M. Teyfik Özcan (links) mit Monheimer Bürgermeister Daniel Zimmermann (rechts). (M. Teyfik Özcan)
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Durch seine Initiative, Moscheegemeinden in seiner Stadt unbebaute Grundstücke zur Errichtung von Gemeindezentren zur Verfügung zu stellen, ist Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann bundesweit in die Schlagzeilen gelangt. Wie zu erwarten war, gab der Schritt Anlass zu rechtsradikalen Kampagnen von außerhalb der Kommune. Innerhalb der Gemeinde selbst überwog jedoch eindeutig die Akzeptanz.

Im Gespräch mit TRT Deutsch schildert Zimmermann, wie seine Idee entstand und welche Folgen der Entschluss für das Zusammenleben in Monheim hatte.

M. Teyfik Özcan (links) mit Monheimer Bürgermeister Daniel Zimmermann (rechts). (M. Teyfik Özcan)

Aus welchem Bedürfnis heraus ist die Idee entstanden, zwei Moscheegemeinden kostenfrei Grundstücke zur Verfügung zu stellen?

Das Bedürfnis der Moscheegemeinden ist von Jahr zu Jahr größer geworden, aus ihren provisorischen Gebetshäusern auszuziehen und angemessene, zeitgemäße Gebetsräume zu beziehen. Ferner war vonseiten der Moscheegemeinden das Interesse vorhanden, ein Gebäude zu errichten, in dem nicht nur gebetet wird, sondern das auch als Anlaufstelle für kulturelle und religiöse Begegnungen dienen sollte. Die Gemeinde benötigt diese Räumlichkeiten u. a. auch für das gemeinsame Fastenbrechen, für die Jugendarbeit sowie Nachhilfestunden für Schülerinnen und Schüler.

Sie haben sich schon im Vorfeld mit den Moscheegemeinden getroffen und mit der Thematik intensiv auseinandergesetzt.

Ja, ich habe als erster Bürgermeister von der Stadt Monheim überhaupt die Moscheegemeinden besucht und wir haben viele Jahre gemeinsam versucht, adäquate Grundstücke zu finden. Irgendwann wurde mir klar, dass das so nicht funktioniert und wir nicht zum gewünschten Ziel kommen. Daher habe ich den Gemeinden vorgeschlagen, unbebaute städtische Grundstücke zu finden und diese den Gemeinden kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

Wie war anschließend die Resonanz der Monheimer Bürger?

Am Anfang hat die Mehrheit sehr positiv auf die Entscheidung reagiert. Kommentare in den sozialen Medien bestätigten unsere Sichtweise. Erst als das Vorhaben von den Printmedien aufgegriffen wurde, wie der „Rheinischen Post“, die als unsere wichtigste Tageszeitung mit Lokalteil gilt und einen großen Leitartikel geschrieben hat, kam Unruhe auf. Die Redakteurin hat die Meinung vertreten, dass das Vorhaben ungeeignet wäre und für Unfrieden sorgen würde zwischen den verschiedenen Konfessionen. Da ging es eigentlich los, dass sich eine eher negative öffentliche Meinung zu bilden begann und viele Bürger sich verunsichern ließen.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Wir haben schnell versucht, die Diskussion mit den vielen Vorurteilen zu versachlichen, indem wir mehrere Bürgerbeteiligungen durchgeführt haben. Nach der ersten Bürgerbeteiligung, an der auch der Vorstand der Gemeinden teilgenommen hat, konnten wir die große Mehrheit der Bürger von dem Bauvorhaben überzeugen. Das hat die Entscheidung legitimiert und viel Druck aus der Debatte genommen.

Sie haben also die notwendigen Schritte eingeleitet, damit die beteiligten Gruppen nicht übereinander, sondern miteinander sprachen, und haben so Empathie sowie Verständnis erzeugt?

In der Bürgerbeteiligung ist es auch aufgrund der aktiven Rolle der Gemeinden gelungen, auf Augenhöhe zu reden. Es ist so eine Trivialität, miteinander zu sprechen und nicht übereinander. Vor allem findet in den klassischen sowie sozialen Netzwerken dieser Dialog auf Augenhöhe nicht statt.

Wie haben sich die christlichen Kirchengemeinden positioniert?

Es gibt einen Arbeitskreis „Christen treffen Muslime“, dessen Mitglieder auch aus dem Vorstand der Kirchen sind und sich stark für die muslimischen Gemeinden engagieren.

Ist die Basis dieser harmonischen Atmosphäre die Partizipation der Muslime am gesellschaftlichen Leben, ihre Transparenz, ihre Offenheit und der Wunsch nach Gleichberechtigung?

Ja, daneben tragen die Moscheegemeinden auch zur Integration der syrischen und anderer muslimischen Flüchtlinge Beitrag bei. Sie treffen beim Gebet auf Menschen muslimischen Glaubens, die Teil dieser Gesellschaft sind. Ich gebe Ihnen Recht, dass es für die hier geborenen Menschen um Gleichberechtigung geht.

Sie berichteten vorhin beim Rundgang der Moschee, dass der Einfluss der radikalen Kräfte, die von auswärts kommen, sehr groß war. Wie sind Sie mit diesen radikalen Gegnern umgegangen?

Ich fühle mich den Menschen vor Ort verpflichtet und bin den Kritikern von außen keine Rechenschaft schuldig.

Auf welchem Weg wurden Sie kritisiert? Mussten Sie Beleidigungen ertragen oder wurden Sie gar bedroht?

Ich habe eine große Anzahl von Strafanzeigen erstattet. Ich habe 400 Profile auf meiner Facebook-Seite gesperrt von Personen, die rechtsextreme Propaganda verbreitet haben. Ich habe auch viele anonyme Drohbriefe erhalten. Es wurde in Foren dazu aufgerufen, mich zu bedrohen. Das hat dazu geführt, dass ich einige Zeit lang unter Polizeischutz stand.

Konnten die Sicherheitsbehörden die Extremisten ermitteln und wurde gegen sie ein Strafverfahren eröffnet?

Ja, tatsächlich wurden viele teilweise nach Jahren identifiziert. Es gab aber auch kuriose Momente, wo die Briefeschreiber sich bei mir entschuldigt haben. Man muss aber auch leider konstatieren, dass es zu keiner einzigen Verurteilung gekommen ist.

Die Stadt Monheim hat 43.000 Einwohner. Wie hoch ist der Anteil der Bürger mit muslimischem Glauben?

Genau können wir es nicht sagen, da es hier keine Statistik gibt. Ich denke aber, dass sich ca. 15 Prozent der Bevölkerung direkt mit den Projekten identifizieren.

Hat sich das Zusammenleben der autochthonen Deutschen mit den Menschen mit ausländischen Wurzeln in den letzten Jahren aufgrund der Moscheebauten verändert? Dass es jetzt mehr Spannungen gibt oder man jetzt viel mehr auf einander zugeht? Sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht?

Ich glaube, dass sich das Zusammenleben insgesamt verbessert hat. Es gab in den letzten zehn Jahren eine sehr aufgeheizte Stimmung. Durch die Entstehung der AfD sind Grenzen dessen überschritten worden, was man öffentlich sagen darf oder nicht. Ich denke aber auch an Verunsicherung, die entsteht durch islamistischen Terrorismus, wo die Menschen nicht zwischen Islam und Islamismus differenzieren können - was ist Islam, was ist Islamismus? Das sind Dinge, die wir in den letzten zehn Jahren erlebt haben und die geeignet sind, das Zusammenleben zu erschweren. In diesem Zusammenhang fand ich es sehr wichtig, dass die Stadt und der Stadtrat durch die Bereitstellung der Grundstücke dagegengehalten und diese Differenzierung zulassen haben. Es war eine Grundsatzentscheidung. Sie sind nicht der aktuellen Stimmung verfallen und haben sich nicht weggeduckt. Die Menschen und die Gemeinden haben sich trotz emotional geführter Diskussionen sowie Hass nicht verschlossen und haben sich weiter geöffnet, wovon wir alle jetzt profitieren.

Die Kosten für das Bauvorhaben wurden beziffert mit 4,5 Mio. Euro, die aus Spendengeldern generiert werden soll. Sie haben sich auch persönlich bereit erklärt, mit einem Slogan dafür zu werden. Wie heißt der Slogan nochmal?

„Bir tuğla da sen koy.“

Auf Deutsch übersetzt: „Setze auch Du einen Backstein dazu.“

Ja, so ähnlich müsste es heißen.

Spielt das Thema Rassismus unabhängig vom Moscheebau eine Rolle im Rathaus?

Wir haben einen gut funktionierten Integrationsrat, mit dem wir den Problemen auf die Spur gehen und versuchen, gemeinsam Lösungen zu finden. Wir haben bei der Stadt auch ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren. Das heißt, wir wollen keine Fotos und keine Namen von Bewerberinnen und Bewerber haben. Wir gehen nur nach der Qualifikation. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht in den letzten Jahren. Wir veranstalten auch jedes Jahr eine Aktionswoche gegen Rassismus, bei der viele Vereine und kirchliche Gruppen mitmachen. Es gibt bei uns viele Anstrengungen, um ein Klima zu schaffen, in dem Menschen das Gefühl haben, ihren Beitrag zu leisten, dass Rassismus weniger wird.

Herr Zimmermann, durch Ihre mutigen Entscheidungen wurden Sie über Ihre Stadtgrenzen hinweg bekannt. Was würden Sie den Menschen in Deutschland empfehlen, damit das Zusammenleben zwischen den verschiedenen Konfessionen und Ethnien besser funktioniert?

Mehr auf das Gemeinsame als auf das Trennende zu schauen. Es gibt viel mehr verbindende Punkte, die man sich bewusst machen muss, dann kann man mit den wenigen Unterschieden viel besser umgehen.

Herr Zimmermann, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!