Die positive Atmosphäre während des Besuchs von Bundesaußenministers Johann Wadephul in Türkiye am vergangenen Freitag war wichtig, um zu zeigen, wo die türkisch-deutschen Beziehungen stehen. Die wichtigsten Themen, die bei der Pressekonferenz der Außenminister beider Länder zur Sprache kamen, waren die Zusammenarbeit hinsichtlich der Herstellung des Friedens in Gaza und der Ukraine, die Stabilisierung der Lage in Syrien, die Vertiefung der Beziehungen im Bereich der Sicherheit und die Stärkung der wirtschaftlichen Partnerschaft.
Die Tatsache, dass die Problembereiche zwischen Türkiye und Deutschland nicht zur Sprache kamen oder nur sehr oberflächlich behandelt wurden, war ein Zeichen dafür, dass beide Regierungen sich nicht auf die Probleme, sondern auf die Zusammenarbeit konzentrieren wollten. Diese positive Stimmung spiegelte sich auch weitgehend in den Medien beider Länder wider.
Deutschland vollzieht Kurswechsel gegenüber Türkiye
Angesichts der Tatsache, dass die türkisch-deutschen Beziehungen seit mehr als einem Jahrzehnt von Spannungen geprägt waren, verdienen einige Fragen hinsichtlich der Gründe für die seit 2024 zu beobachtende Hinwendung beider Länder zu einer kooperativen und lösungsorientierten Politik eine Antwort. Was ist mit Deutschland geschehen, das bis vor kurzem eine interventionistische Politik gegenüber Türkiye bevorzugte und dafür insbesondere Demokratie und Menschenrechte als Vorwand anführte, dass es sich nun von interventionistischen Äußerungen fernhält, die Ankara verärgern könnten? Ist der Wandel in der Haltung Deutschlands gegenüber Türkiye auf die Veränderungen in der Innenpolitik dieses Landes oder auf die Entwicklungen in der internationalen Politik zurückzuführen?
Der Hauptgrund für diesen Kurswechsel Deutschlands ist zwar die Notwendigkeit, angesichts der zunehmenden geopolitischen Risiken eine rationalere Politik zu verfolgen, aber auch die Tatsache, dass Berlin aufgrund seiner falschen Politik gegenüber dem israelischen Völkermord in Gaza jegliche Legitimität verloren hat, anderen Ländern Ratschläge in Bezug auf Menschenrechte zu erteilen. Deutschland, das trotz des Völkermords Israels in Gaza lange Zeit weiterhin Waffen an dieses Land verkauft hat und sich vor dem Internationalen Gerichtshof in der von Südafrika angestrengten Völkermordklage zugunsten Israels eingeschaltet hat, kann sich nun nicht mehr unter dem Vorwand von Menschenrechtsverletzungen in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen.
Deutschland, dessen Bundeskanzler behauptet, dass Netanjahu, gegen den der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl erlassen hat, bei einer möglichen Reise nach Deutschland nicht verhaftet werden würde, hat keine Legitimität mehr, andere Länder unter Berufung auf die Rechtsstaatlichkeit zu kritisieren. Aus diesem Grund haben die Druckausübung und Einmischungen Deutschlands, die eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Türkiye darstellen, in letzter Zeit abgenommen.
Sicherheitswende verändert deutsche Türkiye-Politik
Betrachtet man die jüngsten Sicherheitsdebatten in Deutschland, so lässt sich sagen, dass Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 Berlins Sichtweise auf die Beziehungen zu Türkiye sowie auf regionale und globale Probleme erheblich verändert hat. Darüber hinaus hat auch Donald Trumps Rückkehr ins Amt des US-Präsidenten im Januar diesen Wandel beeinflusst. Zu der Zeit, als Deutschland sich sicher fühlte, betrachtete es die Länder in seiner Nähe, einschließlich Türkiye, als Teil seiner Einflusszone. Doch nachdem es die offene Aggression Moskaus erlebt und erkannt hatte, dass es Washington nicht vertrauen kann, begann Deutschland, Länder wie Türkiye als gleichberechtigte souveräne Partner zu sehen, mit denen eine Zusammenarbeit notwendig ist.
Die ständigen Einmischungen Berlins in die inneren Angelegenheiten von Türkiye unter dem Vorwand der Menschenrechte und Demokratie sowie die damit einhergehende Diffamierung des gewählten Präsidenten Tayyip Erdoğan als Diktator durch die deutschen Medien hatten das Klima zwischen den beiden Ländern erheblich verschlechtert. Nun jedoch hat Deutschland aufgrund zunehmender geopolitischer Bedrohungen (Russland) und Risiken (USA) eine rationalere Politik eingeschlagen und begonnen, Türkiye als „wichtigen Verbündeten, dessen Innenpolitik respektiert werden muss“ zu betrachten, was der Hauptgrund für die positive Atmosphäre in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern ist.
Von Ideologie zu Realpolitik
Neben den geopolitischen Risiken haben auch Veränderungen unter den Entscheidungsträgern, die diese Risiken bewerten, einen Einfluss auf die Veränderung der türkischen Politik Deutschlands. Mit dem Regierungswechsel in Deutschland in diesem Jahr wurde Annalena Baerbock von den Grünen, die sich durch ihre ideologische Haltung gegenüber Türkiye hervorgetan hatte, durch den eher rationalen CDU-Politiker Wadephul als Außenminister ersetzt, während Friedrich Merz, ebenfalls von der CDU, das Amt des Bundeskanzlers übernahm. Unter dem Einfluss zahlreicher Türkiye-kritischer Politiker innerhalb der Grünen Partei verfolgte Baerbock eine Politik, die weit von einer rationalen Linie in Bezug auf Türkiye entfernt war. Ihr Nachfolger Johann Wadephul ist jemand, der die Fortschritte, die Türkiye in den letzten Jahren im militärischen Bereich gemacht hat, sehr gut einschätzen kann. Wadephul scheint Ankara nicht als einen Partner zu betrachten, den man verärgern sollte, sondern als einen unverzichtbaren Verbündeten, mit dem man angesichts regionaler und globaler Bedrohungen gemeinsam handeln muss.
Es muss jedoch auch gesagt werden, dass die rationale und positive Veränderung in der Türkiye-Politik Deutschlands nicht mit der aktuellen Bundesregierung in Berlin begonnen hat, sondern dass die Regierung unter Olaf Scholz bereits im vergangenen Jahr beschlossen hat, das de facto gegen Türkiye verhängte Waffenembargo aufzuheben. In diesem Zusammenhang hatte die Scholz-Regierung im vergangenen Jahr Waffenverkäufe im Wert von über 300 Millionen Euro an Türkiye genehmigt und signalisiert, dass Deutschland seine Blockade beim Verkauf von Eurofighter-Kampfflugzeugen aufheben werde. Trotz dieser positiven Signale erfolgte die Genehmigung des Verkaufs von Eurofighter-Kampfflugzeugen an Türkiye durch Deutschland jedoch erst im Juli dieses Jahres, während der Amtszeit von Merz als Bundeskanzler.
Eurofighter-Deal als Signal strategischer Partnerschaft
Das Thema Eurofighter war eines der Themen, die während Wadephuls Besuch in Türkiye zur Sprache kamen. Sowohl in gemeinsamer Pressekonferenz als auch in einem Interview mit einem türkischen Fernsehsender erklärte der deutsche Minister, dass er den Verkauf dieser Kampfflugzeuge an Türkiye unterstütze und es wichtig sei, das verbündete Land Türkiye mit diesen Waffen zu unterstützen.
Was den Zeitpunkt der Lieferung der Flugzeuge an Türkiye angeht, sagte er, dass der Verkauf schnell erfolgen könne, dafür sei es jedoch wichtig, die technischen Details mit dem Hersteller zu besprechen und den Kaufvertrag zu unterzeichnen. Der türkische Außenminister Hakan Fidan äußerte sich ebenfalls erfreut darüber, dass im Bereich der Verteidigungsindustrie, in dem beide Länder zusammenarbeiten sollten, keine Beschränkungen, sondern gemeinsame Projekte auf der Tagesordnung stünden. Die politische Entscheidung über den Verkauf von Eurofighter an Türkiye kann als wichtige Entwicklung für die türkisch-deutsche Sicherheitspartnerschaft angesehen werden.
Sicherheitspartnerschaft auch bei Syrien, Gaza und Ukraine
Weitere wichtige Themen im Hinblick auf die türkisch-deutsche Sicherheitspartnerschaft, die während Wadephuls Besuch in Türkiye zur Sprache kamen, waren der Krieg in der Ukraine, Gaza und Syrien. Die Stabilisierung Syriens ist eine der Hauptprioritäten, in der beide Länder zusammenarbeiten wollen, da sie eine große Herausforderung im Hinblick auf die Flüchtlingskrise darstellt, die besonders von rechtsextremen Oppositionsparteien als politisches Thema genutzt wird. In diesem Zusammenhang scheint Deutschland die Bemühungen von Türkiye zu würdigen, die die Schritte der neuen Regierung in Damaskus zur Annäherung an die internationale Gemeinschaft unterstützt. Allerdings stört es Deutschland nicht so sehr wie Ankara, dass Israels Aggressivität gegenüber der gesamten Region auch auf Syrien übergreift und eine der größten Bedrohungen für die Stabilität dieses Landes darstellt.
Obwohl es Türkiye stört, dass Deutschland aufgrund seiner Vergangenheit weiterhin die Aggressionen Israels unterstützt, im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern den Staat Palästina nicht anerkennt, bis vor kurzem weiterhin Waffen an Israel geliefert hat und auf internationalen Plattformen die rechtsextreme Regierung Netanjahu in Israel unterstützt, vermieden beide Minister in ihrer Presseerklärung direkte Kritik aneinander, um die positive Atmosphäre in den türkisch-deutschen Beziehungen nicht zu stören. Im Gegenteil, das Thema Gaza trat als eine Frage in den Vordergrund, wie die beiden Länder während einer Waffenruhe in der Zukunft im Hinblick auf humanitäre Hilfe für Palästinenser zusammenarbeiten können.
Auch in Bezug auf den Russland-Ukraine-Krieg, in dem sich die Politik der beiden Länder unterscheidet, scheint man eher nach Wegen für ein gemeinsames Vorgehen zu suchen, anstatt sich gegenseitig zu kritisieren. Tatsächlich sind sich beide Länder einig, dass Russlands Angriff auf die Ukraine gegen das Völkerrecht verstößt und dass die territoriale Integrität der Ukraine gewahrt bleiben muss, doch hinsichtlich der Sanktionen gegen Russland vertreten sie unterschiedliche Standpunkte. Deutschland verfolgt eine Politik schwerer Sanktionen gegen Russland und ist eines der führenden Länder, die Waffenhilfe an die Ukraine leisten.
„Zeitgeist erfordert Zusammenhalt“
Türkiye hingegen ist der Ansicht, dass es schwierig ist, Russland an der Front zu besiegen, dass dies zu vielen Todesopfern führen würde und die Gefahr einer Ausweitung des Krieges birgt, und plädiert dafür, das Problem auf diplomatischem Wege zu lösen. In diesem Zusammenhang setzt Ankara den Dialog sowohl mit der Ukraine als auch mit Russland fort, vermittelt in Friedensgesprächen und lehnt es daher ab, sich an schweren Sanktionen gegen Russland zu beteiligen. Die positive Atmosphäre während Wadephuls Besuch in Ankara deutet darauf hin, dass Deutschland die Position von Türkiye respektiert und es vorzieht, keinen Druck auf Ankara auszuüben, was die Sanktionen gegen Russland betrifft.
Die Äußerungen von Außenminister Fidan bei der Pressekonferenz mit seinem deutschen Amtskollegen, wonach „die Vereinigung der EU und Türkiye die Entstehung einer Supermacht ermöglichen würde, andernfalls beide Seiten weiterhin in ihrer Abhängigkeit verharren würden“, scheinen nun auch von Deutschland verstanden zu werden. Auch Fidans Worte „Der Zeitgeist erfordert Zusammenhalt. Heute sind wir hoffnungsvoller“ deuten vielleicht darauf hin, dass der „Zeitgeist“ eine rationalere Beziehung zwischen Türkiye und Deutschland erfordert. Am stärksten geprägt wird der Zeitgeist offenbar durch die Politik Putins und Trumps, die Europa in Angst versetzt.


















