Russland-Ukraine-Krieg und Transatlantischer Datentransfer
Trotz Kritik an der Nutzung personenbezogener Daten und der Datensicherheit stärkt das Datenübermittlungsabkommen zwischen den USA und der EU die Handlungsfähigkeit des Westens gegenüber möglichen Bedrohungen aus Russland.
Symbolbild (DPA)

Prognosen aus den frühen 1990er Jahren, wonach die Cybersicherheit in naher Zukunft zu erheblichen Verschiebungen bei der Nutzung militärischer Kapazitäten führen würde, haben sich inzwischen weitgehend bewahrheitet. Jüngste Entwicklungen unterstreichen den Grad der aktuellen Cyber-Bedrohungen und die Intensität laufender Angriffe, die auf die Verwaltungsabläufe von Staaten abzielen, Manipulationen in sozialen Medien vornehmen, Präferenzen von Wählern beeinflussen, Wirtschaftsbetriebe hacken oder es etwa auf die persönlichen Online-Daten privater Nutzer durch Verletzung ihrer Privatsphäre abgesehen haben.

Dass der ehemalige US-Präsident Barack Obama konstatierte, die Cybersicherheit werde eine der schwerwiegendsten Herausforderungen der nationalen Sicherheit im 21. Jahrhundert darstellen, hing damals auch eng mit den Veröffentlichungen der Wikileaks-Plattform zusammen. Ein 2008 vom Pentagon veröffentlichter Bericht, der ebenfalls bestätigt, dass Datensicherheit für das Konzept der nationalen Sicherheit ein ebenso wichtiger Parameter ist wie etwa die militärische Leistungsfähigkeit, erscheint in dieser Hinsicht besonders wichtig, da hier Wikileaks im Rahmen der Spionageabwehr als potenzielle Bedrohung für das US-Militär betrachtet wird. Aus diesem Grund wurden Mastercard und Visa schwere Sanktionen auferlegt, um Spenden an Wikileaks zu verhindern, um dieser Bedrohung Herr zu werden, was wiederum offenbarte, dass ein etwaiger Krieg nicht nur an der Front geführt wird.

Dass es USA und EU heute darauf anlegen, Russlands Einfluss auf der internationalen Bühne mit ähnlichen Methoden zu begrenzen, untermauert die Tatsache, dass sie gemeinsam der sich ändernden Natur von Kriegen Rechnung tragen und wichtige Schritte in Bezug auf Cyber-Bedrohungen und Datensicherheit unternehmen.

Datentransferabkommen zwischen USA und EU

Nach der eindringlichen Warnung von US-Präsident Biden, dass Russlands Cyberangriffe auf den Westen zunehmen werden, folgten sehr wichtige Schritte in puncto Datensicherheit im transatlantischen Raum. Auf dem jüngst in Brüssel einberufenen EU-Sondergipfel wurde verlautbart, dass zwischen den USA und der EU eine grundsätzliche Einigung über den grenzüberschreitenden Datentransfer erzielt wurde und nun der Weg für die Übermittlung europäischer Nutzerdaten in die USA geebnet worden sei.

Auch wenn dieses Abkommen zwischen den USA und der EU von Diskussionen um den Nutzerdatenschutz sowie Bedenken zur Datensicherheit begleitet wird, stärkt es die Position des Westens gegenüber Russland. In diesem Sinne stellen die sich stetig verändernden Formen von Angriffen aus dem Internet, um auf den Verlauf von Konflikten insbesondere auch auf der Ebene des Cyberspace Einfluss zu nehmen, die Bedeutung von Daten im besonderen Maße heraus.

Die neuere Geschichte der Spannungen zwischen Russland und dem Westen

Westliche Quellen, die schon in den 2010er Jahren behaupteten, Russland führe verstärkt Cyberangriffe gegen den Westen aus, hier insbesondere an seiner Ostflanke, wiesen ebenso auf das Risiko hin, dass mit der Invasion in der Ukraine der Krieg auch in den Cyberspace getragen werden würde. Der schon zuvor erhobene Vorwurf, wonach Russland kurz vor der Besetzung der Ukraine Cyberangriffe auf viele staatliche Institutionen und hier insbesondere auf wirtschaftlich sensible Bereiche durchführte, wird auch jetzt wieder vom Westen wiederholt angeführt. So geht man etwa davon aus, dass auch die nach der Demontage der noch aus Sowjetzeiten stammenden Statue des unbekannten Soldaten in Estland ausgeführten Cyberangriffe gegen Banken und zahlreiche Regierungsinstitutionen ihren Ursprung in Russland hatten. Dieses Ereignis aus dem Jahr 2007 war wohl das erste Beispiel für internetbasierte Cyberangriffe, die einen außergewöhnlichen Schaden anrichteten und sogar das tägliche Leben tagelang lahmlegten.

Nach diesen Anschlägen in Estland intensivierten sich die Diskussionen um Cyber-Bedrohungen bzw. hybride Kriegskonzepte zunehmend und zeigte sich für den Westen die Notwendigkeit, die eigenen Fähigkeiten in diesem Bereich auszubauen. So gesehen öffnet das Datenübermittlungsabkommen zwischen den USA und der EU im Lichte der aktuellen Diskussionen um die Ukraine-Krise naturgemäß auch das Tor zu Debatten um Freiheitsrechte und Bedrohungen der Datensicherheit, stärkt aber letztendlich die Position des Westens gegenüber Russland und anderen Staaten. Während der Europäische Gerichtshof noch vor Jahren das Safe-Harbor-Abkommen kippte, das den Datentransfer zwischen den USA und Europa regeln und insbesondere amerikanischen Geheimdiensten Zugriff auf die Daten von Europäern gewähren sollte, blendet das jetzige Abkommen im Grunde genommen die damaligen Bedenken aus und beseitigt die strukturellen Hindernisse, die bis jetzt eine Übermittlung europäischer Daten in die Vereinigten Staaten verhinderten.

Bemerkenswert ist hier auch, dass globale Unternehmen wie Google und Facebook ebenso eine positive Haltung gegenüber der vereinbarten Datenübermittlung eingenommen und überdies erklärt haben, sich an das Abkommen zu halten. Betrachtet man im Lichte dieser Entwicklungen das jüngste Beispiel der Erbeutung von mehr als 35.000 vertraulichen Dokumenten der Zentralbank Russlands nach einem Cyber-Angriff der Hackergruppe Anonymous, so zeigt sich, dass die Bedeutung von Daten- und Cybersicherheit von Tag zu Tag zunimmt. So zwingt uns auch der Krieg in der Ukraine, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen und neue Strategien zu entwickeln, um etwaige Angriffe zu verhindern.

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