Kanzleramtchef: Stehen vor Beginn zweiter Corona-Welle
Mit über 4000 Neuinfektionen erlebt Deutschland eine rasante Verbreitung des Coronavirus. Das RKI warnt vor einer unkontrollierten Ausbreitung und den Folgen daraus. Kanzleramtchef Braun erwägt bereits neue Einschränkungen.
Helge Braun (CDU), Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, nimmt an einer Pressekonferenz teil. (DPA)

Angesichts der hohen Neuinfektionsrate hat das Robert-Koch-Institut (RKI) vor einer unkontrollierten Verbreitung des Coronavirus in Deutschland gewarnt. Es sei „möglich, dass wir mehr als zehntausend neue Fälle pro Tag sehen und dass sich das Virus unkontrolliert verbreitet“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Donnerstag in Berlin. Die Zahl der Neuinfektionen binnen Tagesfrist war zuvor auf über 4000 Fälle gestiegen – nach knapp 3000 Neufällen am Mittwoch.

„Die aktuelle Situation beunruhigt mich sehr“, sagte Wieler. Derzeit sei unklar, „wie sich die Lage in Deutschland in den nächsten Wochen entwickeln wird“. Er hoffe aber, „dass wir es schaffen, die Infektionen auf einem Level zu halten, mit dem wir umgehen können“.

„Pandemie ist auch ein Charaktertest für uns als Gesellschaft“

Angesichts der steigenden Corona-Zahlen rief Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eindringlich zur Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln auf. „Diese Pandemie ist auch ein Charaktertest für uns als Gesellschaft“, sagte Spahn auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Wieler in Berlin. „Wenn 80 Millionen mitmachen, sinken die Chancen des Virus gewaltig.“

Den Anstieg der Neuinfektionen bezeichnete Spahn als „besorgniserregend“. Es liege nun „an uns allen selbst, ob wir es schaffen, das Erreichte zu sichern“, sagte der Minister. Das „Wirksamste“ sei dabei immer noch die Beachtung der Hygiene- und Abstandsregeln. „Die Frage, ob das Feiern und Reisen jetzt unbedingt sein muss, kann jeder für sich selbst beantworten“, sagte Spahn.

4058 Neuinfektionen – Schwelle zur zweiten Corona-Infektionswelle

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sieht Deutschland an der Schwelle zu einer zweiten Corona-Infektionswelle. In einigen Großstädten stiegen die Infektionszahlen „sehr sehr schnell“ an, sagte Braun am Donnerstag in der RTL/n-tv-Sendung „Frühstart“. „Das heißt, dass die Kontaktnachverfolgung in den Gesundheitsämtern möglicherweise an einigen Stellen nicht mehr funktioniert, und das ist der klassische Beginn einer zweiten Welle.“

Nun müsse es darum gehen, die „Kontrolle über diese Regionen zurückzugewinnen“, forderte der Minister. Das gehe nur, wenn „man auch über Kontaktbeschränkungen wieder nachdenkt – und das eben regional, wo die Zahlen so hoch sind“.

Braun stellte weitere Einschränkungen bei größeren privaten Feiern und Veranstaltungen in Aussicht. Diese seien ein wesentlicher Treiber für Infektionen. „Wenn wir das, was uns wirklich wichtig ist - nämlich das Aufrechterhalten unseres Wirtschaftskreislaufs, Schule und Bildung – wenn wir das nicht gefährden wollen, dann muss das Thema Feiern, Veranstaltungen, Freizeitaktivitäten jetzt etwas runtergefahren werden“, sagte er.

„Mehr Beschränkungen“ auch in Frankreich möglich

Das Nachbarland Frankreich hat ebenfalls mit dem Virus zu kämpfen. Frankreich hat innerhalb von 24 Stunden fast 19.000 neue Corona-Infektionen gemeldet. Wie die Gesundheitsbehörden am Mittwoch mitteilten, wurden 18.746 neue Fälle bestätigt. Der französische Präsident Emmanuel Macron warnte in einem Fernsehinterview, dass sich das Land auf „mehr Einschränkungen“ zu bewege, vor allem in Gebieten, in denen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus „zu schnell voranschreitet“.

„Das Virus zirkuliert seit einigen Wochen schneller“, sagte Macron. Neue Reisebeschränkungen schloss der Staatschef jedoch aus. Derzeit werden landesweit mehr als 1400 Menschen wegen Covid-19 auf Intensivstationen behandelt. 80 Menschen starben in den vergangenen 24 Stunden an den Folgen der Krankheit. Damit stieg die Gesamtzahl der Todesfälle seit Beginn der Pandemie in Frankreich auf mehr als 32.445.

Agenturen