Österreich: Vertrauen in politisches System erreicht „Niveau von Rumänien“ (dpa)
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Die Ereignisse der jüngsten Zeit haben das Vertrauen in das politische System in Österreich erschüttert. Laut einer Umfrage des Sora-Instituts sind 90 Prozent der Befragten überzeugt,
die österreichische Politik habe ein Korruptionsproblem. „Wir haben das Niveau von Rumänien erreicht, also wirklich tief im Keller“, fasste Günther Ogris von Sora-Institut das Ergebnis zusammen. Für die Regierung und die anderen politisch Verantwortlichen sei es höchste Zeit für einen Neubeginn.

Tiefsten Punkt seit Erhebungsbeginn 2018 erreicht

In Österreich seien 58 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass das politische System im eigenen Land weniger oder gar nicht gut funktioniert. Gesunken sei das Vertrauen in allen Bevölkerungsgruppen. Der Umfrage zufolge fällt der Vertrauensverlust im oberen und mittleren Einkommensdrittel der Gesellschaft jedoch stärker aus. Damit habe das Vertrauen in das politische System Österreichs den tiefsten Punkt seit Erhebungsbeginn 2018 erreicht, hieß es in einer Pressekonferenz am Dienstag.

Das Systemvertrauen habe dabei im Befragungszeitraum August bis Oktober besonders deutlich unter dem Wert des Vorjahres gelegen. Bei 46 Prozent der rund 2000 online und telefonisch Befragten war es im negativen Bereich. Die Inseraten-Affäre von Ex-Kanzler Kurz und der erneute Lockdown hätten die Entwicklung noch einmal verschärft.

In einer Follow-up-Befragung unter rund 500 Personen im November und Dezember bewerteten hingegen nur noch 58 Prozent das politische System als weniger oder gar nicht gut. 2020 fiel das Ergebnis mit 66 zu 32 Prozent noch positiv aus. 2019 lag das Verhältnis bei 51 zu 45 und 2018 bei 64 zu 33 Prozent.

„Niveau von Rumänien erreicht“

Im unteren Einkommensdrittel der Gesellschaft sei das Vertrauen in das politische System seit Erhebungsbeginn 2018 weniger von aktuellen Ereignissen abhängig, so Studienautorin Martina Zandonella. Mit der ökonomischen Unsicherheit gingen unabhängig davon Erfahrungen von Ungleichwertigkeit und fehlender Repräsentation einher.

Diese würden dem demokratischen Prinzip der politischen Gleichheit widersprechen und mit dem generellen geringen Vertrauen in Zusammenhang stehen. Im Zuge der Corona-Pandemie haben laut Sora nun auch Menschen aus der Mitte und dem oberen Drittel der Gesellschaft diese Erfahrung gemacht.

90 Prozent sehen Korruptionsproblem – und alle Parteien anfällig

Gelitten hat das Vertrauen in das politische System laut Sora außerdem unter der sogenannten Inseraten-Affäre: Derzeit sind rund 90 Prozent der Menschen überzeugt, Österreich habe ein Korruptionsproblem. Dabei werde Korruption nicht nur mit einzelnen Personen oder Parteien verbunden: 41 Prozent der Menschen gehen davon aus, Chats wie jene rund um Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz seien typisch für alle Parteien.

Den Schaden derartiger Entgleisungen politischer Eliten leide laut der Forscherin auch das gesamte politische System. Nach wie vor hielten aber 88 Prozent der Menschen in Österreich die Demokratie für die beste Staatsform. Dieser Wert sei über die Erhebungsjahre hinweg auch weitgehend konstant geblieben. 75 Prozent sprechen sich für eine Stärkung der Demokratie aus, so Zandonella.

TRT Deutsch