Die von der Bundeswehr herausgegebene Aufnahme zeigt einen Lenkflugkörper Taurus im Rahmen der Übung „Two Oceans“ über See. / Photo: DPA (dpa)
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In den USA herrscht nach Angaben des früheren Nato-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen Unverständnis darüber, dass die Bundesregierung weiterhin eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ablehnt. „Weder in der US-Regierung noch in republikanischen Kreisen gibt es Verständnis dafür, dass Deutschland weiter die Lieferung von Taurus verweigert“, sagte Fogh Rasmussen der „Welt am Sonntag“.

Der Däne sondiert demnach derzeit in Washington im Auftrag des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Pläne für eine neue Sicherheitsstrategie. Diese solle Mitte Mai vorgestellt werden.

US-Präsident Joe Biden hatte bereits im März angeordnet, dass Kiew ATACMS-Raketen mit größerer Reichweite bekommt. Weitere Lieferungen wurden mit dem am Dienstag von den USA beschlossenen neuen Hilfspaket freigegeben. Vorgesehen ist eine Lieferung von Kurzstreckenraketen vom Typ ATACMS mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern. Zuvor hatten die USA nur ATACMS mit einer Reichweite von 165 Kilometern geliefert.

US-Entscheidung macht Druck auf Deutschland

Mit der US-Entscheidung wächst der Druck auf Deutschland, Taurus-Marschflugkörper an die ukrainische Armee zu liefern. Der Taurus hat allerdings eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern. Damit könnte der Marschflugkörper russisches Staatsgebiet von der Ukraine aus erreichen und etwa dortige Waffendepots und Kommandozentralen zerstören.

Der mögliche Beschuss von russischem Staatsgebiet ist ein Grund für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der Lieferung nicht zuzustimmen. Als weiteren Grund nennt er die aus seiner Sicht bestehende Notwendigkeit deutscher Beteiligung bei der Zielführung der Marschflugkörper, durch die Bundeswehr-Angehörige direkt an Einsätze beteiligt wären. Befürworter von Taurus-Lieferungen weisen diese Argumente zurück.

Rasmussen sagte der „WamS“ mit Blick auf die Taurus-Debatte, schon bei der Lieferung von Leopard-2-Panzern sei die Situation ähnlich gewesen: „Monatelang diskutiert die deutsche Regierung, um dann die richtige Entscheidung zu treffen.“

Rasmussen kann Deutschlands Entscheidung nicht nachvollziehen

Es sei „nicht einfach, diese Kommunikationsstrategie zu verstehen“, fügte der frühere Nato-Generalsekretär hinzu. Denn Deutschland bekomme auf diese Weise „am Ende viel zu wenig Anerkennung angesichts der Hilfen, die es leistet“. Schließlich stelle Deutschland nach den USA die meisten Militärhilfen für die Ukraine zur Verfügung. „Warum übernimmt Berlin hier keine Führungsrolle?“, kritisierte Rasmussen.

Die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper wäre aus seiner Sicht auch deshalb bedeutend, weil F-16-Kampfjets damit bestückt werden könnten. "Die Russen haben die Lufthoheit, die Ukrainer kommen nur schwer voran, wenn sie sich nicht vor Luftangriffen schützen können", hob Rasmussen hervor.

F-16 in Kombination mit Taurus-Geschossen seien „ein machtvolles Instrument für diesen Krieg – was zusätzlich Druck auf Berlin macht“. Rasmussen erwartet nach eigenen Angaben, dass die ersten F-16-Kampfjets vor dem Nato-Gipfel Anfang Juli an die Ukraine geliefert werden können.

AFP