Missbrauchsbeauftragter: Kindesmissbrauch muss „Chefsache“ werden
Missbrauchsbeauftragter Rörig wirft den Landesregierungen schwere Versäumnisse vor. Der Kampf gegen Kindesmissbrauch müsse nun endlich zur „Chefsache“ gemacht werden.
Missbrauchsbeauftragter: Kindesmissbrauch muss „Chefsache“ werden (DPA)

Angesichts einer Reihe von Missbrauchsskandalen hat der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, den Landesregierungen schwere Versäumnisse vorgeworfen. Rörig kritisierte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, „dass neben Nordrhein-Westfalen nicht alle anderen Bundesländer aktiver geworden sind nach den Fällen in Staufen, Bergisch Gladbach, Lügde und Münster“. Sie müssten den Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch nun endlich zur „Chefsache“ machen. Die Politik brauche immer erst Skandale, um Konsequenzen zu ziehen, kritisierte Rörig. Bei den Landesregierungen erlebe er eine fatale Sturheit, die „unverantwortlich“ sei. „Das regt mich richtig auf“, sagte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung der „NOZ“. „Man darf die Dinge nicht einfach so laufen lassen und nur hoffen, dass das eigene Bundesland nicht von einem Skandalfall betroffen ist.“

„Endlich eine ordentliche Defizit- und Bestandsanalyse machen“

Die Bundesländer müssen aus Rörigs Sicht „endlich eine ordentliche Defizit- und Bestandsanalyse machen“ hinsichtlich aller Behörden, die dem Kindeswohl dienen: Jugendämter, Ermittlungsbehörden und Justiz. „Wir müssen wissen: Wie ist die Arbeitsbelastung? Fehlt Personal? Ist Raum für kritische Reflexion im Team? Wie ist der Qualifizierungsstand?“, skizzierte Rörig den Handlungsbedarf.

Er hob hervor, auch den Landesregierung sei bewusst, dass es bei Kindesmissbrauch ein sehr großes Dunkelfeld gebe. „Es geht folglich um das Schicksal von vielen Tausend Jungen und Mädchen", sagte Rörig der „NOZ“. „Ihr Wohl zu schützen, muss sich jedes Land auf die Fahnen schreiben.“ Lobende Worte fand Rörig für das Reformpaket von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). „Viele unserer Forderungen finden sich darin wieder – zum Beispiel, dass sexueller Kindesmissbrauch kein Vergehen ist, sondern ein Verbrechen“, sagte er. Außerdem sei es erfreulich, dass die Bundesregierung sich nicht auf das Strafrecht beschränke, „sondern das Gesamtbild vor Augen hat, also auch die Prävention, das notwendige Zusammenspiel von Jugendämtern, Ermittlungsbehörden und Familiengerichten, Landesmissbrauchsbeauftragte und vieles mehr“. Allein in den vergangenen eineinhalb Jahren hatten Ermittler mehrere schwere Missbrauchsserien an Kindern aufgedeckt. So waren auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde jahrelang zahlreiche Kinder missbraucht worden. Aktuelle Ermittlungen richten sich gegen Pädophilennetzwerke, denen die nordrhein-westfälische Polizei nach Missbrauchstaten in Bergisch Gladbach und in Münster auf die Spur kam. Die Straftaten und ihr Ausmaß lösten bundesweit Entsetzen aus.

AFP