Bischof Ackermann zu Missbrauch: Kirche steht „schmerzlicher Prozess“ bevor
Die Aufarbeitung von sexuellen Missbrauchsfällen wird die katholische Kirche in Deutschland nach Einschätzung von Bischof Ackermann noch lange beschäftigen. Dass dabei offene Kritik nicht immer willkommen ist, zeigt ein aktueller Fall aus Köln.
15.12.2020, Rheinland-Pfalz, Trier: Der Trierer Bischof Stephan Ackermann spricht im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. (DPA)

Die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche Deutschlands bleibt nach Einschätzung von Bischof Stephan Ackermann eine Aufgabe noch für Jahre. „Das wird noch ein schmerzlicher Prozess werden“, sagte der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) für Fragen des sexuellen Missbrauchs in Trier der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. In den nächsten fünf Jahren müssten sich alle 27 Bistümer bundesweit einer unabhängigen Aufarbeitung durch eigens eingerichtete Kommissionen stellen, in der es um „Verantwortlichkeiten“ gehe - darum, wie man mit Tätern und Opfern in der Vergangenheit umgegangen sei.
„Da geht es auch um Personen. Und das wird schmerzlich, weil die Bilder, die man von Personen hat, die auch prägend und positiv waren, eine neue Seite hinzubekommen“, sagte der Bischof von Trier. Da werde es „dann dunkle Flecken“ geben.
Wie schwer sich die Kirche mancherorts mit öffentlicher Kritik an ihrem Führungspersonal tut, zeigt ein aktueller Fall aus dem Erzbistum Köln. Dort hatte der Dormagener Pfarrer Klaus Koltermann dem Kardinal Rainer Maria Woelki vorgeworfen, jede „Glaubwürdigkeit verspielt“ zu haben. Woelki wird seit Monaten auch von anderen katholischen Bischöfen massiv kritisiert, weil er ein von ihm selbst in Auftrag gegebenes Missbrauchsgutachten zurückhält. Dafür führt er rechtliche Bedenken an.
Nach seiner Kritik erhielt Koltermann einen zweiseitigen Brief vom Generalvikariat des Erzbistums, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Darin schreibt Personalchef Mike Kolb, dass Koltermanns öffentlichen Stellungnahmen möglicherweise schwerwiegende Verstöße gegen seine Dienstpflichten darstellten. „Diese Äußerungen können Maßnahmen nach sich ziehen.“ Ein „öffentliches Eintreten gegen die Katholische Kirche, das Erzbistum Köln oder dessen Amtsträger“ sei mit den „Loyalitätsobliegenheiten“ eines Pfarrers nicht vereinbar. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte in seiner Samstagsausgabe darüber berichtet.
Pfarrer Koltermann führt in seiner Antwort an das Erzbistum aus, der Beweggrund für seine Kritik sei die „Unruhe treuester Katholiken“ hinsichtlich des Auftretens von Woelki in der Missbrauchskrise gewesen. Sein Gewissen habe ihn dazu gebracht, in dieser zentralen Frage Position zu beziehen.


Das Erzbistum Köln teilte auf Anfrage mit, „personal- und dienstrechtliche Fragen“ würden grundsätzlich nicht kommentiert.
Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ solidarisierte sich mit dem Dormagener Pfarrer. „Wir sind Kirche“-Sprecher Christian Weisner verwies darauf, dass auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx das Verhalten Woelkis als „verheerend“ bezeichnet hatte. Es könne nicht sein, dass Koltermann wegen seiner Kritik an Woelki vorgeworfen werde, gegen die katholische Kirche zu agieren. „Kritik an der Leitung wird in autoritären und diktatorischen Staaten mit Kritik am System gleichgesetzt und strafrechtlich verfolgt“, so Weisner.
Im Herbst 2018 hatte die katholische Kirche die sogenannte MHG-Studie und damit Zahlen zu sexuellem Missbrauch öffentlich gemacht. Demnach sind bundesweit in den Personalakten von 1946 bis 2014 insgesamt 1670 Kleriker wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger beschuldigt worden. Es gab 3677 Opfer.
Seit Anfang 2021 können Missbrauchsopfer nach einer Neuregelung der Anerkennungszahlungen höhere Summen beantragen. Der Beschluss der deutschen Bischöfe vom September sieht finanzielle Leistungen von bis zu 50.000 Euro vor. „Natürlich sind da hohe Zahlungen zu erwarten“, sagte Ackermann. Man gehe davon aus, dass „eine beträchtliche Zahl“ von Betroffenen, die zuvor bereits Leistungen in Anerkennung des Leids erhalten haben, erneut Anträge stellen würden.
Die bisherigen Zahlungen lagen im Schnitt bei 5000 Euro pro Person. Bundesweit sind laut DBK bis Anfang 2020 für rund 2200 Anträge auf Leistungen in Anerkennung des Leids Empfehlungen in Höhe von rund 10,3 Millionen Euro an die Bistümer ausgesprochen worden.

DPA