Mordanschlag am helllichten Tag auf einen Regierungschef in der EU: Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico ist durch Schüsse am Mittwoch schwer verletzt worden und schwebt in Lebensgefahr. Augenzeugen zufolge wurde er bei der Bluttat nach einer Kabinettssitzung in der Kleinstadt Handlova im Zentrum des Landes von mehreren Schüssen getroffen. Der mutmaßliche Attentäter wurde noch vor Ort festgenommen.
Nach dem Attentat am Nachmittag wurde Fico zunächst in die Abteilung für Gefäßchirurgie des Krankenhauses von Handlova eingeliefert. Später wurde er nach Angaben der Regierung per Hubschrauber in die Klinik in der nahe gelegenen Stadt Banska Bystrica geflogen, da der Weg in die Hauptstadt Bratislava angesichts seiner lebensgefährlichen Verletzungen zu lange gedauert hätte. Genauere Informationen zur Art der Verletzungen wurden zunächst nicht veröffentlicht. Am Abend teilte aber Innenminister Matus Sutaj Estok mit, Fico werde immer noch operiert und schwebe weiter in Lebensgefahr.
Einem Journalisten der Zeitung „Dennik N“ zufolge, der die Kabinettssitzung verfolgt hatte, fielen bei dem Attentat auf Fico vier Schüsse. Der auf dem Boden liegende Regierungschef sei dann weggetragen worden. Auf Aufnahmen, die der Nachrichtenagentur AFP vorliegen, war zu sehen, wie zwei von Ficos Leibwächtern ihn wegtrugen und er dann in einer schwarzen Limousine mit hoher Geschwindigkeit davongefahren wurde.
Auf Bildern des slowakischen Fernsehens war zu sehen, wie der mutmaßliche Attentäter - ein Mann in Jeans - in Handschellen am Boden fixiert wurde. Die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova bestätigte, dass der Mann festgenommen wurde. „Baldmöglichst“ würden weitere Informationen bekannt gegeben. Die Polizei machte zunächst keine näheren Angaben zur Identität des Angreifers, nach lokalen Medienberichten soll es sich um einen 71-jährigen Schriftsteller handeln.
Staatschefin Caputova verurteilt Anschlag als „Angriff auf die Demokratie“
In Bratislava wurde eine Parlamentssitzung unterbrochen, die Sicherheitsmaßnahmen im Regierungsviertel wurden verschärft. Staatschefin Caputova verurteilte den Anschlag als „Angriff auf die Demokratie“. Vize-Regierungschef Robert Kaliniak sprach bei einer Pressekonferenz in Banska Bystrica von einem „politisch motivierten Angriff“.
Robert Fico war bereits mehrfach Regierungschef in der Slowakei. 2018 hatte er aber nach der Ermordung des Journalisten Jan Kuciak und dessen Verlobter zurücktreten müssen. Kuciak hatte Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und der Fico-Regierung aufgedeckt.
Internationale Politiker äußerten sich entsetzt über das Attentat. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb im Online-Dienst X von einem „feigen Attentat“ und ergänzte, Gewalt dürfe „keinen Platz haben in der europäischen Politik“. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen verurteilte den „abscheulichen Angriff“.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte sich auf X „schockiert“ und erklärte, seine „Gedanken und (...) Solidarität“ würden Fico sowie „seiner Familie und dem slowakischen Volk“ gelten. US-Präsident Joe Biden sprach laut einer Erklärung von einem „schrecklichen Akt der Gewalt“, seine Ehefrau Jill und er seien mit ihren Gedanken „bei seiner Familie und dem slowakischen Volk“.
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich „schockiert und entsetzt“. Aus anderen europäischen Hauptstädten wie Warschau, London, Rom und Prag kamen ebenfalls bestürzte Reaktionen.
„Wir verurteilen diesen Akt der Gewalt gegen den Regierungschef unseres benachbarten Partnerstaates aufs Schärfste“, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
Ungarn zeigt Solidarität
Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban äußerte sich „zutiefst schockiert über den Angriff auf meinen Freund“ Fico. Wie Orban gilt auch Fico als russlandfreundlich. Als Fico im Oktober 2023 Regierungschef wurde, stoppte er die Militärhilfe der Slowakei für Kiew und stellte die Souveränität der Ukraine in Frage. Orban blockierte innerhalb der EU monatelang entscheidende Hilfe für die Ukraine.
Der russische Präsident Wladimir Putin bezeichnete das Attentat als „abscheuliches Verbrechen“. Er kenne Fico „als mutigen und willensstarken Mann“, erklärte Putin und fügte an: „Ich hoffe sehr, dass diese Eigenschaften ihm helfen, diese schwierige Situation zu überstehen.“
Fico war bereits von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 slowakischer Regierungschef. 2018 musste er nach der Ermordung des Journalisten Jan Kuciak und dessen Verlobter zurücktreten. Kuciak hatte zu Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und Ficos Regierungspartei recherchiert. Die Bluttat und die posthume Veröffentlichung eines Artikels von Kuciak lösten damals Massendemonstrationen gegen die slowakische Regierung aus.
Zuletzt sorgte Fico noch einmal mit kontroversen Veränderungen im Land für Massenproteste. So beschloss seine Regierung eine viel kritisierte Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die nach Ansicht von Journalistenverbänden und Oppositionsvertretern die Pressefreiheit untergräbt. Die slowakische Opposition sagte eine für Mittwochabend geplante Demonstration gegen die Rundfunkreform ab.
Bei einer Pressekonferenz nach den Schüssen griff der Abgeordnete Lubos Blaha von Ficos Smer-Partei die Kritiker des Regierungschefs an: „Sie, die liberalen Medien, und progressive Politiker, sind Schuld. Robert Fico kämpft wegen eures Hasses um sein Leben“, sagte Blaha.