DIW-Studie: Folgekosten der Kinderarmut kommen den Staat teuer zu stehen / Photo: DPA (dpa)
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Eine stärkere Bekämpfung der Kinderarmut würde sich einer DIW-Studie zufolge auch finanziell schnell rechnen für den Staat. Die geplante Kindergrundsicherung sei sinnvoll und habe einen wirtschaftlichen Vorteil, weil die Folgekosten sonst noch wesentlich größer wären, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), am Freitag in Berlin. „Die besten Investitionen, die ein Staat tätigen kann, ist in seine Menschen. Das gilt für niemanden mehr als für Kinder und Jugendliche, die in Armut leben, von Armut bedroht sind.“ Eine stärkere Inanspruchnahme des Kinderzuschlags würde den Staat laut DIW in etwa 630 Millionen Euro kosten. Bei direkten Geldtransfers in Höhe von 50 oder 100 Euro an arme Haushalte wären es 2,1 beziehungsweise 4,2 Milliarden Euro.

Die Studie soll für mehr Sachlichkeit im regierungsinternen Streit über die konkrete Ausgestaltung der Kindergrundsicherung sorgen. Sie basiert auf repräsentativen Befragungen von Haushalten aus dem Jahr 2019, also vor der Corona-Pandemie, die vielen Familien stark zugesetzt hat.

DIW: Kinderarmut-Folgekosten von bis zu 120 Milliarden Euro

Die Folgekosten von Kinderarmut würden bei etwa 110 bis 120 Milliarden Euro liegen, sagte DIW-Forscher Maximilian Priem. Es lohne sich also, früh zu investieren, um Armut zu bekämpfen. Menschen lebten sonst oft auch im späteren Leben in Armut und mit weniger Bildung. Sie seien dann stärker abhängig von staatlichen Leistungen und auch weniger gesund.

Gefährdet seien vor allem Familien mit mindestens drei Kindern sowie noch stärker Familien von Alleinerziehenden, erläuterte Priem. Bei großen Familien lebten etwa drei von zehn Kindern in Haushalten, die als arm gelten. Bei Haushalten mit Alleinerziehenden seien es fast vier von zehn Kindern. Als arm oder armutsgefährdet gelten Haushalte, wenn sie beim Einkommen weniger als 60 Prozent des Mittelwertes zur Verfügung haben. Davon ist insgesamt in etwa jeder fünfte Haushalt betroffen.

Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 Hilfsleistungen bündeln und nach Vorstellungen der Grünen auch ausweiten. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) forderte zuletzt bis zu sieben Milliarden Euro an Mehrausgaben jährlich. Im vom Kabinett beschlossenen Finanzplan bis 2027 sind dafür aber nur zwei Milliarden Euro zusätzlich ab 2025 vorgesehen. Dies werde mit Sicherheit nicht reichen, so Priem. Oft würden die Hilfen von armen Familien gar nicht in Anspruch genommen, weil die Anträge zu kompliziert für sie seien. Mindestens fünf Milliarden Euro sollte eine effektive Kindergrundsicherung im Jahr kosten. Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie, sagte, wenn man es richtig machen wolle, wären Summen von 20 Milliarden Euro nötig.

Reuters