Frankreichs EU-Ratspräsidentschaft und die Wahlen im Land
Im April stehen in Frankreich Wahlen an, die in zwei Runden stattfinden. Könnte die EU-Ratspräsidentschaft Frankreichs unter Präsident Macron diesem einen Vorteil verschaffen?
Frankreich hat am 1. Jänner  die EU-Ratspräsidentschaft übernommen.  (AP)

Mit den anstehenden Wahlen im April wird in Frankreich der neue Präsident für die nächsten fünf Jahre gewählt. Im Vergleich zum Duell zwischen Macron und Le Pen bei der letzten Wahl scheinen die Verhältnisse in diesem Jahr etwas komplizierter zu sein. Je näher der Wahltermin rückt, desto deutlicher treten die Kandidaten hervor. Der bisher aufsehenerregende Name der anstehenden Wahl ist der neue Kandidat der extremen Rechten, Eric Zemmour, der mit seinen Äußerungen häufig Aufmerksamkeit erregt. Neben Le Pens scheinen die Aussagen Zemmours zum Konservatismus und gegen Migranten beziehungsweise den Islam häufiger rezipiert zu werden, was innerhalb der extremen Rechten zu einer neuen Rivalität geführt hat. Anders als 2017 verfolgt Le Pen diesmal ein gemäßigteres Wahlprogramm, um damit nicht nur Stimmen bei den rechtsextremen Wählern abzugreifen, sondern auch, für den Fall einer möglichen Stichwahl, eine breitere Wählerschicht anzusprechen. In diesem Zusammenhang deutet sich an, dass Le Pen versuchen wird, sich wie Angela Merkel als besonnene Führungsfigur zu inszenieren.

Macron, der bei den Wahlen 2017 mit Reformversprechen an die Macht kam, tut sich schwer damit, den Wählern etwas Neues in Aussicht zu stellen, nachdem die versprochenen Reformen zunächst durch die Proteste der Gelbwesten und dann pandemiebedingt ins Stocken geraten sind. Die republikanische Kandidatin Valérie Pécresse hingegen scheint grundlegend eine republikanische Politik zu verfolgen, da auch sie die Kandidatin sein könnte, die in der zweiten Runde Macron gegenüberstehen wird. Auf der anderen Seite kandidiert der Linkspolitiker Melenchon zum dritten Mal, und zudem wird neugierig erwartet, wie viele Stimmen die beliebte Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo im ersten Wahlgang erringen wird.

Was bedeutet die EU-Ratspräsidentschaft?

Der Vorsitz des Europäischen Rats der Regierungs- und Staatschefs wechselt alle sechs Monate zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Während der Amtszeit hat der Präsident die Möglichkeit, die Richtung des Rats, der den effektivsten politischen Entscheidungsmechanismus der EU bildet, zu lenken. Macrons Äußerungen vom 9. Dezember zeigten, welche Themen während der Ratspräsidentschaft Frankreichs, das erstmals seit 2008 wieder die Präsidentschaft übernommen hat, im Vordergrund stehen werden. Die Politik, die unter dem Motto „Verbesserung, Verstärkung und Zugehörigkeit“ zum Ausdruck kommt, betont die Errichtung eines „souveränen“ Europas, während sie dem Schutz der Grenzen und der Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik Priorität einräumt.

Als allgemeiner Reflex des französischen Präsidenten wird vermutlich auch Macron seine Präsidentschaft aktiv nutzen – ähnlich der aktiven Rolle, die Sarkozy in der vorangegangenen Amtszeit spielte – ,um die von ihm priorisierten Politiken umzusetzen und dabei insbesondere auf Länder wie Polen und Ungarn einzuwirken, wo die Idee einer Priorisierung der nationalen Souveränität auf größere Resonanz stößt als die europäische Souveränität, den Druck erhöhen und damit voraussichtlich neue Diskussionen auslösen. Darüber hinaus äußert der republikanische Präsidentschaftskandidat Pécresse seine Besorgnis darüber, dass die Ratspräsidentschaft von Macron missbraucht wird, um mehr Medienresonanz zu erlangen und während des Wahlprozesses die Agenda zu bestimmen.

Europaflagge am Pariser Triumphbogen sorgt für Aufruhr

Die Ereignisse, die mit dem Aufziehen der EU-Flagge am Arc de Triomphe begannen, der für Frankreich großen Wert hat, verdeutlichen exemplarisch, wie die Präsidentschaftswahlen und die französische EU-Ratspräsidentschaft zusammenwirken werden. Das Aufziehen der EU-Flagge anstelle der französischen Flagge am ersten Tag des neuen Jahres am Triumphbogen löste eine große Debatte im Land aus. Diese Initiative, die Macron mit dem Ansatz durchführte, die Idee der EU-Souveränität in den Vordergrund zu rücken, wurde nach heftigen Reaktionen vor allem rechter Politiker innerhalb eines Tages aufgegeben und die Fahne sofort wieder abgehängt.

Zunächst lehnte Le Pen dies entschieden ab und erklärte, die am Arc de Triomphe hängende EU-Flagge beleidige diejenigen, die sich für Frankreich geopfert hätten. Anschließend erklärte der republikanische Kandidat Pécresse, es wäre richtiger gewesen, die EU-Flagge zusammen mit der französischen Flagge aufzuziehen, so wie es Sarkozy 2008 getan hatte. Ähnlich harsche Reaktionen kamen von anderen rechten Politikern wie Zemmour. Das eilige Abhängen der EU-Flagge nach den Reaktionen wurde als „erster Sieg von Le Pen im Jahr 2022“ interpretiert, und es wurde konstatiert, die extreme Rechte habe bei den bevorstehenden Wahlen eine diskursive Dominanz erlangt. Obwohl es übertrieben erscheinen mag, diese Ereignisse als Sieg zu bezeichnen, scheinen die Vorfälle geeignet, die Rhetorik der extremen Rechten in den Vordergrund zu rücken, die damit Widerhall bei den Wählern finden kann.

Die Resonanz der Souveränitätsdebatten in der EU bei den extremen Rechten Frankreichs

Die Diskurse französischer Politiker, die besonders nationale Werte und das nationale Erbe Frankreichs gegenüber derjenigen Flagge betonen, die die gemeinsamen Werte der Union repräsentiert, stehen in einer ähnlichen Linie wie die Diskurse in Staaten wie Polen und Ungarn, die Probleme damit haben, Grundwerte der Union wie Rechtsstaatlichkeit anzuerkennen und stattdessen ihre nationale Unabhängigkeit gegenüber diesen Werten betonen. Die harschen Reaktionen der Franzosen auf das Aufziehen der EU-Fahne zeigten, dass sich die Verteidigung der nationalen Souveränität als Diskurs gegen die Integration der Union auch in Frankreich breitgemacht hat. Diese Situation wird es bei einer möglicherweise von Rechtsextremen geführten Regierung nach den Präsidentschaftswahlen schwierig machen, die bereits umstrittene Idee einer umfassenden Souveränität der Union zu verwirklichen.

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