Weltweites Medienecho für Nichtstun-Stipendium der Kunsthochschule Hamburg
Für das Nichtstun-Stipendium der Hamburger Kunsthochschule HFBK haben sich 1700 Interessenten beworben. Die drei Gewinner sollen bei der Ausstellung „Schule der Folgenlosigkeit. Übungen für ein anderes Leben“ berichten.
Weltweites Medienecho für Nichtstun-Stipendium der Hochschule Hamburg (Others)

Eine Inderin, die sich nicht mehr rechtfertigen möchte, ein afroamerikanischer Pfarrer, der sich nicht mehr fürchten will oder eine deutsche Lehrerin, die keinen Müll mehr produzieren will. Das Stipendium für Nichtstun der Hochschule für Bildende Künste Hamburg (HFBK) ist auf der ganzen Welt auf Interesse gestoßen. Die große Zahl und Vielfalt der Bewerber habe ihn absolut überrascht, sagte Projektinitiator Friedrich von Borries. Am Tag des Bewerbungsschlusses am Dienstag sitzt der Architekt und Professor für Designtheorie an einem langen, breiten Tisch in seinem Büro in der Hamburger Kunsthochschule. Allein an diesem Tag sind wieder gut 150 Briefe mit Bewerbungen bei ihm angekommen. Manche Umschläge sind bunt verziert, andere schlicht - auf einem steht in Großbuchstaben „NICHTS“. Mitten im Raum thronen drei bis oben hin gefüllte Kartons - Bewerbungen die von Borries bereit durchgeschaut hat. Aus der Fülle der Bewerbungen muss die Jury nun drei Gewinner küren. Jeweils ein einmaliger Betrag von 1600 Euro erwartet die drei Stipendiaten. Damit können sie ihr Nichtstun-Projekt verwirklichen. „Aus allen Teilen der Welt haben wir Bewerbungen bekommen“, sagt er. Bis zum Tag des Bewerbungsschlusses seien bereits 1700 Bewerbungen eingegangen. Der Projektinitiator geht davon aus, dass es am Ende mindestens 2000 sein werden - für die Frist gilt der Poststempel nicht das Eingangsdatum. Ursprünglich habe er lediglich mit 200 Zuschriften gerechnet.

„Eine grundsätzliche Frage, was man nicht tun will“

„Da sind tolle Sachen dabei!“, so von Borries. Aus Hongkong haben sich zum Beispiel demnach Demokratieaktivisten beworben, die ihre Mitstreiter im Fall einer Festnahme nicht verraten wollen. „Gleichzeitig bekommen wir aber auch die Bewerbungen, die ich ein Stück weit erwartet habe“, sagt von Borries und nennt beispielhaft Kapitalismuskritik („Ich möchte nicht mehr arbeiten für eine bestimmte Zeit“) oder Esoterisches („Ich möchte keine negativen Stimmungen mehr haben“). „Also eine ganz große Bandbreite von ökologischen bis hin zu politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen“, fasst er zusammen. „Wir haben ganz wenig Ulk“, so der Professor. Vielen Bewerbern gehe es darum, politisch zu handeln - und zwar im ganz Kleinen, im unmittelbaren Umfeld und entgegen eines selbst wahrgenommenen Ohnmachtsgefühls. „Sehr wenigen geht es tatsächlich um die 1600 Euro - sondern um eine grundsätzliche Frage, was man nicht tun will“, beschreibt von Borries das Bewerberfeld.

„Schule der Folgenlosigkeit“

Bei dem Stipendium handele es sich nicht um eine Karriereförderung, sondern um einen Impuls, Leute zu unterstützen in eine andere Richtung zu denken. „Das können auch gerne Leute sein, die sich auf das Sofa setzen und die Beine hochlegen“, so der Hochschullehrer. Die drei Gewinner sollen dann bei der Ausstellung „Schule der Folgenlosigkeit. Übungen für ein anderes Leben“, die von November an im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G ) zu sehen sein soll, berichten. Aber keine Bewerbung sei umsonst, betont von Borries. Alle Pläne für das Nichtstun würden im Rahmen der Ausstellung präsentiert. Das Geld habe die Leinemann Stiftung zur Verfügung gestellt. Überraschend für von Borries war auch das weltweite mediale Interesse an dem Stipendium. Berichtet haben unter anderem der „Guardian“, die BBC und Fox News. Von Borries hat nach eigenen Angaben Interviews mit Nachrichtensendern aus Indien, China, Russland, Bulgarien und Afrika geführt. Anfeindungen habe es hingegen kaum gegeben. Trotz der Menge der Bewerbungen habe er sich vorgenommen, vielen persönlich abzusagen. „Ich weiß gar nicht, wie ich das schaffen soll“, sagt von Borries. Eins möchte er ihnen aber schon jetzt mit auf den Weg geben: Sich trotzdem dem Nichtstun hinzugeben.

DPA