Ex-FBI-Agenten: Jüdischer Notar könnte Anne Frank an Nazis verraten haben
Ein jüdischer Anwalt soll 1944 das Versteck der Familie Frank in Amsterdam an die Nazis verraten haben. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team von Ex-FBI-Agenten. Mit dem Verrat soll der Anwalt seine eigene Familie vor der Deportation gerettet haben.
Ex-FBI-Agenten: Jüdischer Notar könnte Anne Frank an Nazis verraten haben – Beschädigte Tagebücher der Anne Frank (Others)

Das Versteck der durch ihr Tagebuch weltbekannt gewordenen Anne Frank in Amsterdam ist einer neuen Untersuchung zufolge möglicherweise von einem Juden an die Nationalsozialisten verraten worden. Der Notar Arnold van den Bergh habe mit dem Verrat der Familie Frank das Leben seiner eigenen Familie retten wollen, fand ein Team von Ermittlern um den ehemaligen FBI-Agenten Vince Pankoke bei einer sechsjährigen Untersuchung heraus. Die deutsche Familie Frank war vor den Nazis in die Niederlande geflohen. Ab Juli 1942 lebten die Franks zusammen mit anderen Untergetauchten in einem Hinterhaus an der Amsterdamer Prinsengracht, bis sie im August 1944 entdeckt und deportiert wurden. Anne und ihre Schwester Margot starben 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen, ihre Mutter Edith starb in Auschwitz. Nur Annes Vater Otto überlebte und veröffentlichte nach dem Krieg das Tagebuch seiner Tochter.

Versteck der Franks verraten, um eigene Familie vor Deportation zu retten Pankoke wurde 2016 von einem niederländischen Filmemacher beauftragt, den Fall erneut zu untersuchen, nachdem die Polizei den Verräter in zwei Ermittlungsverfahren nicht identifizieren konnte. Pankoke stützt seinen Verdacht gegen den jüdischen Notar vor allem auf einen anonymen Brief, den Otto Frank nach dem Krieg erhalten hatte und in dem Van den Berghs Name genannt wurde. Van den Bergh gehörte den Angaben zufolge dem sogenannten Judenrat in Amsterdam an, deren Gründung von den deutschen Besatzern erzwungen wurde, um Deportationen zu organisieren. Der Untersuchung zufolge war es Van den Bergh in dieser Funktion zunächst gelungen, seine eigene Familie zu schützen. Als ihr dann doch die Deportation drohte, habe er das Versteck der Franks verraten, um seine Frau und seine Kinder zu retten.

Offene Fragen bleiben

Otto Frank hatte den Brief den Angaben zufolge schon 1964 bei einer Befragung durch die Polizei erwähnt. Pankokes Team fand nun eine Kopie des Schreibens in einem Archiv. Die Ergebnisse der Untersuchung, die in dem Buch „Der Verrat an Anne Frank“ der kanadischen Autorin Rosemary Sullivan ausführlich dokumentiert werden, sorgten in den Niederlanden für großes Aufsehen. Der Leiter des Anne-Frank-Hauses, Ronald Leopold, sagte, die Untersuchung habe „wichtige neue Informationen hervorgebracht“. Es gebe aber immer noch offene Fragen, insbesondere zum Verfasser des Briefs und seinen Beweggründen. Die Ermittler vermuten, dass Otto Frank den Brief nicht veröffentlichte, weil er befürchtete, dass die Enttarnung eines jüdischen Verräters Antisemitismus schüren könnte. Der Filmemacher Thijs Bayens sagte dem Sender CBS, das Ziel der Untersuchung sei nicht, den Verräter anzuprangern. Die Nazis hätten „die Menschen dazu gebracht, diese schrecklichen Dinge zu tun. Die eigentliche Frage ist: Was hätte ich getan?“.

AFP