BGH-Urteil: ZDF darf Fotos von Entführungsopfer nicht mehr zeigen / Photo: DPA (dpa)
Folgen

Medien müssen bei der Berichterstattung über eine Kindesentführung auch nach Jahrzehnten noch das Recht der Opfer an ihrem eigenen Bild oder ihrem gesprochenen Wort achten. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Montag veröffentlichten Urteil klargestellt und einen ZDF-Fernsehbeitrag über zwei Kindesentführungsfälle aus dem Jahr 1981 und 1980 gerügt. (AZ: VI ZR 309/22)

Der Beitrag „Entführte Kinder“ wurde am 25. Februar 2018 auf dem Sender ZDFInfo ausgestrahlt. Die Dokumentation zeigte in zwei Kindesentführungsfällen die Vermittlerrolle eines TV-Journalisten zu den Entführern auf. So ging es um die kurz vor Weihnachten 1981 auf dem Schulweg entführte, damals achtjährige Nina von Gallwitz. Das Kind wurde nach Zahlung eines Lösegeldes der Eltern nach rund fünf Monaten wieder freigelassen.

In dem ZDF-Beitrag wurden auch zwei Fotos veröffentlicht, die die Eltern damals der Polizei für die öffentliche Suche nach dem Kind übergeben hatten, sowie ein Illustrierten-Cover, welches Mutter und Tochter nach der Freilassung des Kindes zeigten. Ein von der Tochter während der Entführung geschriebener Brief an die Eltern sowie ein von ihr gesprochener Audio-Mitschnitt über Anweisungen zur Lösegeldübergabe wurden im Filmbeitrag ebenfalls wiedergegeben.

ZDF beruft sich auf die Meinungsfreiheit

Die mittlerweile erwachsene Frau klagte auf Unterlassung. Ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht werde mit der Veröffentlichung von Fotos, Brief und Audio-Mitschnitt verletzt. Sie wende sich „nicht generell dagegen, durch die Berichterstattung als Opfer einer Straftat identifiziert zu werden“, so die Klägerin. Sie wolle aber nicht, dass sie Jahrzehnte nach der Entführung in sehr persönlicher Weise in ihrer Opferrolle dargestellt werde.

Das ZDF berief sich auf die Meinungsfreiheit und das hohe öffentliche Interesse an dem Fall. Es handele sich um ein Ereignis der Zeitgeschichte.

Doch das allgemeine Persönlichkeitsrecht hat hier Vorrang, urteilte der BGH. Zwar gehöre eine Straftat zum Zeitgeschehen. Hier würden in dem Filmbeitrag mit den Fotos aber optisch keine neuen Zusammenhänge hergestellt. Mit der Veröffentlichung des Films, 35 Jahre nach der Tat, sei das öffentliche Interesse an der Person der Klägerin und an ihrer persönlichen Darstellung erheblich gesunken. Die Klägerin habe somit Anspruch darauf, „die Verfügungsgewalt über ihre Kinderfotos zurückzuerlangen“.

Auch die erneute Wiedergabe des Briefinhaltes und des Audio-Mitschnitts verstießen gegen das Recht auf Achtung der Privatsphäre. Zwar gehe der Inhalt auf die Anweisungen der Entführer zurück. Dennoch seien diese wegen der enormen emotionalen Belastung des entführten Kindes als privat einzustufen.

epd