29. Juli 2021: Waldbrände in Marmaris (AA)
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Der in den vergangenen Tagen zeitgleich in vielen Städten der Türkei wie Antalya, Mersin, Adana, Kayseri, Osmaniye, Aydın, Manisa, Kocaeli, Kütahya und Muğla geführte Kampf gegen die lodernden Waldbrände nährt den Verdacht, dass es sich bei dem Täter um die PKK handelt, die seit den 1990er Jahren verschiedene Formen des Ökoterrors einsetzt. Obwohl sich die PKK bisher noch nicht zu den Waldbränden bekannt hat, weisen Konten der Organisation in den sozialen Medien daraufhin, dass diese Waldbrände von autonomen Untergruppen gelegt wurden.

Der Begriff des Umweltterrorismus

Umweltterrorismus, der in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur auch als „das neue Gesicht des Terrors“ bezeichnet wird, ist eine Terrormethode, bei der Teile der Natur zu Zielen terroristischer Organisationen werden. Der Umweltterrorismus wird seit vielen Jahren von terroristischen Organisationen aufgrund des vergleichsweise geringen technologischen und personellen Aufwands und der mitunter fatalen Auswirkungen eingesetzt. Die verbreitetste Methode des Umweltterrors sind Waldbrände. In den Quellen wird konstatiert, dass Menschen oder Gruppen mit einer religiösen oder ideologischen Agenda eher auf Methoden des Umweltterrorismus zurückgreifen. Denn auf diese Weise können Einzelpersonen oder Organisationen ihre Taten moralisch legitimieren. Während terroristische Organisationen durch Waldbrände die politische Regierung des Ziellandes zermürben wollen, verursachen sie gleichzeitig großen wirtschaftlichen und ökologischen Schaden. Darüber hinaus suggerieren die Organisationen die Wahrnehmung einer großen Schlagkraft und zielen darauf ab, auf sozialer Ebene psychologischen Druck zu erzeugen. Studien zeigen, dass von 1968 bis 2005 insgesamt 56 verschiedene Terrororganisationen Methoden des Umweltterrors wie Waldbrände und Brandstiftungen eingesetzt wurden. Terrororganisationen haben neben der Türkei auch in Staaten wie Frankreich, Spanien, USA und Griechenland Waldbrände entfacht. So wurde 2003 ein Vorort in Frankreich mit Molotow-Cocktails angegriffen, und vier Menschen kamen ums Leben. Offizielle Behörden bestätigten, dass der Angriff wohl ein Akt des Ökoterrorismus war. In ähnlicher Manier forderte eine Organisation namens „Einrichtung für Waldbrände“, sowjetische Statuen in Estland nicht zu entfernen und drohte mit Waldbränden.

PKK und das Entfachen von Waldbränden

Seit den 1990er Jahren setzt die PKK vermehrt Methoden des Ökoterrors ein. PKK-Terroristen entfachten an touristischen Orten Waldbrände, um dem Tourismus, der einen wesentlichen Beitrag zur türkischen Wirtschaft leistet, zu schaden und den Eindruck zu verfestigen, die Türkei sei kein sicheres Land. Die PKK, die auch heutzutage Methoden des Ökoterrorismus anwendet, greift insbesondere dann auf diese Methoden zurück, wenn sie durch Terrorbekämpfung ihre operativen, technologischen und wirtschaftlichen Kapazitäten verliert. Mit diesen Sabotageakten strebt die Organisation nicht nur die Erzeugung von Angst in der Gesellschaft an, sondern versucht auch der eigenen Basis das Bild zu vermitteln, sie sei noch immer eine schlagkräftige Organisation.

Für die Legitimierung ihrer Methoden des Ökoterrorismus erklärt die PKK, diese Brände würden auch deshalb gelegt, um sich an den türkischen Streitkräften (TSK) zu rächen. So dient dies der PKK als moralische Rechtfertigung, wie in den Quellen zum Ökoterrorismus festgestellt wird, mit der Behauptung, sie habe „Recht“, wenn sie Waldbrände entfacht, da sie ein ideologisches Ziel verfolge. Diese Waldbrände führt die Organisation mittels Untergruppen durch, die über eine autonome Struktur verfügen. Da Teile der Umwelt in den letzten Jahren zunehmend als schutzbedürftig betrachtet werden und es wie im Rest der Welt auch in der Türkei ein zunehmendes Umweltbewusstsein gibt, bevorzugt es die PKK bei den von ihr initiierten Sabotageakten Untergruppen einzusetzen, um die politische Führung zu schwächen und wirtschaftlichen Schaden anzurichten. Aus diesem Grund übernimmt die PKK nicht direkt die Verantwortung für diese Brandstiftungen. Tatsächlich hieß es in den Aussagen einiger PKK-Aussteiger, dass die Terroristen, die diese Akte des Ökoterrors verübten, angewiesen wurden, ihre organische Verbindung zur PKK zu leugnen und ihre Beziehungen zur PKK nicht preiszugeben, sondern Anweisungen über die Medien zu verfolgen und anhand dieser Terrorakte zu verüben. Während die Organisation damit also versucht, die politische Führung im Land zu schwächen und sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch ernsthafte Schäden anrichtet, setzt sie auch die Gesellschaft einer psychologischen Last aus und vermittelt der eigenen Basis die Botschaft, dass sie noch immer aktiv ist. Die PKK überlässt also Akte, deren Erklärung und Verantwortung schwer zu tragen und kaum vermittelbar sind ,etwa Brandstiftungen und Massaker, ihren Untergruppen.

Aufgrund der effektiven Terrorbekämpfung insbesondere nach dem Putschversuch am 15. Juli 2016 verlor die Organisation an den Grenzen der Türkei und darüber hinaus weitgehend ihre Schlagkraft und setzte ihre Aktivitäten daher überwiegend mit vergleichsweise weniger aufwendigen Methoden des Ökoterrorismus fort. Interessanterweise finden all diese Anschläge, auch wenn sie von PKK-nahen Untergruppen durchgeführt werden, in der internationalen Berichterstattung keine Erwähnung. In unserer Analyse mit dem Titel „Ökoterrorismus und Brandstiftungen der PKK“, die wir mit Oğuz Güngörmez erstellt haben, konnten wir feststellen, dass diese Art von Nachrichten in Portalen mit hoher internationaler Reichweite und eigenem türkischem Dienst nicht verbreitet werden, obwohl sich die Untergruppe mit dem Namen „Kinder des Feuers“ zu den Waldbränden 2019 bekannt hatte. So gelangten 2019 nur drei von den in der Türkei veröffentlichten 172 Nachrichten über Waldbrände mit Bezug zur PKK in die internationale Presse. Dies verdeutlicht, dass die internationalen Medien trotz ihrer höheren Prinzipien bei der Berichterstattung die Verbrechen der PKK wie etwa den Einsatz von Kindersoldaten, die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern innerhalb der Organisation, den Drogenschmuggel und ihre Brandstiftungen mit Methoden des Ökoterrorismus ignorieren.

Dass in den letzten Tagen in vielen Provinzen der Türkei fast zeitgleich Waldbrände ausgebrochen sind und die PKK seit den 1990er Jahren insbesondere in den Sommermonaten immer wieder auf umweltterroristische Methoden zurückgegriffen hat, verstärkt den Verdacht, dass die PKK hinter diesen Bränden steckt. Denn obschon die Verantwortung für die Waldbrände von der PKK noch nicht übernommen wurde, heißt es in den Social-Media-Accounts der Organisation, dass Untergruppen die Wälder sabotieren. Es ist unbestreitbar, dass die PKK, auch wenn sie immer versucht hat, sich als feministische oder gar Umweltorganisation zu inszenieren, verstärkt auf umweltterroristische Methoden zurückgreift, weil sie ihre militärische Handlungsfähigkeit verliert. Diese Realität wird jedoch von den internationalen Medien oft ignoriert.

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