Tag der Einheit: Deutschland feiert 31 Jahre Wiedervereinigung
Deutschland feiert: Am 3. Oktober vor 31 Jahren vereinigte sich die DDR mit der Bundesrepublik. Doch immer noch klafft vieles in Ost und West auseinander - wirtschaftlich und auch politisch. Kanzlerin Merkel mahnt zu mehr Einsatz für die Demokratie.
03.10.2021, Sachsen-Anhalt, Halle (saale): Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in der Händel-Halle. (DPA)

Zum Tag der Deutschen Einheit hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen andauernden Einsatz für die Demokratie gefordert. „Demokratie ist nicht einfach da. Sondern wir müssen immer wieder für sie miteinander arbeiten, jeden Tag“, sagte die CDU-Politikerin beim Festakt am Sonntag in Halle an der Saale. Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU) warb für gemeinsame Projekte, um Ost und West zusammenzuführen, denn: „Mental und strukturell ist die Einheit noch nicht vollendet“.

Ergebnisse der Bundestagswahl klafften auseinander

Nach einer friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989 hatte sich der ostdeutsche Staat am 3. Oktober 1990 mit der Bundesrepublik vereinigt. Trotz milliardenschwerer Investitionen und großer Fortschritte im Zusammenleben sind Einkommen und Renten in beiden Teilen des Landes immer noch unterschiedlich. So verdienten Vollzeitbeschäftigte 2019 in den östlichen Bundesländern nach Angaben der Bundesregierung im Mittel knapp ein Viertel weniger als in den westlichen. Der Rentenwert soll erst 2024 gleich sein. Auch die Ergebnisse der Bundestagswahl am 26. September klafften auseinander, nicht nur für etablierten Parteien CDU, SPD, Linke, FDP und Grüne. In Thüringen und Sachsen war die rechtspopulistische AfD stärkste Partei geworden, während sie im Westen vielerorts schwächer wurde und nur einstellige Stimmenanteile hatte.

Probleme nicht mit „hohlen Phrasen oder markigen Parolen“ lösen

Bei einem Gottesdienst zum Auftakt des Jahrestags in Halle an der Saale mahnte der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige zur Widerständigkeit gegen populistische Kräfte und zu einer „Kultur der Wachsamkeit“. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz forderte auf Twitter eine weitere Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West.

Bischof Feige sagte in dem Gottesdienst, den Christen, Juden und Muslime gemeinsam feierten, populistischen Kräften müsse man kritisch und widerständig begegnen. Komplizierte Probleme ließen sich nicht mit „hohlen Phrasen oder markigen Parolen“ lösen.

Der Geistliche sprach auch von Abgründen, die er nicht mehr für möglich gehalten hätte. Er fürchte weniger eine „Überfremdung von außen“ als eine „Entmenschlichung von innen“. Eine „Kultur der Wachsamkeit“ gelinge nicht nur durch Gesetze und Vorschriften. Es brauche positive Grundüberzeugungen und ein solidarisches Miteinander.

An dem Gottesdienst nahmen auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel teil. Geplant war anschließend ein Festakt in der Händelhalle in der Saalestadt, bei dem auch Merkel sprechen sollte. Die aus Ostdeutschland stammende Kanzlerin will nach 16 Jahren ihr Amt abgeben, sobald eine neue Bundesregierung gebildet ist.

Auch die beiden Kanzlerschaftsanwärter Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) waren in Halle. Scholz schrieb vorab auf Twitter: „Heute sind wir ein Land, trotzdem bleibt viel zu tun - wir brauchen gleiche Gehälter, Renten, Perspektiven. Das schaffen wir nur, wenn wir auf Gemeinsamkeiten setzen.“

Merkel: Mit Lügen und Desinformation werden Ressentiments und Hass geschürt

Bundeskanzlerin Merkel sagte, manchmal werde mit den demokratischen Errungenschaften etwas zu leichtfertig umgegangen. In dieser Zeit seien zusehends Angriffe auf so hohe Güter wie die Pressefreiheit zu sehen. Zu erleben sei eine Öffentlichkeit, in der mit Lügen und Desinformation Ressentiments und Hass geschürt würden. „Da wird die Demokratie angegriffen“, sagte Merkel. Der gesellschaftliche Zusammenhalt stehe auf dem Prüfstand.

Die Kanzlerin verwies auch auf Angriffe auf Menschen, die sich für das Gemeinwohl einsetzten wie Feuerwehrleute und Kommunalpolitiker. „Die verbale Verrohung und Radikalisierung, die da zu erleben sind, dürfen nicht nur von denen beantwortet werden, die ihr zum Opfer fallen, sondern müssen von allen zurückgewiesen werden.“ Denn allzu schnell mündeten verbale Attacken in Gewalt. Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und derzeit Präsident des Bundesrats, sagte: „Es bestehen nach wie vor zum Teil große politische Unterschiede zwischen Ost und West.“ Das habe sich zuletzt im Wahlverhalten bei der Bundestagswahl gezeigt. Ein starker Zusammenhalt könne sich auch aus gemeinsamem Zielen ergeben. „Keinesfalls dürfen wir uns in diesen schwierigen Zeiten gegeneinander ausspielen lasse“», sagte Haseloff. Haseloff erinnerte an die Brüche, die viele ehemalige Bürger der DDR nach der Vereinigung zu verkraften hatten, vor allem den Verlust von Arbeitsplätzen. Zugleich merkte er an, die Erfolgsgeschichte der friedlichen Revolution in der DDR werde nicht genug gewürdigt. Sie tauge durchaus zum „Gründungsmythos des vereinigten Deutschlands“.

Präsident Putin wirbt um Zusammenarbeit Für die Bevölkerung bleibt wegen der Pandemie das bis 2019 übliche große Bürgerfest aus, ähnlich wie schon 2020 in Potsdam. Jedoch sind mehrere Demonstrationen angemeldet. Die Polizei ist mit rund 2600 Beamten im Einsatz. Ein Bündnis gegen Rechts hatte darauf hingewiesen, dass rechte Gruppierungen vor den Feierlichkeiten ihre Anhänger mobilisierten. Am Vormittag war laut Polizei aber alles ruhig. Zum Tag der Deutschen Einheit schrieb der russische Präsident Wladimir Putin an Merkel und Steinmeier und warb um Zusammenarbeit trotz politischer Spannungen. Den Interessen des russischen und des deutschen Volkes sei am besten gedient, wenn sich die bilaterale Zusammenarbeit konstruktiv entwickle, schrieb Putin.

DPA