Wikileaks: Verfahren gegen Assange in London begonnen
In Großbritannien hat der womöglich entscheidende Prozess um die Auslieferung des Wikileaks-Gründers an die USA begonnen. Assanges Anwalt sagte, die Anklage sei politisch motiviert. Sein Mandant habe lediglich journalistische Arbeit geleistet.
11.08.2021, Großbritannien, London: Ein Schild mit der Aufschrift „Free Assange“ (Freiheit für Assange) ist neben Demonstranten vor dem High Court anlässlich der ersten Anhörung im Berufungsverfahren um die Auslieferung von Wikileaks-Gründer Assange zu sehen. / Photo: DPA (DPA)

In Großbritannien hat das womöglich entscheidende Gerichtsverfahren um die Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA begonnen. Sein Anwalt Edward Fitzgerald berief sich am Dienstag vor dem Londoner High Court darauf, dass sein Mandant lediglich journalistische Arbeit geleistet habe, als er vertrauliche US-Dokumente veröffentlichte. Assange nahm an der Anhörung nicht teil, sein Anwalt begründete dies mit gesundheitlichen Problemen.

Assange machte Kriegsverbrechen der USA publik

Assange wird in den USA beschuldigt, ab 2010 rund 700.000 vertrauliche Dokumente über militärische und diplomatische Aktivitäten der USA veröffentlicht zu haben. Die Papiere enthielten brisante Informationen über Kriegsverbrechen vor allem im Irak und in Afghanistan, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen. Im Falle einer Verurteilung drohen dem 52-jährigen Australier in den USA bis zu 175 Jahre Haft.

Assange werde wegen der „üblichen journalistischen Praxis der Beschaffung und Veröffentlichung geheimer Informationen angeklagt, die sowohl wahr als auch von offensichtlichem und wichtigem öffentlichen Interesse sind“, sagte sein Rechtsbeistand Fitzgerald. Sein Mandant habe schwere Staatsverbrechen öffentlich gemacht, seine Strafverfolgung durch die USA sei politisch motiviert.

Der Anwalt führte aus, Assange drohe in den USA eine „ungeheuerliche Verweigerung von Gerechtigkeit“. Assanges Verteidigerteam stützt seine Argumentation auch darauf, dass die ihm in den USA drohende Haftstrafe unverhältnismäßig sei und die USA in „böser Absicht“ handelten.

Assange nahm am ersten Verfahrenstag nicht teil. Seinem Mandanten gehe es „heute nicht gut“, sagte Fitzgerald. Ob der Wikileaks-Gründer am Mittwoch teilnimmt, wenn die US-Behörden ihre Argumente vortragen, war unklar.

Möglicher Beginn eines Auslieferungsverfahrens in die USA

Das Verfahren vor dem High Court in London ist womöglich die letzte Runde im juristischen Tauziehen um die Auslieferung von Assange an die USA. Das Gericht überprüft in der zweitägigen Anhörung eine richterliche Entscheidung vom vergangenen Juni, Assange eine erneute Berufung gegen seine Auslieferung zu verweigern.

Das Gericht soll nun endgültig darüber entscheiden, ob in Großbritannien alle Rechtsmittel für Assange ausgeschöpft sind - oder ob er weiter vor britischen Gerichten gegen seine Auslieferung vorgehen darf.

Sollte sein Einspruch abgelehnt werden, würde das Auslieferungsverfahren beginnen. Assanges Unterstützer wollen in diesem Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ziehen, um die Auslieferung aussetzen zu lassen. Großbritannien unterliegt der Rechtsprechung des EGMR.

Allerdings ordnet der Gerichtshof nur in Ausnahmefällen solche Aussetzungen an. Zudem ist fraglich, ob die britische Regierung eine entsprechende Entscheidung des EGMR akzeptieren würde.

„Julian braucht seine Freiheit und wir alle brauchen die Wahrheit“

Vor dem Beginn des Verfahrens in London bedankte sich Assanges Ehefrau Stella bei Unterstützern von Assange, die vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten. „Bitte kommt immer wieder, seid für Julian und für uns da, bis Julian frei ist“, fügte Stella Assange hinzu, die mit ihm zwei Kinder hat. „Julian braucht seine Freiheit und wir alle brauchen die Wahrheit.“

Am Montag hatte Stella Assange erneut davor gewarnt, dass ihrem Mann bei einer Abschiebung der Tod drohe. Julian Assange sei „körperlich und geistig offensichtlich in einer sehr schwierigen Lage“, sagte sie gegenüber BBC Radio.

Ein Psychiater hatte dem in Großbritannien seit 2019 inhaftierten Assange schon 2020 ein Suizidrisiko bescheinigt. 2021 stellte auch ein britisches Gericht fest, dass wegen der strikten Haftbedingungen in den USA das „beträchtliche“ Risiko bestehe, dass sich Assange das Leben nehmen könnte.

Menschenrechtsorganisationen, Medienhäuser und zuletzt auch der australische Premierminister Anthony Albanese haben US-Präsident Joe Biden aufgefordert, die aus 18 Punkten bestehende Anklage in den USA gegen Assange fallenzulassen. Diese war unter Bidens Vorgänger Donald Trump erhoben worden.

Assange wurde auf Grundlage des Spionagegesetzes von 1917 angeklagt. Es ist der erste Fall, in dem dieses Regelwerk auf die Veröffentlichung von Geheiminformationen angewendet wird. In Großbritannien ist er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Süden Londons inhaftiert.

AFP