Unionspolitiker kritisieren Barleys Aussage zu EU-Atomwaffen / Photo: DPA (dpa)
Folgen

Aus der Union kommen Unverständnis und Ablehnung für die Äußerungen der SPD-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Katarina Barley, über mögliche EU-Atomwaffen. „Die Diskussion um eine europäische nukleare Abschreckung erfolgt derzeit völlig im luftleeren Raum“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul (CDU), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Mittwoch). „Es fehlt derzeit jede politische, strategische, technische und finanzielle Grundlage für ein solches Ziel.“

Katarina Barley – SPD-Spitzenkandidatin bei der Europawahl (DPA)

Barley hatte in einem Interview wegen der jüngsten Äußerungen des US-Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump die Verlässlichkeit des US-Atomwaffen-Schutzschirms in Zweifel gezogen. Zur Frage, ob die EU eigene Atombomben brauche, sagte sie dem „Tagesspiegel“: „Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden.“ Trump, der derzeit Wahlkampf für eine zweite Amtszeit macht, hatte am Wochenende bei einem Auftritt deutlich gemacht, dass er Bündnispartnern mit geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs keine amerikanische Unterstützung gewähren würde. Trump wird deswegen vorgeworfen, der auf dem Prinzip Abschreckung beruhenden Nato schweren Schaden zuzufügen.

Wadephul entgegnete Barley nun: „Wer einfach so von einer europäischen Nuklearmacht fabuliert wie Frau Barley, übersieht völlig, was für ein einzigartiges vertrauensvolles Angebot die nukleare Teilhabe innerhalb der Nato durch die USA an ihre Verbündeten ist. Sie aufrechtzuerhalten, muss oberstes Ziel jedweder deutschen Bundesregierungen sein.“ Es sei richtig, den USA - egal unter welchem Präsidenten - zu beweisen, „dass man durch faire Lastenteilung im konventionellen Bereich ein Partner auf Augenhöhe sein will“.

Johann Wadephul (CDU) – Stellvertretender Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (DPA)

Anders beurteilt der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) die Lage. „Ich hätte nie gedacht, dass ich darüber mal nachdenken muss. Aber Europa braucht eine glaubwürdige Abschreckung. Dazu gehört eine gemeinsame nukleare Komponente“, schrieb Gabriel in einem Gastbeitrag für den „stern“. Der amerikanische Schutz werde absehbar enden, die Debatte darüber, woher der Ersatz kommen soll, müsse jetzt beginnen. „Wenn wir diese Frage nicht beantworten, werden andere es tun. Zum Beispiel die Türkei. Das kann nicht unser Interesse sein“

Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen wollte sich gar nicht erst auf eine inhaltliche Debatte über die Äußerungen von Barley einlassen. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Dieser Vorschlag ist in jeder Hinsicht, rechtlich, europa- und sicherheitspolitisch, nicht von dieser Welt. Jeder weitere Satz der Kommentierung wäre zu viel.“

Lindner weicht von Scholz-Linie bei nuklearer Abschreckung ab

Bundesfinanzminister Christian Lindner sprach sich für mehr Kooperation mit Frankreich und Großbritannien bei der atomaren Abschreckung aus. „Der französische Präsident Emmanuel Macron hat verschiedentlich Kooperationsangebote vorgetragen“, schrieb der FDP-Vorsitzende in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. “Die jüngsten Äußerungen von Donald Trump sollten wir als Aufforderung verstehen, dieses Element europäischer Sicherheit unter dem Dach der Nato weiterzudenken.“

Damit weicht Lindner von der bisherigen Linie von Kanzler Olaf Scholz ab, der eine Debatte über einen Kurswechsel bei der nuklearen Abschreckung der Nato bisher ablehnt. Diese basiert derzeit fast ausschließlich auf den US-Atomwaffen. Großbritannien und Frankreich sind daneben die einzigen beiden anderen Nato-Staaten, die über solche Waffensysteme verfügen.

TRT Deutsch und Agenturen