50er-Inzidenz: Mediziner begrüßen Abkehr – Lauterbach fordert Wachsamkeit
Intensivmediziner begrüßen die Abkehr von der 50er-Inzidenz als zentralem Corona-Maßstab. Die Entwicklung in Krankenhäusern müssten aber weiter beobachtet werden. Indes warnt SPD-Politiker Lauterbach davor, die Inzidenzwerte zu vernachlässigen.
24.03.2021, Berlin: Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der SPD, gibt ein Interview. (DPA)

Die Vereinigung der Intensivmediziner hat die Abkehr von der 50er-Inzidenz als zentralem Maßstab in der Pandemie begrüßt. „Wir befürworten den Beschluss von Gesundheitsminister Spahn“, sagte Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Er verwies dabei unter anderem auch auf die steigenden Impfquoten.

Die Inzidenz werde trotzdem weiterhin beachtet und bleibe für die Entwicklung im Gesundheitswesen „relevant“, betonte Marx. Es gebe generell einen Zusammenhang zwischen der Zahl der Neuinfektionen und der Krankenhausbelegung. Derzeit stelle diese aber „überhaupt kein Problem“ dar. Die Lage müsse jedoch täglich beobachtet werden.

„Inzidenzwerte nicht vernachlässigen“

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat davor gewarnt, die Inzidenzwerte bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie zu vernachlässigen. „Wenn die Inzidenzzahlen weiter so steigen, gehen die Ungeimpften voll ins Risiko - einschließlich der Kinder“, sagte Lauterbach am Dienstag dem „Spiegel“. Er bezeichnete es als „zynisches Experiment, die Jüngsten einer Krankheit auszusetzen, vor der viele Erwachsene Angst haben“.

Er gehe davon aus, dass fünf Prozent der erkrankten Kinder unter Long-Covid-Symptomen leiden könnten, sagte Lauterbach. Angesichts stark steigender Fallzahlen brauche es eine Grundsatzentscheidung: „Entweder wir entschließen uns, die Inzidenzen weiter zu begrenzen, dann wären unpopuläre Maßnahmen nötig. Oder wir ignorieren die Inzidenzzahlen künftig weitgehend, dann geben wir den Schutz der Ungeimpften auf.“

Nach Ansicht Lauterbachs wäre eine „Durchseuchung der Bevölkerung“ die Folge. „Dahinter steht die Haltung: Wer krank wird, ist selber schuld“, kritisierte der SPD-Politiker.

Hospitalisierungsquote statt 50er-Inzidenz

Aktueller Hintergrund der Debatte um die Bedeutung der Inzidenzwerte ist die geplante Abkehr von der 50er-Inzidenz als zentralem Maßstab in der Pandemie-Bekämpfung. Die Bundesregierung will diesen Wert nach eigenen Angaben aus dem Infektionsschutzgesetz streichen. Bislang dient er als eine zentrale Schwelle für die Einführung von Schutzmaßnahmen und Beschränkungen.

Lauterbach fordert weitere Corona-Maßnahmen

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz steigt aktuell wieder stark an. Am Dienstag lag sie bei 58, am Montag waren es 56,4. Die Sieben-Tage-Inzidenz gibt die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche an.

Lauterbach forderte angesichts der steigenden Zahlen weitere Corona-Maßnahmen. „Nur weil Wahlkampf ist, sollten wir uns nicht vom Schutz der Menschen verabschieden“, sagte der SPD-Politiker. Er plädierte dafür, „mit juristischem Fingerspitzengefühl an einer 2G-Lösung zu arbeiten“: Zu Clubs, den Innenräumen von Restaurants oder Fitnessstudios sollten dann bei hohen Inzidenzen nur Geimpfte oder Genesene Zutritt haben.

AFP