In den letzten Tagen haben, im Rahmen der jährlichen UN-Generalversammlung, weitere westliche Regierungen, darunter das Vereinigte Königreich, Kanada und Australien, ihre Anerkennung des Staates Palästina deklariert. Die jeweiligen Regierungen und dominante Medien haben diese Anerkennung als positiven Schritt in Richtung „Frieden“ präsentiert.
Doch handelt es sich bei dieser Anerkennung Palästinas bestenfalls um eine symbolische oder gar irreführende Geste, die nicht nur vom Völkermord in Gaza ablenkt, sondern ein weiteres koloniales Diktat darstellt, das es dem israelischen Regime erlaubt, den Völkermord an Palästinensern ungehindert fortzusetzen.
Israels Verbündete beschützen Netanjahu
Das Vereinigte Königreich - eine ehemalige Kolonialmacht in Palästina die durch das Sykes-Picot Abkommen 1916 und die Balfour-Erklärung 1917 maßgeblich an der Kolonialisierung Palästinas beteiligt war - sowie Kanada und Australien, die beide ähnlich wie Israel als Siedlerkolonien gegründet wurden, unterstützen weiterhin das israelische Regime, lehnen es, ab den Genozid als solchen zu benennen, und ermöglichen diesen durch militärische, finanzielle und politische Unterstützung.
Als enge Verbündete der Vereinigten Staaten und Israels haben diese Staaten kein Interesse daran, signifikante Maßnahmen gegen das israelische Regime zu verhängen, welche Letzterem eventuell schaden könnten. Deswegen gibt es keine Sanktionen oder anderweitige Interventionen in den Völkermord, sondern die bürokratische Anerkennung eines okkupierten Staates. Selbst diese Anerkennung kommt verspätet. Die breite Mehrheit der Regierungen dieser Welt hat bereits vor Langem, teilweise im letzten Jahrhundert, den Staat Palästina anerkannt.
Tatsächlich scheint es aber in der aktuellen Welle von Anerkennungen nicht um das Überleben oder die Rechte von PalästinenserInnen zu gehen, die unter dem israelischen Apartheidregime leiden, sondern um die Reputation westlicher Mächte, die nun versuchen mit der groß verkündeten Anerkennung dem Druck der eigenen Bevölkerung entgegen zu wirken. Westliche Regierungen haben aufgrund ihres Mitwirkens am Völkermord in den letzten zwei Jahren eine zunehmende öffentliche Opposition und Dissens erlebt, welche vor allem durch Demonstrationen und Boykott zum Ausdruck kam.
Die Diskrepanz zwischen der Stimmung der Bevölkerung und der aggressiv pro-israelischen Politik dieser westlichen Regierungen ist nur schwer zu ignorieren. Die Anerkennung Palästinas scheint in diesem Kontext ein Versuch westlicher Regierungen zu sein, ihre eigene Reputation und die Israels irgendwie zu schützen. Sie stellt einen strategischen, und für die politische Elite klug erscheinenden, Versuch dar, so zu tun, als ob. Als Resultat sind internationale Medien gefüllt mit Schlagzeilen über die Anerkennung Palästinas durch dieses und jenes westliche Land, während das israelische Regime seinen Völkermord in Palästina ungehindert eskaliert.
Koloniale Mythen und Euphemismen
Die offiziellen Statements zur Anerkennung Palästinas stellen eine Bekräftigung der politischen Position westlicher Regierung dar und lesen sich wie ein koloniales Diktat, das Palästinenserinnen weitere Hürden und Einschränkungen verspricht.
In ihren Anerkennungsschreiben recyclen westliche Regierungen die gleichen Konzepte, die auch nur im politischen Diskurs existieren, um die Interessen Israels zu schützen. So bleibt die sogenannte „Zwei-Staaten-Lösung“ weiterhin zentral und wird in den Proklamationen der Anerkennung Palästinas als einzige Lösung zum sogenannten „Konflikt“ vorgeschrieben. Im Rahmen dieser „Zwei-Staaten-Lösung“ bezieht sich die Anerkennung Palästinas nur auf einen kleinen Teil des historischen Palästinas, basierend auf den Demarkierungen von 1967, der unter israelischer Kontrolle ist und zum Teil von der Palästinensischen Autonomie unter dem Regime von Mahmoud Abbas administriert wird.
Letzteres ist vor allem auf Grund der Kollaboration mit dem israelischen Regime in Palästina unbeliebt, wird aber vom Westen als einziger sogenannter Verhandlungspartner akzeptiert. Dieselbe „Zwei-Staaten-Lösung“, initiiert durch den Oslo-Prozess 1993, wird vom israelischen Regime kategorisch abgelehnt. In der Tat verfolgt Israel sehr transparent das Ziel, sich geografisch auszuweiten, während seine westlichen Verbündeten Israels Politik durch Euphemismen und imaginäre Konzepte beschönigen.
In den Statements westlicher Regierungen um die Anerkennung Palästinas wird die Kernursache des Leidens in Palästina nie benannt. Zionistischer Kolonialismus und die aus ihm resultierende Apartheid, ethnische Säuberung und der Völkermord in Gaza werden nicht konfrontiert. Eher wird die koloniale Gewalt durch diplomatische Sprache versteckt, die von „Frieden“ und „Sicherheit“ spricht, eine Geschichte von zwei Seiten in einem „Konflikt“ perpetuiert und den militärisch überlegenen Besatzer mit den Opfern gleichgestellt.
Die Ursache der andauernden Gewalt wird wieder auf den 7. Oktober 2023 datiert, Hamas wird als Terrororganisation verurteilt, und das Existenzrecht Israels wird immer wiederholt. Somit stellen die Proklamationen zur Anerkennung Palästinas eine Bekräftigung der westlichen, hegemonialen, pro-israelischen Sichtweise dar. Indem die Erklärungen zur Anerkennung klar vorschreiben, wer einen Staat Palästina zu regieren habe und wie, diktieren westliche Regierungen durch diese Dokumente erneut Palästinenserinnen, wie sie sich zu verhalten haben.
Anti-Palästinensischer Rassismus
Während westliche Regierungen ihre Anerkennung Palästinas zelebrieren, setzt das israelische Regime den Völkermord in Gaza, mit Hilfe der gleichen westlichen Regierungen, fort. Es ging im westlichen Diskurs nie um die Rechte oder Freiheit des palästinensischen Volkes, sondern um den Komfort und die Zukunft Israels.
Der US-alliierte Westen stellt global eine sehr kleine Minderheit dar, die nun selbst ihre verspätete Anerkennung Palästinas nutzt, um israelische Politik zu beschönigen, die Opfer zu kontrollieren und den kolonialen Status Quo in Palästina und im Westen fortzuführen. Während Palästinenserinnen in Gaza auf brutalste Art und Weise getötet werden, wird in London, Canberra oder Ottawa darüber fantasiert, wie die Opfer sich zu verhalten haben und wie man sie am besten kontrollieren könne.
Diese Anerkennung hat keinen Effekt auf Israel, auch wenn hegemoniale politische und Mediendiskurse dies suggerieren. Und warum sollte eine, wie auch immer intendierte Anerkennung Palästinas, irgendwelche Konsequenzen für Israel implizieren, wenn Israel weiterhin außerhalb des internationalen Rechts agiert, und die kontinuierlichen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen von genau den Regimen unterstützt werden, die nun Palästina anerkennen.
Die Proklamationen zur Anerkennung Palästinas sind im besten Fall ein weiteres Beispiel des kolonialen Diskurses, in dem die Opfer für ihr eigenes Leiden beschuldigt werden. Sie sind ein weiteres Beispiel des tief im Westen verankerten anti-palästinensischen Rassismus.

















