Der Bericht mit dem Titel „Gewohnt ungleich: Rassismus und Wohnverhältnisse“ belegt mit Daten von rund 9.500 Befragten und einem wissenschaftlichen Feldexperiment, das Schwarze und Muslime besonders häufig ausgegrenzt werden. Dieser Personenkreis ist häufig sogar von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Alltag in der Nachbarschaft von Diskriminierung betroffen. Die Erkenntnis der Forschenden ist eindeutig: „Ungleiche Behandlung im Bereich Wohnen ist kein Randphänomen, sondern prägt die Erfahrung vieler“.
Systematischer Ausschluss beginnt beim Namen
Schon der erste Schritt auf dem Wohnungsmarkt ist für viele mit einer Hürde versehen, die nichts mit ihrer Zahlungsfähigkeit oder ihrem Beruf zu tun hat. Laut der Studie berichten 39 Prozent der Schwarzen und 35 Prozent der muslimischen Menschen in Deutschland, aufgrund von Diskriminierung nicht zu Wohnungsbesichtigungen eingeladen worden zu sein. Bei Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, liegt diese Wahrscheinlichkeit bei nur 11 Prozent. Diese persönlichen Erfahrungen wurden in einem kontrollierten Experiment eindrücklich bestätigt. Die Forschenden verschickten identische Bewerbungen auf echte Wohnungsanzeigen, wobei sie nur die Namen der Interessenten veränderten. Das Ergebnis war eindeutig: Während Bewerbungen mit als typisch deutsch gelesenen Namen eine Einladungsquote von 22 Prozent erhielten, sank diese bei formal absolut gleichen Bewerbungen mit Namen aus der MENAT-Region (Naher Osten, Nordafrika, Türkiye) auf lediglich 16 Prozent. Diese Praxis ist kein Geheimnis. Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland beschreibt den Wohnungsmarkt als „komplett von Rassismus kontaminiert“ und berichtet von dem bekannten Phänomen, das Schwarze Personen mit deutsch klingenden Namen zwar eingeladen, beim Erscheinen dann aber mit fadenscheinigen Ausreden abgewiesen werden.
Mehr als nur eine Wohnung: Die Folgen sind allumfassend
Die Diskriminierung endet nicht an der Wohnungstür. Wer es als rassistisch markierte Person dennoch bis zum Mietvertrag schafft, lebt fortan mit deutlich schlechteren Bedingungen. Die DeZIM-Studie zeigt, dass sich diese Benachteiligung in engerem Wohnraum, mehr Mängeln und höheren Kosten manifestiert. Rassistisch markierte Personen leben durchschnittlich auf nur 47 Quadratmetern mit 1,3 Zimmern pro Person, während nicht markierte Personen über 69 Quadratmeter und 1,9 Zimmer verfügen. Zugleich leben 57 Prozent der rassistisch markierten Menschen in Wohnungen mit Mängeln – gegenüber 48 Prozent in der Vergleichsgruppe. Ein besonders eklatanter Unterschied zeigt sich beim Schimmelbefall, von dem 20 Prozent der muslimischen und 19 Prozent der Schwarzen Befragten berichten, jedoch nur fünf Prozent der nicht markierten Gruppe.
Hinzu kommt eine höhere finanzielle Belastung und planerische Unsicherheit. 37 Prozent der rassistisch markierten Personen sind durch ihre Wohnkosten überlastet, geben also 40 Prozent oder mehr ihres Einkommens für Wohnen aus, was zu einem deutlich höheren Armutsrisiko führt. Zudem sind sie häufiger unsicheren Mietverhältnissen wie befristeten Verträgen ausgesetzt. Diese strukturelle Benachteiligung setzt sich beim Zugang zu Wohneigentum fort: Während 57 Prozent der nicht rassistisch markierten Personen in den eigenen vier Wänden leben, sind es bei Schwarzen nur elf und bei muslimischen Personen 24 Prozent.
Darüber hinaus ist diese Personengruppe verschärften Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Die Studie belegt einen klaren Zusammenhang zwischen schlechten Wohnbedingungen und psychischem Stress. Wer mit seiner Wohnsituation unzufrieden ist, hat eine um rund 20 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, unter starken Stresssymptomen zu leiden. Nicht zuletzt sind rassistisch markierte Gruppen auch häufiger höheren Umweltbelastungen wie Stickstoffdioxid in ihrem Wohnumfeld ausgesetzt, was die gesundheitliche Ungleichheit weiter vertieft.
„Kein Randphänomen“: Die Politik ist am Zug
Die Ergebnisse sind so eindeutig wie alarmierend. Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, fordert mehr Unterstützung für Betroffene und eine Reform des Antidiskriminierungsrechts, das den „Menschen auch wirklich hilft“. Der Leiter des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa), Dr. Cihan Sinanoğlu, betont, dass sich diese Muster „nicht allein auf soziale Lage zurückführen“ lassen, sondern aus dem Zusammenspiel von ökonomischen Bedingungen und zugeschriebenen Gruppenmerkmalen entstehen.
Die alarmierenden Daten finden ebenso in der Regierung Gehör. Hendrik Bollmann, wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, stellt im Gespräch mit TRT Deutsch klar: „Die aktuelle Studie zeigt: Menschen mit ausländisch klingenden Namen, insbesondere Schwarze und muslimische Menschen, werden auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt. Das ist kein Randphänomen, sondern ein strukturelles Problem.“ Er betont, dass Rassismus mitentscheide, „wer überhaupt zu einer Besichtigung eingeladen wird, wer Zugang zu Wohneigentum erhält und wer in belasteten Quartieren mit schlechter Luft und wenig Grün leben muss.“ Diese Ungleichheit sei „nicht nur ungerecht, sondern untergräbt den gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Als Konsequenz fordert Bollmann: „Wir brauchen einen Wohnungsmarkt, der für alle fair funktioniert. Dazu müssen wir in einen ernsthaften Dialog mit der Wohnungswirtschaft gehen. Wer in Deutschland eine Wohnung sucht, sollte nicht nach Namen, Hautfarbe oder Religion beurteilt werden.“
Verpflichtende Antidiskriminierungschecks für Wohnungsunternehmen
Auch aus der Opposition werden konkrete Forderungen laut. Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, verlangt gegenüber TRT Deutsch ein „scharfes Antidiskriminierungsrecht mit Beweislastumkehr und Verbandsklagerecht“, ein bundesweites Monitoring und einen verpflichtenden Antidiskriminierungscheck für Wohnungsunternehmen. Zentral sei aber vor allem eins: „Es braucht außerdem dringend mehr bezahlbare Wohnungen“. Die Bundesregierung dürfe hier nicht länger wegschauen, so die Vorsitzende des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen des Bundestags. Diese Forderung wird durch andere Experten unterstützt. Die Geographin Hannah Brill, die zum Kölner Wohnungsmarkt forscht, schlägt zudem anonymisierte Bewerbungsverfahren vor, wie sie etwa in den Niederlanden praktiziert werden, um unbewusste Vorurteile auszuschalten.
Experten wie Alexander Thom von der Berliner Beratungsstelle „Fair mieten, Fair wohnen“ sehen den dringenden Bedarf, gesetzliche Lücken zu schließen, zum Beispiel Ausnahmeregelungen für bestimmte Vermieter abzuschaffen. Dr. Noa K. Ha, wissenschaftliche Geschäftsführerin des DeZIM-Instituts, bringt es auf den Punkt: Die Befunde zeigten „erheblichen Handlungsbedarf für Politik und Gesellschaft, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken“.
Andrades: „Rassismus entscheidet darüber, wer überhaupt eine Chance auf die Wohnung bekommt“
Was die DeZIM-Studie nun wissenschaftlich belegt, beschreiben Betroffene seit Jahren in den Beratungsstellen. Im Interview mit TRT Deutsch sagt Eva Maria Andrades, Geschäftsführerin des Antidiskriminierungsverbands Deutschland: „Viele Betroffene berichten den Beratungsstellen, dass sie dutzende Bewerbungen schreiben, ohne eine einzige Rückmeldung zu bekommen. Nicht wegen fehlenden Einkommens, sondern wegen ihres Namens, ihres Aussehens oder ihrer tatsächlichen oder zugeschriebenen Herkunft. Der Bericht des DeZIM-Instituts bestätigt wissenschaftlich, was für Betroffene längst Realität ist: Rassismus entscheidet darüber, wer überhaupt eine Chance auf die Wohnung bekommt“. Der Antidiskriminierungsverband Deutschland ist ein Dachverband unabhängiger Antidiskriminierungsbüros und -beratungsstellen. Seine Mitgliedsorganisationen verfügen über langjährige Erfahrungen in der Antidiskriminierungsarbeit mit Schwerpunkt auf der Beratung und dem Selbstkompetenz von Betroffenen von Diskriminierung. Andrades berichtet, dass die schlechteren Wohnbedingungen nachweislich zu erhöhtem psychischem Stress und gesundheitlichen Risiken führen. „Wohnen ist eine Frage von Würde und Gesundheit. Dass rassistische Diskriminierung hier so folgenlos bleibt, ist politisch nicht akzeptabel“, so Andrades weiter. Der Verband fordert mit der Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einen wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt sowie den Ausbau unabhängiger Beratungs- und Unterstützungsangebote für Betroffene.
Name, Hautfarbe oder Herkunft entscheiden über Vergabe der Wohnung mit
Die Botschaft der DeZIM-Studie ist unmissverständlich: In Deutschland entscheidet nicht nur der Geldbeutel darüber, wer wie und wo wohnt, sondern auch der Name, die Hautfarbe, die vermutete Herkunft oder Religion. Dies untergräbt das grundlegende Versprechen auf gleiche Teilhabe und gefährdet den sozialen Frieden. Es ist an der Zeit, dass die Politik diesen unbequemen Befunden nicht nur zustimmt, sondern endlich konkrete und wirksame Maßnahmen folgen lässt. Eine gerechte Wohnungspolitik muss diskriminierungsfrei sein und allen Menschen ein Leben in Würde und Sicherheit ermöglichen.
















