeübt, als Teil einer bösartig betriebenen Einschüchterungspolitik Griechenlands.

Westthrakien in der Rechtsprechung des EGMR

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Griechenland in den Verfahren im Zusammenhang mit Westthrakien mehrfach verurteilt. Denn die griechische Justiz richtet sich mit ihren Entscheidungen, beispielsweise zu den gewählten türkischen Muftis, gegen die Vereinbarungen von Lausanne und die dort gewährten Grundrechte bzw. Grundfreiheiten. Dabei ist diesen Entscheidungen gemein, dass sie ohne Rechtsgrundlage und wohl mit einer politischen Agenda der Einschüchterung in die inneren Angelegenheiten der türkischen Minderheit eingreifen. In diesem Sinne fungiert die griechische Justiz quasi nur noch als Notar für die Handlungen der griechischen Behörden. Diese besagten Gemeinsamkeiten begegnen uns bei den Fällen vor dem EGMR mit Bezug auf den Mufti, wo es im Wesentlichen um die Verhinderung religiöser und sozialer Aktivitäten des Muftis und damit eigentlich gegen die türkische Minderheit im Land geht, wie man auch den wiederkehrenden Verlautbarungen des türkischen Außenministeriums entnehmen kann. In diesem Sinne wird Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention zum Schutz von Gedanken-, Religions- und Gewissensfreiheit verletzt. Darüber hinaus findet ebenso die Verletzung des Artikels 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention hinsichtlich der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit statt. Die Praxis, die zu dieser Situation geführt hat, wird vom Gericht als rechtliches und administratives Schikanieren derjenigen Vereinigungen angesehen, die zur Bewahrung der sozialen und kulturellen Existenz der Türken in Westthrakien gegründet wurden. Dabei weigern sich die griechischen Behörden, Maßnahmen zu ergreifen, um Praktiken entgegenzuwirken, die vom EGMR als rechtswidrig befunden wurden. Ähnliche Praktiken kommen auch gegen türkische Stiftungen zum Zuge und verhindern Maßnahmen zur Renovierung und Instandhaltung von Moscheen und ähnlichen Einrichtungen, die Ausdruck des gemeinsamen kulturellen Erbes in Rumelien sind, das weit über das kulturelle Erbe der Türken hinausgeht. Aus der Summe dieser Rechtsverstöße wird deutlich, dass die griechischen Behörden den Geist der Europäischen Menschenrechtskonvention wohl nicht verstanden haben und sich auch deswegen der Umsetzung der Beschlüsse des EGMR widersetzen. Tatsächlich wird das Prinzip des Pluralismus, das für den Geist der EMRK im politischen Leben steht und das offensichtlichste Zeichen der Demokratie ist, in einer für eine demokratische Gesellschaftsordnung zuwiderlaufenden Weise geleugnet. Angesichts der systematischen Übergriffe der griechischen Behörden, die die religiöse und ethnische Existenz der Türken ignorieren und mit ihrer offenen Ausgrenzungspolitik das Problem zu einem chronischen Problem machen, indem sie den Druck ständig erhöhen, erscheint es legitim, dass sich die türkische Minderheit im Land an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wendet und sich auf Artikel 18 der EMRK beruft, um die mit einer politischen Agenda betriebenen und immer unerträglicher werdenden Einschränkungen der Grund- und Menschenrechte Griechenlands anzuprangern. In diesem Sinne würde eine Entscheidung hinsichtlich der Verletzung von Artikel 18 der Konvention nicht überraschen und hätte von Anfang an angestrebt werden müssen.

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