Archivbild: Anwalt Fatih Zingal / Photo: Instagram-Account von Fatih Zingal (Instagram-Account von Fatih Zingal)
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Die Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch (DAVA) will sich langfristig als politische Kraft in Deutschland etablieren. Sie sieht sich vor allem als Interessensvertreter der Minderheiten im Land. Im Vorfeld der Europawahl am 9. Juni kämpf die Bewegung um die Gunst der Wählerschaft.

Ihr Spitzenkandidat Fatih Zingal, ein prominenter Anwalt aus Solingen türkischer Herkunft, schildert im Gespräch mit TRT Deutsch die Inhalte und Ziele der DAVA.

Hier der erste Teil des Exklusivinterviews:

TRT Deutsch: Sehr geehrter Herr Zingal, Sie gehen ihren Verpflichtungen als Anwalt nach – sind aber auch als Mitbegründer einer neuen Vereinigung politisch aktiv. Zuletzt haben Sie um Unterschriften für die Europawahl geworben. Wie bekommen Sie alles unter einen Hut?

Fatih Zingal: Die vergangenen Wochen waren enorm anstrengend und zeitaufwändig. Es kostet tatsächlich viel Kraft und Energie, um all das umzusetzen und aufzufangen, was wir uns auf die Fahnen geschrieben haben. Es mit wenig Schlaf verbunden. Es ist zwar anstrengend, aber es motiviert auch.

Mir ist durchaus bewusst, dass wir hier Pionierarbeit leisten und sich unsere Bewegung mittel- und langfristig so etabliert, dass sie ein wichtiger politischer Akteur in Deutschland wird.

Dieser Anspruch ist hoch, treibt aber auch an. Die Tatsache, dass wir die Interessen derjenigen Menschen vertreten werden, die sich bislang nicht vertreten gefühlt haben, verleiht einem viel Kraft.

TRT Deutsch: Wie verlief die Unterschriftenaktion für die DAVA? Wie viele Unterschriften kamen am Ende zusammen?

Fatih Zingal: Wir haben gegen Ende Januar angefangen, die Unterschriften zu sammeln. Das Interesse, uns zu unterstützen, war überwältigend. Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet, von Hamburg bis nach München, von Berlin bis nach Köln haben uns kontaktiert und ihre Bereitschaft signalisiert, uns zu unterstützen.

Es wurden Unterschriften auf Hochzeiten gesammelt – Unterschriften in Vereinen, Unterschriften im Freundeskreis und zu Hause. Innerhalb weniger Wochen haben wir es dann tatsächlich geschafft, 11.000 amtlich bestätigte Unterschriften zu sammeln. Und diese haben wir dann Anfang März beim Bundeswahlleiter abgegeben.

Weitere 2000 Unterschriften sind dann nach Ablauf der Frist des 18. März 2024 bei uns eingegangen. Das heißt: Wir haben innerhalb von wenigen Wochen 13.000 Unterstützungsunterschriften sammeln können. Das spornt uns natürlich an und motiviert uns sehr für den anstehenden Wahlkampf.

TRT Deutsch: Welche Eindrücke waren in den vergangenen Wochen besonders prägend?

Fatih Zingal: Ich habe viele emotionale und unvergessliche Eindrücke in den vergangenen Wochen erlebt. Die Menschen erkennen mich auf der Straße und sprechen mich sofort an. Wildfremde Menschen umarmen mich plötzlich und klopfen mir auf die Schulter und wünschen mir für unsere DAVA alles Gute. Ältere Frauen, die in mir eine Art Sohn sehen, legen mir liebevoll ihre Hand auf die Schulter und streicheln meine Wangen und fangen an zu beten. Das rührt mich natürlich sehr. Diese vom Herzen kommende Unterstützung ist ein überwältigendes, sehr emotionales Erlebnis.

Dabei wird mir auch immer wieder bewusst, welche hohe Verantwortung wir tragen und welche große Last auf unseren Schultern lastet. Ich möchte diese Menschen auf gar keinen Fall enttäuschen und werde ihre Stimme sein.

TRT Deutsch: Wann können wir bei der DAVA aller Voraussicht nach von einer politischen Partei sprechen?

Fatih Zingal: Wir haben uns als „sonstige politische Vereinigung“ gegründet, was bedeutet, dass wir keine Partei im Sinne des Parteiengesetzes sind. Dennoch können wir an den Wahlen zum Europaparlament teilnehmen, ohne als Partei eingestuft zu werden. Nach der Europawahl planen wir jedoch, unsere Vereinigung als Partei nach dem Parteiengesetz zu etablieren, um auch bei den kommenden Bundestags- und Kommunalwahlen antreten zu können. Die DAVA ist ein langfristiges politisches Projekt. Wir leisten derzeit Pionierarbeit.

TRT Deutsch: Der Wahlkampf ist also schon in vollem Gange?

Fatih Zingal: Bei der Sitzung des Bundeswahlausschusses am Karfreitag wurde beschlossen, dass wir bei der Europaparlamentswahl 2024 antreten dürfen, was den offiziellen Startschuss für unseren Wahlkampf markiert. Der eigentliche Wahlkampf begann am 6. April 2024 in Hamburg, wo wir auch unsere Kandidaten vorgestellt haben. Als Vertrauensperson der DAVA habe ich die Organisation beim Ausschuss vertreten und in meiner Rede sowohl allen Christen frohe Ostern als auch allen Muslimen einen gesegneten Ramadan gewünscht.

Dies wurde als historisch betrachtet, da es das erste Mal war, dass ein Vertreter in diesem Gremium Muslimen öffentlich während einer offiziellen Veranstaltung Grüße zum Ramadan übermittelte. Dies unterstreicht die Anerkennung des Islam als integralen Bestandteil Deutschlands und zeigt, dass Muslime als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft wahrgenommen werden.

TRT Deutsch: Wie bewerten Sie das Medienecho, das Ihnen und der DAVA entgegenschlägt?

Fatih Zingal: Unsere politische Vereinigung erhielt ein enormes Medienecho, beantwortete fast einhundert Medienanfragen, gab Interviews, drehte Fernsehbeiträge und nahm an Radiointerviews teil. Wir reagierten auch auf internationale Medienanfragen, was zur Berichterstattung in italienischen, russischen, französischen, türkischen und arabischen Medien führte. Wir begrüßen dieses enorme Medienecho sehr, da wir einen solchen Bekanntheitsgrad selbst mit einem Werbebudget von zehn Millionen Euro nicht hätten erreichen können.

Das Medieninteresse ist gerechtfertigt, da wir den Anspruch haben, alle ethnischen und religiösen Minderheiten in Deutschland zu vertreten und ihnen eine politische Plattform zu bieten. Wir wollen das wahrgenommene politische Vakuum füllen, das viele Menschen ohne politische Heimat fühlen. Unser Ziel ist es, diesen Menschen eine Stimme zu geben und sie am politischen und gesellschaftlichen Leben zu beteiligen.

Wenn unser Vorhaben erfolgreich ist, könnte dies bedeuten, dass viele Menschen sich von den etablierten Parteien abwenden und sich für unsere Bewegung entscheiden. Dies wird die etablierten Parteien nicht freuen, da sie Wähler verlieren werden, um die sie sich in der Vergangenheit nicht ausreichend gekümmert haben.

Bereits jetzt hat die Existenz unserer Bewegung dazu geführt, dass die etablierten Parteien sich plötzlich wieder um vernachlässigte Wählerschaften bemühen. Somit betrachten wir unseren bisherigen Erfolg darin, dass die Menschen, die wir vertreten möchten, wieder in den Fokus der etablierten Parteien gerückt sind.

TRT Deutsch: Gibt es Bundesländer, wo Sie Ihren Wahlkampfschwerpunkt legen?

Fatih Zingal: Unsere politische Bewegung strebt an, im gesamten Bundesgebiet präsent zu sein, wobei unsere Kandidaten aus verschiedenen Regionen Deutschlands stammen. Wir werden jedoch regional Schwerpunkte setzen, besonders im Ruhrgebiet, im Rhein- Main-Gebiet, im Großraum Stuttgart, in Hamburg, München und Berlin.

Mit noch etwa zwei Monaten bis zur Wahl werden wir sowohl Präsenzveranstaltungen als auch Social-Media-Aktivitäten nutzen, um die Gunst der Wähler zu gewinnen. Besonderes Augenmerk legen wir auf junge Wähler, die bislang möglicherweise politisch uninteressiert waren, und werden entsprechend auf ihre Bedürfnisse eingehen.

Wir streben auch Koalitionen und Bündnisse mit anderen kleineren Parteien an. Überall dort, wo es Schnittmengen gibt und inhaltliche Übereinstimmungen, möchten wir im Sinne der Menschen, die wir vertreten wollen, auch solche Bündnisse eingehen.

Es gibt viele kleinere Parteien, die inhaltlich zumindest in einigen Punkten mit den Punkten übereinstimmen, für die wir stehen. Ich denke, es wäre eine Win-win-Situation, wenn diese kleineren Parteien auch über uns ihre Inhalte platzieren können.

TRT Deutsch: Wieso kommen die Spitzenkandidaten der DAVA aus dem vermeintlich konservativ-religiösen Spektrum?

Fatih Zingal: Selbstverständlich sprechen wir auch politisch linksorientierte und nicht-religiöse Menschen an! Unsere politische Bewegung ist keineswegs eine Bewegung, die nur für liberal- konservative Menschen gedacht ist. Es ist richtig, dass unsere Spitzenkandidaten dem liberal- konservativen Lager zuzuordnen sind.

Dies ist schlichtweg der Tatsache geschuldet, dass circa zwei Drittel aller in Deutschland lebenden türkischstämmigen Menschen liberal-konservativ orientiert sind. Dieses Mehrheitsverhältnis bildet sich auch selbstverständlich bei unseren Kandidatinnen und Kandidaten ab. Jeder, der seine Ansichten und Ideen vertreten möchte, ist herzlich eingeladen, unserer politischen Bewegung beizutreten. Wir möchten keine Politik nur für eine bestimmte Klientel machen.

TRT Deutsch: Wieviel Prozent trauen Sie der DAVA am Abend des 9. Juni zu?

Fatih Zingal: Hier ist es schwierig, eine belastbare Aussage zu machen. Unser Ziel ist es, mindestens einen Abgeordneten in das europäische Parlament zu entsenden. Basierend auf den Wahlergebnissen von 2019 und 2014 benötigen wir dafür etwa 0,65 Prozent der Stimmen, was ungefähr 300.000 Stimmen entspricht.

Dies würde nicht nur einen Sitz im Europaparlament bedeuten, sondern damit wäre auch die 0,5-Prozent-Hürde für die Parteienfinanzierung überwunden. Dadurch könnten wir fünf Jahre lang staatliche finanzielle Unterstützung erhalten, was ein solides Fundament für unsere mittel- und langfristigen Ziele darstellen würde.

TRT Deutsch: Wieso sollten die Menschen Fatih Zingal und seine politischen Weggefährten wählen?

Fatih Zingal: Fatih Zingal und seine politischen Weggefährten sollten gewählt werden, weil sie sich aufrichtig für alle ethnischen, religiösen Minderheiten und Menschen einsetzen, die sich bislang politisch nicht vertreten fühlen.

Im Gegensatz zu etablierten Parteien betrachten wir diese Menschen nicht als leicht zu überzeugendes Wahlvolk und werden nicht vorgeben, uns für sie zu interessieren, um sie dann zu vernachlässigen. Stattdessen werden wir ihre Interessen tatsächlich vertreten, ihre Stimme sein und ihre Anliegen auf die politische Bühne bringen.

Dies wird vielen Politikern in den herkömmlichen Parteien nicht gefallen, da wir stets politische Forderungen im Interesse dieser Menschen formulieren werden. Wir werden nicht akzeptieren, dass die Interessen dieser Menschen ignoriert werden, und werden Phrasendrescherei traditioneller Politiker nicht tolerieren. Es wird nicht mehr ausreichen, ein paar warme Worte zu sprechen.

TRT Deutsch: Können Sie genauer erläutern, wie sich die DAVA von den etablierten Parteien unterscheidet?

Fatih Zingal: Im Gegensatz zu den etablierten Parteien, die sich zunehmend ähneln, de facto das gleiche sagen und in vagen Phrasen verloren gehen, hat die DAVA ein klares Parteiprogramm und vertritt eindeutige Werte. Die DAVA richtet sich gezielt an eine Zielgruppe, die sich bisher politisch nicht vertreten gefühlt hat. Diese klare Ausrichtung wird von etablierten Parteien als politisches Risiko angesehen. Die Wählerinnen und Wähler wissen genau, wofür die DAVA steht und schätzen ihre Bereitschaft, klar Position zu beziehen.

Die DAVA hat klare Standpunkte zum Israel-Palästina-Konflikt und vertritt wertekonservative Ansichten, die insbesondere bei frommen Christen Anklang finden. Sie spricht auch diejenigen an, die sich möglicherweise nicht trauen, ihre konservativen Ansichten öffentlich zu äußern und wirbt aktiv um diese Wähler. Die aktuelle Bundesregierung wird von vielen als profillos wahrgenommen und es gibt große Vorbehalte gegenüber ihrer Führung. Sie wird kritisiert, weil sie politisch stark pro-amerikanisch agiert und sich oft als Gehilfe transatlantischer Interessen zeigt.

Die moralisierende Belehrung von großen Volkswirtschaften wie China, den BRICS-Staaten oder Russland durch die deutsche Außenpolitik wird als problematisch angesehen, da die wirtschaftlichen Konsequenzen nicht angemessen berücksichtigt werden.

Der Globale Süden betrachtet die deutsche Außenpolitik mit Unverständnis, da sie als zu sehr im Amerikanismus verhaftet und nicht auf die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands fokussiert wahrgenommen wird. Auch hierzulande warnen Experten, Deutschland verspiele außenpolitisches Vertrauen. Die Menschen in Deutschland verdienen aber eine klare Außenpolitik, die auch die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands berücksichtigt. Moralisierende Belehrungen sind hier fehl am Platz.

TRT Deutsch