Der stellvertretende Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Mame Mandiaye Niang, schließt eine Anhörung zu den Anklagen gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu oder Kreml-Chef Wladimir Putin in Abwesenheit der Beschuldigten nicht aus. Der IStGH habe dies schon im Fall des flüchtigen ugandischen Milizenführers Joseph Kony „ausprobiert“, sagte Niang am Freitag der Nachrichtenagentur AFP in einem Interview.
„Es ist ein umständliches Verfahren. Aber wir haben es ausprobiert und festgestellt, dass es möglich und zweckdienlich ist“, sagte der aus dem Senegal stammende Jurist, der zurzeit den Chefankläger des IStGH, den Briten Karim Khan, vertritt. Khan hatte sein Amt im Mai wegen Vorwürfen sexueller Belästigung bis zum Abschluss der gegen ihn laufenden Ermittlungen niedergelegt.
Im September hatte der IStGH mit der Anhörung zu den Anschuldigungen gegen Kony begonnen. Normalerweise würde auf die Bestätigung der Anklage, die in Konys Fall erstmals in Abwesenheit stattfand, ein Prozess folgen. Das Gericht lässt jedoch keine Verfahren in Abwesenheit zu.
IStGH-Chefankläger Khan hatte im November vergangenen Jahres einen Haftbefehl gegen Netanjahu wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg erlassen. Er erwirkte zudem einen Haftbefehl gegen Putin wegen des Vorwurfs der unrechtmäßigen Verschleppung ukrainischer Kinder. Der IStGH kann seine Haftbefehle nicht selbst vollstrecken und ist dabei auf die Kooperation seiner Vertragsstaaten angewiesen.
Nach der Ausstellung des Haftbefehls gegen Netanjahu hatten die USA Sanktionen gegen mehrere Richter und Ankläger des Gerichtshofs verhängt, betroffen ist auch der 65-jährige Niang. In dem AFP-Interview kritisierte er die Sanktionen scharf: Vertreter des Gerichtshofs sollten „niemals auf dieselbe Liste wie Terroristen oder Drogenhändler“ gesetzt werden, sagte der Senegalese. Er warnte davor, das Gericht zu „delegitimieren“.
Der IStGH mit Sitz in Den Haag verfolgt seit 2002 besonders schwerwiegende Straftaten wie Kriegsverbrechen. Der IStGH hat keine eigene Polizei, um seine Haftbefehle durchzusetzen, und ist deshalb auf die Kooperation der 124 Mitgliedstaaten angewiesen. Sie sind theoretisch verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen, sobald sie sich in ihrem Staatsgebiet aufhalten.





















