Am 17. Todestag von Oury Jalloh: Matratze vor Justizzentrum verbrannt
Am 17. Jahrestag des Todes von Oury Jalloh in einer Polizeizelle haben Unbekannte eine brennende Matratze vor dem Eingang des Justizzentrums in Halle platziert. Die Polizei wollte einen Zusammenhang mit dem Gedenken an Jalloh nicht bestätigen.
07.01.2022, Sachsen-Anhalt, Dessau-Roßlau: Eine Frau legt eine Rose zum Gedenken an den am 7. Januar 2005 in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers in Dessau-Roßlau ums Leben gekommenen Oury Jalloh auf die Stufen des Reviers. (DPA)

Am 17. Todestag des Asylbewerbers Oury Jalloh haben Unbekannte eine brennende Matratze vor dem Eingang des Justizzentrums in Halle platziert. Gegen 1.40 Uhr am Freitagmorgen hätten Zeugen fünf schwarz gekleidete Unbekannte vor dem Gebäude gesehen, in dem unter anderem die Staatsanwaltschaft untergebracht ist, teilte die Polizei mit. Bei Eintreffen der Einsatzkräfte war die Matratze demnach fast vollständig verbrannt und die Täter waren verschwunden.

„No justice, no peace - Wir fordern Aufklärung!“

Die Polizei wollte einen Zusammenhang mit dem Gedenken an Oury Jalloh am Freitag nicht explizit bestätigen. Sie schließe jedoch einen politischen Hintergrund nicht aus.

In Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) sind am Freitag in Erinnerung an den vor 17 Jahren in einer Polizeizelle ums Leben gekommenen Oury Jalloh Hunderte Menschen auf die Straße
gegangenen. Der Protestzug der Initiative in Gedenken an den aus Sierra Leone stammenden Asylbewerber, für den bundesweit mobilisiert wurde, führte unter dem Motto „No justice, no peace - Wir fordern Aufklärung!“ quer durch die Stadt.

Die Zahl der Teilnehmenden wuchs im Laufe der Demonstration an, die Polizei sprach von 1.900 Menschen, aus Teilnehmerkreisen wurden 2.300 genannt. Die Polizei sicherte den Zug mit einem Großaufgebot. Wie in den Vorjahren gab es Zwischenkundgebungen, unter anderem am Sitz von Staatsanwaltschaft und Landgericht. Ziel war das Polizeirevier Wolfgangstraße.

Die Todesumstände gelten auch nach zwei Landgerichtsprozessen als nicht aufgeklärt. Nach den Ermittlungen der Behörden soll Jalloh in der Gewahrsamszelle einen Brand selbst gelegt haben, obwohl er in dem Raum an Händen und Füßen gefesselt war.

Gewissensentscheidung für den Rechtsstaat

Mehrere Initiativen zweifeln an dieser Darstellung und werfen Staatsanwaltschaft und Polizei Vertuschung vor. Sie sprechen von Mord. Laut Obduktion hatte Jalloh schwere Verbrennungen.

Erst im November hatte ein britischer Brandsachverständiger ein neues Gutachten vorgestellt. Darin kam er zu dem Ergebnis, dass Jalloh von Polizisten angezündet worden sein müsse und zuvor „höchstwahrscheinlich“ mit einer brennbaren Flüssigkeit wie Benzin
übergossen wurde.

Familie und Freunde des Toten wollen eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die damals diensthabenden Polizisten erzwingen. Das Multikulturelle Zentrum Dessau forderte die Beamten laut „Mitteldeutscher Zeitung“ dazu auf, „eine Gewissensentscheidung für
den Rechtsstaat und gegen den Korpsgeist zu treffen und eine Aussage zu machen“.

Ähnlich äußerte sich die Fraktionschefin der Grünen im Magdeburger Landtag. „Seit 17 Jahren appellieren wir an die damalige Besetzung des Polizeireviers, das Schweigen zu brechen und Strafverfolgung zu ermöglichen“, erklärte Cornelia Lüddemann. Die Grünen würden einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zustimmen, fügte sie hinzu.

„Nie lagen so viele Fakten auf dem Tisch, die zeigen, dass sich Oury Jalloh nicht selbst angezündet haben kann, wie heute“, sagte die Linken-Landtagsabgeordnete Henriette Quade. Es möge zutreffend sein, dass eine juristische Aufklärung im Sinne der Verurteilung eines Täters unwahrscheinlich sei, weil sich keine neuen Zeugen fänden. Umso wichtiger sei es, die politische Aufarbeitung voranzutreiben.

DPA