Bundesinnenministerin Nancy Faeser (dpa)
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Die neue Bundesinnenministerin Faeser betonte vor kurzem, dass der Islam natürlich zu Deutschland gehöre. Des Weiteren sagte sie im Hinblick auf die Deutsche Islam Konferenz (DIK): „Für uns als neue Bundesregierung und für mich persönlich hat das muslimische Leben in Deutschland eine große Bedeutung. Die Deutsche Islam Konferenz möchte ich daher als zentrales Forum des Dialogs mit Muslimen weiterentwickeln und mit mehr Leben füllen.“

Quo vadis ?

Als der ehemalige Bundespräsident Wulff (zuvor war es Schäuble, aber ohne viel Tamtam) zum Ausdruck brachte, dass der Islam zu Deutschland gehöre, freuten sich nicht wenige Muslime über diese Aussage. Endlich, so der vorwiegende Tenor, werden auch wir Muslime in diesem / unserem Land akzeptiert. Doch die populistische Kritik seitens Politiker und insbesondere der Medien sowie die auffällig dürftige Unterstützung für den Präsidenten brachten die euphorische Stimmung zum Abflachen. Ab dann wurde es interessanterweise wie eine Damokles-Frage an die folgenden BundespräsidentInnen und InnenministerInnen gestellt, ob denn der Islam zu Deutschland gehöre. Muslime und Nichtmuslime waren je nach Antwort empört oder erfreut.

Ein solch anmaßendes Hickhack entsteht nicht selten aus einer gewissen Arroganz heraus, die heutzutage mehr säkular in Erscheinung tritt und meint, über eine Weltreligion bestimmen zu können. Dass man sich dabei in Wirklichkeit unglaubwürdig macht und dadurch mehr Vertrauensschwund entsteht, daran wird weniger gedacht.

Weitere Gründe des Vertrauensschwunds

Mit der offiziellen Bekanntmachung des Ziels „Deutscher Islam“ wurde der Versuch unternommen, sich in die Grundlagen einer Religion einzumischen, und die bisher eher einem Integrationsgipfel ähnelnde Deutsche Islam Konferenz nahm neue Dimensionen an. Der säkulare Staat, der sich in Glaubensfragen neutral zu verhalten hat, meinte, – allein schon durch die Etikette „deutsch“ – den Islam reformieren / säkularisieren zu können. Hierfür wurden Akademiker, „Islamexperten“, Kulturmuslime, unbedeutende Personen, aber Hauptsache Angehörige der Anti-Türkei- und noch mehr der Anti-Erdoğan-Fraktionen herangezogen wie auch nichtmuslimische Staatspersonen, die mitbestimmen, mitdefinieren, mitgestalten durften. Nicht wenige der vom Staat eingesetzten Personen sind Mitglieder in den hiesigen deutschen Parteien, welche auch die Regierung stellen. Wenn es darum geht, die Interessen der Muslime mit den Interessen der Regierung / des Staates abzuwägen, sind diese Personen daher befangen.

Das Vertrauen der Muslime schwindet auch aus anderen Gründen. Neben dem abwegigen Ziel und der fragwürdigen Organisation der DIK sind es der weitverbreitete antimuslimische Rassismus, die immer wiederkehrende und zugleich beleidigende „Distanziert euch!“-Verdächtigung, die demokratisch fragwürdigen und augenscheinlich nach Lust und Laune ausgesprochenen Rechtsprechungen (Kopftuch), das große – sehr auffällige – Schweigen der Medien und Politik, wenn Muslime oder ihre Moscheen angegriffen werden, die deutlich wahrnehmbare Gewichtung von Pseudo-Islamexperten über populistische Lieblingsakademiker der Nichtmuslime (Politischer Islam) bis hin zu fragwürdigen Personen aus fragwürdigen Sekten (Gülenisten, House of One) in den Medien und Politik, der ständige und zugleich einseitige (andere Religionsgemeinschaften sind davon nicht betroffen) Hinweis auf die Auslandsbeziehungen. All diese Punkte haben keine Atmosphäre des Vertrauens geschaffen, sondern des Misstrauens.

Einige Vorschläge

Liebe Frau Faeser, hier einige Vorschläge, wie Sie das Vertrauen zurückgewinnen können:

Schaffen Sie die DIK ab, denn die Thematisierung des Islam ist mit Problematisierung gleichzusetzen. Es gibt keine Deutsche Christentum Konferenz oder Deutsche Judentum Konferenz. Eine politische und medial inszenierte Konferenz nur für den Islam und für die Muslime ist keine vertrauensbildende Geste, sondern – für die antiislamisch eingestellten Bürger – eine Bestätigung der irrationalen und verschwörungstheoretischen Ängste und – für die Muslime – eine Einmischung in ihre Religion und eine herabwürdigende Demütigung ihres bürgerlichen Daseins (Zu diesem Punkt sei die satirische Auseinandersetzung „Die deutsche Christentum Konferenz“ des Islamwissenschaftlers Dr. Ali Özgür Özdil empfohlen).

Sollte die DIK weiterhin bestehen, so sollte sie glaubwürdig auftreten. Glaubwürdig sowohl in der Organisation als auch in den Intentionen. Wer das Argument „die schweigende Mehrheit der Muslime miteinbeziehen zu müssen“ vorbringt, dabei Personen und Vereine, deren Umkreis sehr sehr dürftig ist, einsetzt, ist nicht glaubwürdig. So auch die Tatsache, dass diese Personen nicht von der schweigenden Mehrheit ernannt werden, sondern vom säkularen Staat. Mit solchen (und weiteren) Widersprüchen wird man immer Eigentore einkassieren.

Wenn die DIK eine Erfolgsgeschichte sein soll, so hat sie glaubwürdige Ziele festzulegen. Einer Weltreligion eine nationalistische Etikette und säkulare Grenzen zu setzen, gehört nicht dazu. Auch hier ein Widerspruch. Denn es ist paradox, wenn diese Nationalisierung der Religion mit ständigem und tadelndem Verweis auf ausländisch nationalistische Erscheinungen geschieht und die eigene „deutsch-nationalistische“ Deformierung der Weltreligion unproblematisch als weltoffen präsentiert wird.

Hören Sie auf, die großen muslimischen Verbände aus politischen Gründen in eine bestimmte Schublade zu stecken, und akzeptieren Sie sie als das, was sie seit Jahrzehnten sind: die wichtigsten Akteure für das muslimische Leben in diesem Land. Aufgrund von Fehlern von Einzelpersonen die Verbände ständig anzugreifen, ist im Hinblick auf die politische und religiöse Landschaft in Deutschland ebenfalls sehr einseitig und widersinnig. Nach diesem Muster müssten die deutschen Parteien stets unter Dauerbeschuss stehen und aufgelöst werden (Maskenaffäre, Wirecard, Bonus-Affäre, Mövenpick, Sarrazin, Maaßen, Palmer etc.). Und nicht zu vergessen die Ereignisse in den Kirchen (Kindesmissbrauch).

Die Interessen der Muslime sind deutlicher wahrzunehmen und diese als ein demokratisches Recht hervorzuheben. Laut Statista leben ca. 5 Millionen Muslime in Deutschland. Sie haben es längst verdient, dass ihre Religion als Staatsreligion anerkannt wird. Dies wäre z.B. eine glaubwürdige, längst überfällige und zugleich historische Entscheidung.

Tabula rasa

Die aufrichtige Auseinandersetzung mit dem antimuslimischen Rassismus, der Islamophobie, würde Sie Frau Faeser, zumal Sie auch dankenswerterweise dem Rechtsextremismus den Kampf angesagt haben, in den Augen der Muslime glaubwürdiger machen und Sie würden weniger Eigentore schießen als Ihre Vorgänger. Durch einen sachlichen und glaubwürdigen Neuanfang würden Sie die Herzen der Muslime eher erobern als mit schön klingenden, aber in Wirklichkeit widersinnigen Aussagen wie „die vielfältigen Stimmen der Muslime [in die DIK] einbinden“ zu wollen.

Und noch ein Vorschlag: Nehmen Sie doch als nächstes Hauptthema der DIK die spaltende und rassistische Ideologie „Antimuslimischer Rassismus / Islamophobie“. Man muss kein Orakel sein, um vorhersagen zu können, dass die große Mehrheit der Muslime, ob konservativ, liberal, modern, traditionell, Sufi oder Salafi, Schiit oder Sunnit, glücklich darüber wäre.

Das wäre eindeutig ein vertrauensbildendes Signal!

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