Wehrbeauftragte Högl: 477 neue Rechtsextremismus-Verdachtsfälle
Wehrbeauftragte Högl hat ihren Jahresbericht vorgestellt. Die Zahl der neuen Rechtsextremismus-Verdachtsfälle in der Bundeswehr ist 2020 auf 477 gestiegen. Högl fordert eine „lückenlose und zügige“ Aufklärung – auch für die Vorwürfe gegen die KSK.
23.02.2021, Berlin: Eva Högl (SPD), Wehrbeauftragte des Bundestags, stellt vor der Bundespressekonferenz ihren ersten Jahresbericht zur Lage der Bundeswehr vor. (DPA)

Die Zahl neuer Verdachtsfälle von Rechtsextremismus in der Bundeswehr ist im vergangenen Jahr auf 477 gestiegen. Das berichtete die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, am Dienstag in Berlin unter Berufung auf den Militärischen Abschirmdienst (MAD). Der MAD-Jahresbericht für 2019 hatte 363 neue Verdachtsfälle genannt.

Auch im Bereich der sogenannten Reichsbürger/Selbstverwalter nahmen die Fälle zu – von 16 im Jahr 2019 auf nun 31. Im „Phänomenbereich“ Islamismus sanken die Zahlen dagegen von 77 auf nun 48. Zur Rolle des MAD erklärte Högl: „Dieser Nachrichtendienst erfüllt bei der Extremismusabwehr eine wichtige Funktion und sollte personell weiter gestärkt werden.“

Der Anstieg zeige, dass beim Thema Rechtsextremismus weiter Handlungsbedarf in allen Bereichen der Bundeswehr bestehe, so Högl. „Es braucht Aufklärung, Sanktion und Prävention – und zwar konsequent, lückenlos und zügig. Das ist eine Daueraufgabe – in der gesamten Gesellschaft und somit auch in der Bundeswehr.“ Politische Bildung sei der Schlüssel und müsse „integraler Bestandteil im Dienstalltag sein“.

Eine genaue Aufklärung verlangte Högl auch für die Vorwürfe gegen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK). „Ein Reformprozess wurde eingeleitet. Der jetzt bekannt gewordene Vorwurf einer „Amnestie“ für Waffen- und Munitionsbesitz im KSK belastet den gesamten Prozess von Aufklärung und Reform erheblich. Wir brauchen die Aufklärung aller Sachverhalte im KSK und absolute Transparenz“, hieß es in einer Mitteilung der SPD-Politikerin zu ihrem Jahresbericht.

Das KSK ist in den vergangenen Jahren von mehreren Skandalen erschüttert worden, bei denen es auch um rechtsextreme Vorfälle ging. Seit vergangener Woche steht KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr, der an der Spitze eines Reformprogramms steht, in der Kritik. Dem Brigadegeneral wird angelastet, dass Soldaten gehortete oder womöglich auch entwendete Munition in Kisten werfen konnten, ohne dass dies weitere Konsequenzen hatte. Unklar ist, seit wann das Verteidigungsministerium darüber informiert war.

„Vorbildliches Engagement bei der Amtshilfe“

Högl stellte ihren ersten Jahresbericht zur Lage der Bundeswehr nach der Übernahme des Amts vor einem Jahr vor. Die Wehrbeauftragte hilft nach Artikel 45b des Grundgesetzes dem Bundestag bei der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte. Sie gilt aber auch als Anwältin der Soldaten, die sich jederzeit an sie wenden können.

In ihrem Bericht hielt Högl auch fest, dass die Amtshilfe in der Corona-Pandemie die Bundeswehr vor eine „riesige Herausforderung“ gestellt hat. „Fast 500 Eingaben rund um die Covid-19-Pandemie zeigten, wie hoch die Belastung der Soldatinnen und Soldaten war, wie groß die Sorge um ihre Gesundheit und ihren Dienst und wie wichtig und ernsthaft ihre Anliegen zur Bewältigung dieser Krise waren.“

„Das vorbildliche Engagement bei der Amtshilfe sollte durch eine Einsatzmedaille ausgezeichnet werden“, so Högl weiter. „Wo zivile Institutionen und Strukturen an ihre Grenzen kommen, kann die Bundeswehr unterstützen, sie kann die personellen Defizite jedoch nicht ersetzen. Wir sollten aus dieser Pandemie Lehren ziehen und prüfen, wie der Bevölkerungsschutz und die Katastrophenhilfe verbessert werden können.“

Die Zahl der Neueinstellungen sei im Jahr 2020 zurückgegangen – „sicherlich auch pandemiebedingt“, schrieb Högl weiter. Die Bundeswehr habe 16.430 Männer und Frauen neu hinzugewonnen, 19 Prozent weniger als im Vorjahr. Auch die Ausstattung der Bundeswehr und deren Rahmenbedingungen – ein Standardthema im Bericht des Wehrbeauftragten – wurden von Högl kritisiert: „Zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie. Das ist inakzeptabel.“

DPA