Strafanzeige wegen möglichen Geheimnisverrats im Verteidigungsausschuss
Der Verteidigungsausschuss im Bundestag hat Strafanzeige gestellt. Der Vorwurf lautet auf Weitergabe von sensiblen Geheimdienstinformationen zur Ukraine an Medien. Es geht um angebliche Abhörprotokolle rund um getötete Zivilisten in Butscha.
Die deutsche Fahne vor dem Bundestag.  (DPA)

Wegen mutmaßlichen Geheimnisverrats aus streng vertraulichen Sitzungen hat die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Strafanzeige gestellt. Dies bestätigte ihr Büro am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP, nachdem zuerst das Magazin „Focus“ darüber berichtet hatte. Demnach geht es um den Verdacht, dass brisante Informationen zur Lage in der Ukraine an Medien weitergegeben worden wären.

Protokolle sollen angebliche Folterbefehle beweisen

Die Strafanzeige sei bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt worden, teilte Strack-Zimmermanns Büro AFP mit. Der aktuelle Fall betrifft die Weitergabe angeblicher Abhörprotokolle, welche die Verantwortlichkeit russischer Soldaten für Massaker an der ukrainischen Bevölkerung in Butscha bei Kiew beweisen sollen. Davon sind laut „Focus“ auch zwei internationale Partnerdienste betroffen, die jetzt um die Geheimhaltung ihrer vertraulichen Informationen fürchteten.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll Funkgespräche innerhalb der russischen Armee abgefangen haben, die detailliert die Ermordung ukrainischer Zivilisten dokumentieren. „Focus“ zufolge prahlten Putins Soldaten unter anderem mit der Erschießung eines älteren Radfahrers und brutalen Foltermethoden bei Verhören. Die mitgeschnittenen Funksprüche belegen den Angaben zufolge zudem, dass Offiziere ihre Mannschaften angewiesen haben, Angst und Schrecken zu verbreiten und die Menschen damit zur Flucht zu zwingen.

„Geschwätzigkeit stärker als der Geheimschutz“

Der BND legte die Abhörprotokolle vergangene Woche dem für Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) vor. Kopien gingen auch dem Verteidigungs- und dem Auswärtigen Ausschuss zu. Hier werden laut „Focus“ die undichten Stellen vermutet, die jetzt von der Staatsanwaltschaft gefunden werden sollen.

Nach Bekanntwerden der Abhörprotokolle sollen die russischen Militärs die überwachten Funkkanäle abgeschaltet haben, hieß es in dem „Focus“-Bericht. Damit sei laut NATO-Kreisen zugleich der Zugang zu weiteren militärischen Informationen versperrt worden.
„Geheimnisverrat ist im Bundestag offenbar zur Routine geworden“, sagte der frühere Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Thomas Silberhorn (CSU), zu „Focus“. „Die Geschwätzigkeit ist stärker als der Geheimschutz!“

DPA