Während das israelische Regime seinen Genozid am palästinensischen Volk in Gaza eskaliert, und während die israelische Politik nun auch im Westen auf scharfe Kritik stößt, steht Deutschland weiterhin entschieden auf der Seite Israels. Auch zwei Jahre nach dem 7. Oktober bekundet die Bundesregierung dem israelischen Regime Treue und Beistand und reduziert den Völkermord auf einen “Konflikt”. Dabei bedient sich die politische Elite Deutschlands weiterhin derselben Narrative einer sogenannten Staatsräson - ein rhetorisches Konstrukt, das die holocaustzentrierte Vergangenheitsbewältigung in eine moralische Unterstützung für die Kontinuität rassistischer Politik zu übersetzen versucht.
Rhetorische Rechtfertigung von Völkermord
Weiterhin präsentiert das von Deutschland unterstützte Netanjahu-Regime den Völkermord in Gaza als angebliche Geiselbefreiung oder Krieg gegen Terrorismus. Seit der Eskalation israelischer Gewalt gegen den von Israel seit Langem illegal okkupierten und belagerten Gazastreifen wurde dieser größtenteils zerstört. Offiziellen Angaben zufolge wurden mehr als 66.000 Palästinenser getötet, doch gehen Wissenschaftler von einer weitaus größeren Zahl von Opfern aus. Die große Mehrheit der Bevölkerung wurde gewaltsam innerhalb Gazas vertrieben, 100 Prozent leiden an Hungersnot.
Deutschland steht weiterhin entschieden auf der Seite Israels. Diese ideologische Positionierung wird von der Bundesregierung unablässig wiederholt.
Dabei bezieht sich die Bundesregierung in ihrer politischen Kommunikation regelmäßig auf die deutsche Vergangenheitsbewältigung, den Horror und die Barbarei des Holocaust und aus dem deutschen Völkermord an Juden angeblich gezogene moralische und ethische Schlüsse. Doch instrumentalisiert Deutschland seine sogenannte Erinnerungskultur gleichzeitig zur Rechtfertigung des Völkermordes in Gaza.
Zum einen ist der dominante Diskurs um die Vergangenheitsbewältigung problematisch, weil er die vom deutschen Staat ausgehende rassistische Gewalt als in der Vergangenheit abgeschlossenes Phänomen suggeriert und, in diesem Kontext, die Idee nahegelegt, dass Deutschland sich ehrlich seiner Vergangenheit gestellt habe und sich seiner Schuld bewusst sei. Dadurch wird ein positives Bild des deutschen Staates und der Mehrheitsgesellschaft produziert.
Indem die Idee einer historischen Verantwortung auf den israelischen Staat projiziert wird und dieser im dominanten Diskurs mit dem Judentum gleichgestellt wird, wird Opposition gegen israelische, und damit auch von Deutschland ermöglichte, Gewalt, oft als antisemitische Bedrohung dargestellt. Dadurch wird auch die Verantwortung für deutsche Verbrechen implizit auf Opfer israelischer Gewalt verlagert. Deutschland rechtfertigt somit sein Bekenntnis zu israelischem Siedlerkolonialismus und den aus ihm seit Jahrzehnten resultierenden Menschenrechtsverletzungen, und letztendlich dem Völkermord in Gaza, mit dem angeblichen Schutz des jüdischen Lebens und dem Kampf gegen Antisemitismus.
Nicht Schuld, sondern Reputation und wirtschaftliche Interessen sind im Fokus
Diese dominante Holocaust-zentrierte Erzählung dient dazu, den Anschein von Schuld und Moral zu erwecken - doch ist dieser Diskurs lückenhaft und selektiv. Obwohl er zum Teil eine Auseinandersetzung mit dem Holocaust einschließt, liegt der Fokus oft auf der Absolution der Täter. Auch wird der Holocaust oft als eine Ausnahme in der deutschen Geschichte und nicht als Resultat eines strukturellen Rassismus dargestellt.
Tatsächlich ging es in diesem Diskurs aber stets vielmehr um die Reputation Deutschlands. So priorisierte Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg eher die Rehabilitation der Bundesrepublik, deren wirtschaftlichen Wiederaufbau und Integration in die internationale Gemeinschaft. Das Versäumnis einer tatsächlichen Entnazifizierung sowie die Kontinuität des deutschen Antisemitismus nach 1945 wird selten thematisiert. Stattdessen wurde ein Konzept von Schuld international vermarktet, ohne dass es einen vollständigen Bruch mit der Vergangenheit gegeben hat. Dass sich Adenauer zum Beispiel antisemitischer Vorurteile bediente, um die Aufnahme von Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Staat Israel zu initiieren, ist weniger bekannt.
Durch seine politisierte Vergangenheitsbewältigung und damit verbundene positive Konstruktion eines deutschen Nationalbefindens, hat Deutschland eine paradoxe Narrative perpetuiert, die einerseits den Anschein erwecken zu versucht, dass das Land aus seiner Geschichte gelernt habe und gleichzeitig diese Illusion als Rechtfertigung für weitere Gräueltaten präsentiert.
Eine Geschichte geprägt von Kontinuität
Deutschlands Rolle im Genozid in Gaza ist keine Ausnahme, sondern eine Kontinuität dieser Politik. Rassismus, und insbesondere anti-palästinensisches Gedankengut, wirtschaftliche und militärische Interessen sowie die Loyalität gegenüber den USA prägen auch heute die deutsche Position.
Während Deutschland sich, seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts, international als ethisch und moralisch verantwortlich handelnder Akteur vermarktet, ist seine Geschichte sowohl vor als auch nach dem Holocaust von Gewalt geprägt, die nicht Teil der dominanten Historiographie ist.
Deutschlands derzeitige Verteidigung des israelischen Regimes vor dem Internationalen Gerichtshof wurde scharf mit “tiefer Besorgnis” von der Regierung Namibias zurückgewiesen “angesichts der Unfähigkeit Deutschlands, aus seiner schrecklichen Geschichte zu lernen.” Deutschland hatte, im Zuge seiner Kolonialisierung, den ersten Völkermord des zwanzigsten Jahrhunderts begangen und “bis heute nicht vollständig für diesen Genozid auf namibischem Boden Wiedergutmachung geleistet.” Dieser Völkermord ist nicht Teil der Erinnerungskultur und vielen Deutschen bis heute unbekannt. In diesem Kontext äußerte die Regierung Namibias: ”Deutschland kann moralisch gesehen nicht gleichzeitig sein Bekenntnis zur UN-Genozidkonvention, einschließlich der Wiedergutmachung für den Genozid in Namibia, bekräftigen und gleichzeitig ein Vorgehen unterstützen, das einem Holocaust und Genozid in Gaza gleichkommt.” Deutschlands lange Unterstützung für das rassistische Apartheidregime in Südafrika, welches auch eng mit dem israelischen Regime alliiert war, ist ein weiteres Beispiel für die Kontinuität rassistischer Politik im Globalen Süden, aus der keine Schlüsse gezogen wurden, die das propagierte Image Deutschlands als moralisch handelnd rechtfertigen könnten.
Im Gegenteil. Der Rhetorik über angebliche Menschenrechte steht die Realität einer kontinuierlichen, menschenverachtenden und rassistischen Politik gegenüber.
Israel als Instrument
In seiner Rede vor der UN-Generalversammlung hat Netanjahu, gegen den ein Strafbefehl wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof vorliegt, in seinen Versuchen israelische Kriegsführung zu rechtfertigen, den deutschen Bundeskanzler zitiert. Im Juni dieses Jahres rechtfertigte Merz den von den USA unterstützten israelischen Angriffskrieg auf den Iran mit der Behauptung, Israel mache “in Iran Drecksarbeit für uns”. Die israelischen Angriffe auf die zivile Infrastruktur Irans töteten mehr als eintausend Iraner und verletzten mehrere Tausend. Das Lemkin-Institut für Genozidprävention und Menschliche Sicherheit verurteilte Merz’ Aussage, welche mit organisierter Kriminalität und illegalen Hinrichtungen assoziiert wird und auch von Nazi-Funktionären zur Rechtfertigung ihrer Taten verwendet wurde.
Doch spiegelte diese, teilweise auch in Deutschland als kontrovers gewertete, Aussage von Merz transparent die geopolitischen Machtverhältnisse wider.
Israel repräsentiert in der Tat ein Instrument, das dem Westen für imperialistische Politik in der Region Westasiens dient. So unterstützt Deutschland nicht nur die israelische Politik in Palästina, sondern die anhaltenden israelischen Angriffe auf die Region, vom Libanon bis zum Iran. Diese werden als Schutz sogenannter westlicher Zivilisation gegen Gegner gerechtfertigt, die im rassistischen politischen und Mediendiskurs seit Langem dehumanisiert oder als terroristische Gefahr konstruiert wurden.
Doch kommt die Fragilität des dominanten Diskurses weiter zum Vorschein – vor allem im Globalen Süden. International gehört Deutschland nunmehr einer kleinen Minderheit von Staaten an, die weiterhin ideologisch auf der Seite Israels stehen. Auch im Inland ist die Diskrepanz zwischen der offiziellen Politik und der öffentlichen Meinung signifikant. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung sieht den Genozid als solchen. Demonstration gegen den Genozid nehmen, trotz Hürden, auch in Deutschland zu.
Es stellt sich die Frage, wie lange Deutschland in der Lage sein wird imperialistische und kolonialistische Politik durch rassistische Hierarchien und Entmenschlichung zu rechtfertigen und dabei die Narrative der Vergangenheitsbewältigung als Schutzschild zu nutzen.

















