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Laut einer aktuellen, noch laufenden Studie der Charité Universitätsmedizin Berlin berichtet ein knappes Viertel der Deutschen (24,1 Prozent) in der gegenwärtigen Pandemie über psychische Belastungen. Dabei spielt täglicher Stress durch sich ständig ändernde Regularien und Beschränkungen eine große Rolle.

Stress – was ist das eigentlich?

Abgeleitet vom lateinischen Verb „stringere“ (anpassen), steht der ursprünglich englische Ausdruck für „Anspannung“ und „Druck“. Er bezeichnet im originären Sprachgebrauch die normale physisch-psychische Reaktion auf besondere Reizsignale, Anforderungen und Belastungen und betrifft sowohl Menschen als auch Tiere.

So gesehen, erfüllt Stress in seiner ursprünglichen Form eine wichtige Überlebensfunktion. Auf Gefahrensignale reagiert der Körper durch erhöhte Muskelanspannung und überdurchschnittliche Handlungs- und Leistungsfähigkeit, sowohl auf körperlicher als auch auf geistiger Ebene.

Eine hormonelle Angelegenheit

Möglich wird dies durch die Ausschüttung entsprechend benötigter Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin, die sich auf die Erhöhung unseres Muskeltonus, Blutdrucks und Blutzuckers auswirken. Auch die Werte des lebenswichtigen, entzündungshemmenden Hormons Cortisol sind bei allgemeinem Stress erhöht.

Durch die hormonellen Veränderungen werden Energien freigesetzt, die den Körper auf eine mögliche bevorstehende Flucht („Flight“) oder Kampfsituation („Fight“) vorbereiten. Je nach Situation werden bei kurzzeitigem und langfristigem Stress unterschiedliche Hormone ausgeschüttet.


Auf der Spur der Auslöser und Ursachen von Stress

Als allgemeine, unspezifische Stressauslöser gelten äußere Reizsignale wie plötzliche Helligkeit oder laute Geräusche. Doch für den größten Teil unserer empfundenen Stresswahrnehmung sind häufig sehr spezifische Stressoren verantwortlich.

Dies können je nach individueller Lebenssituation belastende Umstände im Privat- oder Arbeitsleben sein, z.B. dauerhafte Konflikte im Job, in der Partnerschaft oder in der Familie, finanzielle Sorgen und Arbeitslosigkeit, Krankheit, Tod, Scheidung oder Pflegesituationen.

Wie sich Stress unmittelbar auf uns auswirkt

Obwohl die unmittelbare Reaktion auf die Belastungssituation eine erhöhte körperliche und geistige Reaktions- und Leistungsfähigkeit ist, zeigen sich bereits während der Bewältigung von akuten Stressoren Symptome wie Schweißausbrüche, Zittern, Herzklopfen und eine schnelle, flache Atmung.

Als Folge einer Stress-Situation kommt es im Normalfall zu starker körperlich-psychischer Erschöpfung mit häufigen Verspannungen, innerer Unruhe und vielfältigen Auswirkungen auf die Organe – insbesondere dann, wenn die den Stress auslösende Situation dauerhaft besteht.

Achtung: Langzeitfolgen von negativem Stress

Wer über einen längeren Zeitraum starken Stressreizen ausgesetzt ist und diese nicht nachhaltig ausgleicht oder an ihrer Reduktion arbeitet, läuft Gefahr, ein sogenanntes Anpassungssyndrom zu entwickeln. Als Folge einer derartigen Daueraktivierung von Alarmbereitschaft und Widerstandskraft kann es zu einem totalen Erschöpfungsstadium kommen, mit weitreichenden Begleiterscheinungen für Psyche und körperliche Gesundheit.


Insbesondere unser Verdauungssystem reagiert sehr empfindlich gegenüber jeglicher Form von Stress: Magen-Darm-Erkrankungen und Verdauungsstörungen sind daher typische Symptome von Stresserleben. Aber auch Hauterkrankungen, Schlafstörungen, Migräne, Kopf- und Rückenschmerzen, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen können psychosomatische Folgen sein. Das Immunsystem wird durch chronischen Stress insgesamt geschwächt.

Im mentalen Bereich können sich bei Langzeitstress Krankheitsbilder wie starke psychische Erschöpfungszustände bis hin zu Burnout und Depression ausprägen. Mitunter sind auch Unter- und Übergewicht sowie Suchterkrankungen auf Dauerstress zurückzuführen.

Positiver Stress – schon schädlich?

Vom negativen Stress, auch Distress genannt, wird der positive Stress unterschieden: Der sogenannte „Eustress“ entsteht, wenn wir Anspannung und ihre Bewältigung in positiven Kontexten erleben; meist erleben wir uns dann jedoch als motiviert, leistungsfähig und positiv gestimmt.

Ob Geburt, Heirat, Beförderung, Umzug oder Reisepläne – auch positiver Stress kann zu Distress werden, wenn die „Performance“ zu anstrengend wird, Verantwortungsgefühle übermäßig zunehmen und Erwartungen zu hoch gesteckt sind. Um zu vermeiden, dass sich Eustress in Distress verkehrt, bedarf es einer anhaltenden Achtsamkeitspraxis und Selbstreflexion im Alltag. Im Idealfall führt Eustress als positive Stressform zur Ausschüttung von Glückshormonen und der positiven Erfahrung von Selbstwirksamkeit.


Die Basics der Stressprävention


Um negativen Stress, d.h. die den Stress begleitenden Stresshormone effizient abzubauen, ist es wichtig, dass wir im Alltag bewusste Auszeiten und Ruhephasen einplanen. Entspannungstechniken und Praktiken der Achtsamkeit wie z.B. eine regelmäßige Meditationspraxis, Entspannungsmusik, akustische Frequenzen oder Yoga können dabei sehr gut helfen.

Für viele Menschen ist außerdem moderater, regelmäßiger Sport eine wirksame Methode bzw. ein „Ventil“ zum Stressabbau. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass allzu intensive Trainingseinheiten und übertriebener Ehrgeiz die Stresshormone durchaus auch weiter steigern können.

Die dritte Säule bei Stressprävention und -reduktion ist die Ausgewogenheit der eigenen Ernährung: Wer sich vollwertig, ausgeglichen und möglichst naturbelassen ernährt, bringt sich selbst in eine bessere Balance – und kann auf Stressoren ausgeglichener reagieren. Umgekehrt tragen ungesunde Lebensmittel wie zu viel Fett, Zucker, Alkohol und Koffein zu einer erhöhten Cortisolproduktion bei.

Digital abschalten und vorbeugen

Zum Stressabbau trägt auch digitales Detoxen bei: Gemeint ist die bewusste Abkehr von digitalen, auch sozialen Medien in bestimmten Tagesphasen bzw. die bewusste Nutzung nur zu bestimmten, begrenzten Zeiten. So kann einer geistig-emotionalen Daueraktivierung durch eine permanente Bereitschaft zur Erreichbarkeit und Reaktion sinnvoll vorgebeugt werden.

Umgekehrt lassen sich Smartphone und digitale Endgeräte auch gezielt zur Stressbehandlung einsetzen: Vielfältige Start-ups und App-Entwickler haben gerade in den letzten Monaten in Deutschland digitale Gesundheitsprogramme und -apps wie HelloBetter, 7Mind, Bloom, Selfapy oder somnio auf den Markt gebracht, die sich auf Stressprävention, Entspannungsverfahren und Achtsamkeit im Alltag fokussieren oder Stress-Folgeerscheinungen wie Depression, Schlafstörungen & Co. behandeln. Viele dieser Anwendungen sind mittlerweile verschreibungs- und erstattungsfähig.