Solingen-Anschlag: Familie Genç fordert „Haus des Gedenkens“
Vor rund dreißig Jahren setzten Neonazis in Solingen das Haus der Familie Genç in Brand. Zwei Frauen und drei Mädchen wurden bei dem rassistischen Anschlag getötet. Familienangehörige erneuern nun den Wunsch nach einem Ort des Gedenkens.
Solingen: Familie Genç fordert „Haus des Gedenkens“ / Photo: AP (AP)

Die türkischstämmige Familie Genç in Solingen hat den Wunsch nach einem „Haus des Gedenkens“ erneuert, das an den rassistischen Brandanschlag auf ihr Haus vom 29. Mai 1993 erinnern soll. Dort solle sowohl der rassistisch motivierten Tat als auch der Versöhnungsbereitschaft von Friedensbotschafterin Mevlüde Genç (1943-2022) gedacht werden, sagte deren Enkelin Özlem Genç am Dienstagabend im nordrhein-westfälischen Landtag in Düsseldorf.

Zum Abschluss einer Veranstaltungsreihe zum 30. Jahrestag des Anschlags würdigten Vertreter des Landtags und des Landesintegrationsrats NRW den Einsatz für ein friedliches Zusammenleben von Menschen verschiedener Nationen in Deutschland. Dafür sei Mevlüde Genç bereits wenige Stunden nach der Tat vor den Trümmern ihres Hauses eingetreten.

Vier junge Männer aus der Neonazi-Szene hatten am Pfingstsamstag 1993 das Haus der Familie Genç in Brand gesetzt. Zwei Frauen und drei Mädchen im Alter von 4 bis 27 Jahren starben, weitere Familienmitglieder wurden teils lebensgefährlich verletzt. Die Tat war einer der folgenschwersten ausländerfeindlichen Anschläge der deutschen Nachkriegsgeschichte.

„Hass tötet, Liebe lässt die Menschen leben“

Mevlüde Genç, die im Oktober 2022 starb, sei stets von ihrem muslimischen Glauben getragen gewesen, sagte ihre Enkelin Özlem Genç, die erst nach dem Anschlag geboren wurde. Ihre Großmutter habe andere Menschen bewegen wollen, sich ebenso unbeugsam für Versöhnung einzusetzen. Ihr Motto habe gelautet „Hass tötet, Liebe lässt die Menschen leben“.

Der Extremismus-Forscher Andreas Zick bot Unterstützung seines Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung in Bielefeld bei der Konzeption eines Museums als Gedenkstätte an. Wichtig sei die Einbettung der Tat in ihren Kontext: Solingen habe sich eingereiht „in eine Serie rechtsextremen Terrors“ und zugleich Terror, Hass und Gewalt freigesetzt. Bei rechtsgerichteten und rassistisch motivierten Straftaten in Deutschland wurden nach Zicks Angaben seit dem Solinger Anschlag in Deutschland 218 Menschen getötet.

Studien seines Instituts aus diesem Jahr hätten ergeben, dass fremdenfeindliche Tendenzen in der Gesellschaft leicht zunehmen, erläuterte der Wissenschaftler. Zugleich sinke der Zuspruch großer Teile der Bevölkerung zur offenen und vielfältigen Gesellschaft. Angesichts dessen plädierte Zick für ein Gedenken, das stärkende Erfahrungen einbezieht.

epd