Ein Start-up-Unternehmen in der Türkei (AA)
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Technologieunternehmen spielen in der heutigen Zeit des zunehmenden Wettbewerbs und der Globalisierung eine entscheidende Rolle für die Wirtschaft und Entwicklung eines Landes. Damit einhergehende Entwicklungen tragen erheblich zum Wohlstand und zur Transformation des Landes bei. Traditionelle Handels- und Handwerkspraktiken verändern sich mit der Entwicklung von Technologien. Auch Schwellenländer legen großen Wert auf den Ausbau technologielastiger Sektoren, um das notwendige Wachstum weiter aufrechtzuerhalten und Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen. In diesem Sinne erscheint es nahezu unmöglich, sich aus dem herrschenden Wettbewerb globaler Wirtschaftsmächte herauszuhalten, da die Welt von Tag zu Tag kleiner wird und die physischen Grenzen im Wirtschaftssystem zunehmend verschwinden. In den letzten Jahren wurde das unternehmerische Potenzial erkannt und die Infrastruktur durch die Unterstützung von Staat und Privatwirtschaft ausgebaut.

Transformation der Technologieunternehmen

Während die Türkei bereits in den 1980er Jahren Anstrengungen unternahm, Technologieentwicklungsgebiete einzurichten, datiert die institutionelle Festlegung eines Rechtsrahmens für Technologiezentren auf das Jahr 2001. Für die Entwicklung eines Technologie-Ökosystems wurden bedeutende Technologieentwicklungsgebiete beziehungsweise Technoparks eröffnet und von staatlichen Institutionen unterstützt, um Technologieentwicklung und kommerziellen Erfolg zu fördern. Laut Daten des türkischen Ministeriums für Industrie und Technologie vom November 2021 sind seit dem Jahr 2001 bis dato von 89 errichteten Technologieentwicklungsgebiete 73 aktiv, darunter die in Istanbul und Ankara, während die Bauarbeiten von 16 weiteren vor der Abschluss stehen. In diesen Gebieten haben sich insgesamt 7226 Firmen mit einem aktuellen Gesamtumsatz von 135,6 Milliarden Lira niedergelassen.

Junge Bevölkerung und Unternehmergeist

Die junge Bevölkerung der Türkei ist einer ihrer wertvollsten Schätze. So sind 8 Millionen Menschen in einer Hochschule eingeschrieben, und das Durchschnittsalter beträgt 32,7 Jahre. Im Vergleich zu europäischen Staaten weist die Türkei eine junge und dynamische Bevölkerungsstruktur auf. Mit dieser jungen Bevölkerung verändert die Türkei durch moderne Technologieunternehmen aktiv in den Bereichen E-Commerce, Spiele und Software die Rolle traditioneller Wirtschaftsunternehmen des Landes. Marktvertreter dieser neuen Generation wie Getir, Hepsiburada, Peakgames und Trendyol haben es geschafft, sowohl durch das Eintreiben ausländischer Investitionen als auch durch eine Akquisition im Ausland zu den wertvollsten Unternehmen in der Türkei aufzusteigen. Trendyol ist mit vereinnahmten Investitionen von über 10 Milliarden Dollar das erste Decacorn der Türkei. Ebenso ist es Getir mit seiner erfolgreichen Expansionspolitik gelungen, in vielen Ländern Tochtergesellschaften zu eröffnen und Investitionen von über 7,5 Milliarden Dollar zu sammeln, was es zum zweiten Decacorn der Türkei macht. Der Erfolg von Getir ist symbolisch für den großen Wandel der Technologiebranche des Landes.

Istanbul Valley für Spielentwicklung

Neben E-Commerce-Plattformen ziehen türkische Spieleentwickler die Aufmerksamkeit von Investoren aus dem Unterhaltungssektor auf sich. Viele internationale Unternehmen investieren in der Türkei weiterhin Milliarden von Dollar in den dortigen elektronischen Spielesektor. 2018 kaufte das US-Unternehmen Zynga die Firma Peak Games für 1,8 Milliarden US-Dollar. Große Investitionen von Firmen wie Insider, Firefly, Akinon und Tarfin machen in diesen unruhigen Zeiten vielen Hoffnung. Das gleiche Unternehmen erwarb auch die Firma Rollic Games für 168 Millionen Dollar. Ein weiteres chinesisches Technologieunternehmen, Tencent, kaufte Masomo für 100 Millionen US-Dollar auf. Viele Unternehmen, die ebenfalls in der Spieleentwicklung aktiv sind, entwickeln mit Hochdruck neue Produkte und Technologien für dieses Segment. Türkische Spiele erfreuen sich auch im Vergleich mit ausländischen Mitbewerbern bei Nutzern großer Beliebtheit, was die hohen Download-Zahlen eindrucksvoll unterstreichen.

Vor allem die Übernahme von Peak Games durch ein US-Unternehmen kam einer Initialzündung und einer wichtigen Motivationsquelle für die Start-up-Szene in der Türkei gleich. Auffällig ist, dass türkische Technologieunternehmen insbesondere 2021 mehr Investitionen einsammeln konnten als in den letzten 4 Jahren davor. Auch die Tatsache, dass Delivery Hero, eine der weltweit führenden Plattformen für Onlinebestellungen, nach Berlin und Singapur nun auch in Istanbul investiert hat, ist ein eindrucksvolles Beispiel für diesen Trend.

Jüngst stieg das türkische Start-up Dream Games mit eingenommenen Investments in Höhe von 155 Millionen Dollar und einer Bewertung von einer Milliarde Dollar zum neuen Unicorn des Landes auf. Mit seinem ersten veröffentlichten Spiel, Royal Match, wurde das Produkt in nur drei Monaten zu einem der 20 umsatzstärksten Spiele in den USA und Deutschland.

Digitaler Umbruch verändert die Unternehmen

Nicht nur Start-ups im Technologiebereich, sondern auch vormals traditionelle Unternehmen sind bestrebt, mit der Nutzbarmachung von Informationstechnologien die erforderliche Transformation voranzutreiben. Insbesondere der Einzelhandel gehört zu den Wirtschaftsbereichen mit der rasantesten Entwicklung. Es wird erwartet, dass sich dieser Wandel, der durch die Pandemie beschleunigt wurde, in diesem Tempo fortsetzen wird. So wurde der Onlinehändler Trendyol bereits 2010 gegründet und liefert heute mehr als eine Million Pakete pro Tag an mehr als 30 Millionen Kunden aus. Dabei gehört die Tochter Trendyol Tech zu einem der führenden Forschungs- und Entwicklungszentren (F&E) der Türkei.

Türkische Start-ups auf dem Weg zu globalen Marken

Türkische Start-ups zeichnen durch die Einführung zahlloser Innovationen bei Unternehmenssoftware, E-Commerce und Zahlungssystemen für bedeutende Erfolge verantwortlich. Ebenso treiben Faktoren wie der Ausbau von Gründerzentren und die Ausweitung staatlicher Unterstützungen den Erfolg türkischer Unternehmer in diesem Wirtschaftssektor voran. Folgerichtig ist der E-Commerce-Anteil in der Türkei in nur drei Jahren von 3,5 Prozent auf heute 10 Prozent gestiegen. Nach Angaben der staatlichen Investitionsförderungs- und Entwicklungsagentur gehören türkische Start-ups derzeit zu den Top 10 in Europa. Ahmet Burak Dağlıoğlu, Leiter des türkischen staatlichen Investitionsbüros, sagt, der Erfolg sei auf die junge und technisch affine Bevölkerung des Landes zurückzuführen. Tatsächlich titelte die Financial Times „Wie wurde die Türkei zum Technologiestern Europas?“, womit sie ihren Lesern in einer Analyse vor Augen führte, wie erfolgreich Start-ups mit den jüngst verbuchten Investitionen bereits sind. Viele Investoren verfolgen mit Interesse das junge Bevölkerungspotenzial der Türkei und ihre dynamische Start-up-Szene. Das wiederum ermutigt einerseits inländische Unternehmer und zieht andererseits weitere Investoren an.

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