15. Juli Märtyrerdenkmal in Ankara (AA)
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Eine der Organisationen, die über das weiteste Netzwerk auf globaler Ebene verfügt, ist die Fetullahistische Terrororganisation (FETÖ), die am 15. Juli 2016 251 Menschen das Leben genommen, Bomben auf das Parlament, Präsidialamt und unsere Bürger abgeworfen hat und sich dadurch die gewaltsame Übernahme der auf Demokratie, Laizismus und Sozialstaat basierenden Verfassungsordnung zum Ziel gesetzt hat.

Diese Organisation mit Fetullah Gülen an der Spitze ist überall auf der Welt und auch in Deutschland bestens vernetzt. Es ist kein Geheimnis, dass Gülen und die Mitglieder seiner Bewegung durch den Betrieb von Schulen in Deutschland für die Organisation neues Personal rekrutieren und Finanzmittel beschaffen. Unter diesem harmlosen Deckmantel der Bildungsarbeit werden junge Menschen indoktriniert und dadurch zu einer radikalen Armee von Anhängern erzogen, die die Anweisungen Gülens – den sie „Imam des Universums“ nennen – ohne zu hinterfragen, ausführen und dabei weder Recht noch Moral kennen. Zahlreiche Tarnfirmen, die die Organisation finanzieren, sind weiterhin in Deutschland aktiv. Tausende Mitglieder der Bewegung, die zum Teil zum Führungskader gehören, kamen mit falschen Angaben und unter Missbrauch des Asylsystems nach Deutschland. Zahlreiche Anhänger der Bewegung - einige von ihnen waren in jener unheilvollen Nacht selbst am Putschversuch beteiligt - laufen in Deutschland frei herum, ohne sich vor der Justiz zu verantworten. In diesem sicheren Zufluchtsort erfinden sie weiterhin Opfergeschichten, stellen sich als Seite eines politischen Kampfes dar, die angeblich Menschenrechtsverletzungen erlebt und verbreiten Feindpropaganda. Indem sie von der Kraft der Begriffe Integration, Toleranz und Dialog profitieren, präsentieren sie sich weiterhin als ein säkularer, friedfertiger und demokratischer Verband, der offen für Dialog ist. Ironischerweise können sie über ihre Schulen und Vereine, die sie für ihre Propaganda benutzen, die das genaue Gegenteil ihrer eigentlichen Ziele darstellt, vom Bundeshaushalt und den Länderhaushalten finanzielle Unterstützung erhalten.

Diese Organisation, die über Jahrzehnte durch Diebstahl von Prüfungsfragen, Verschleierung, Betrug und Manipulation die Bürokratie, Justiz, Armee, Wirtschaft und Zivilgesellschaft nach den Worten ihres Anführers Gülen „bis in die Kapillargefäße“ infiltriert hatte, hat jeden heimlich abgehört, Akten ausspioniert und erpresst. Über untergebene Staatsanwälte und Richter wurden Menschen ins Gefängnis gesteckt und aus dem Weg geräumt. Für die Finanzierung haben Tarnfirmen Betrug und Zwangsgeldeintreibung betrieben. Als sie gemerkt haben, dass sie enttarnt wurden, sind sie zu ihrem blutigsten Schritt übergegangen und haben am Abend des 15. Juli 2016 den Putschversuch gegen die Demokratie in der Türkei verübt. Die Vorstellung fällt in der Tat schwer, aber es handelt sich um eine post-moderne Terrororganisation, für die zum Erreichen ihres Endziels der Übernahme des Staates und somit Schaffung ihrer eigenen theokratischen Diktatur jedes Mittel legitim ist.

All das sind bekannte Tatsachen und Akten mit noch mehr Informationen wurden unseren deutschen Freunden zur Verfügung gestellt. Zum Erkennen der Gefahr, mit der wir es tun haben, gibt es im Grunde genommen mehr als genug Daten. Im Hinblick auf die Struktur der Organisation und ihre Mitglieder in Deutschland liegt die Beweispflicht selbstverständlich bei den deutschen Behörden. Sie halten es jedoch immer noch nicht für nötig, sie vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

Das wahre Gesicht dieser Organisation, so sehr sie es auch verbergen mag, wird sich früher oder später auch in Deutschland zeigen. Die Zeit läuft jedoch davon und für die Opfer der FETÖ bedeutet späte Gerechtigkeit keine Gerechtigkeit. Das türkische Volk erwartet, dass die Putschisten, die ins Ausland geflohen sind, vor Gericht gebracht und die Schuldigen sich für sämtliche Verschwörungen, von den Morden bis hin zu den gestohlenen Prüfungsfragen, vor Gericht verantworten. Heute vor fünf Jahren wurde der Putschversuch verübt. Gegen die Verantwortlichen des Putschversuches sollten endlich die notwendigen administrativen und rechtlichen Schritte eingeleitet werden. Wir erwarten zurecht, dass diese Haltung, die mit unserer jahrhundertealten Freundschaft, unseren einzigartigen zwischenmenschlichen Bindungen, unseren intensiven Wirtschaftsbeziehungen und natürlich unseren demokratischen Werten nicht im Einklang steht, ein Ende findet und erste Schritte unternommen werden.

Es wäre nicht falsch, die FETÖ mit einer globalen Bedrohung gleichzusetzen, die wie das Coronavirus keine Grenzen kennt, sich ständig an neue Bedingungen anpasst und jeden Organismus unterschiedlich befällt. Wie Albert Camus in seinem Roman „Die Pest“ erzählt, fängt die Bekämpfung einer Pandemie mit der Anerkennung ihrer Existenz an. Wir hoffen, dass unsere deutschen Freunde, Vorurteile und in die Zukunft gerichtete mögliche politische Kalküle beiseitelassen und die Existenz dieser Organisation anerkennen und handeln, bevor es zu spät ist.

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