Die Instrumentalisierung und Politisierung von Geschichte
Armenische Lobbyorganisationen vermischen den internationalen Rechtsbegriff des Genozids mit der eigenen, nicht-juristischen Definition und unterlaufen damit die gültige Rechtsprechung.
(Takvim)

Alljährlich gedenken Armenier in aller Welt dem 24. April 1915, dem ihrer Ansicht nach „ersten Genozid des 20. Jahrhunderts“. Es werden Veranstaltungen durchgeführt, die an das Leid der Verstorbenen erinnern sollen und die Armenier zu Opfern stilisieren. In den meisten westlichen Ländern hat sich das armenische Narrativ zu den Ereignissen während des Ersten Weltkrieges durchgesetzt, aber nicht, weil neue historische Dokumente diese These stützen, sondern aufgrund einer beispiellosen politischen Kampagne armenischer Lobbyorganisationen und Aktivisten.

Radikale armenische Organisationen sahen den Ersten Weltkrieg als Gelegenheit zum Aufstand

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und dem Kriegseintritt des Osmanischen Reiches an der Seite der Mittelmächte im November 1914 sahen die extremistischen armenischen Organisationen der Daschnaken und Huntschaken die Gelegenheit gekommen, um ein unabhängiges Armenien zu gründen. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden die radikalen Kräfte der Armenier mit Waffen ausgerüstet, die sie mit maßgeblicher Unterstützung Russlands, Großbritanniens und Frankreichs vor und nach Kriegsbeginn gegen den eigenen Staat richteten. Armenische Freiwilligeneinheiten standen aufseiten Russlands gegen das Osmanische Reich an der anatolischen Ostfront, während die osmanische Armee in der Dardanellen-Schlacht aufopferungsvoll gegen die alliierten Landungstruppen kämpfte, verübten armenische Milizen hinter der türkischen Front Sabotageakte gegen Soldaten sowie militärische Einrichtungen, Telegrafenleitungen, Brücken und sonstige Infrastruktur.

Bei Razzien der osmanischen Sicherheitskräfte gegen armenische Organisationen wurden sehr große Mengen an Waffen und Sprengstoff sichergestellt, die nach Ansicht der Behörden auf einen bevorstehenden groß angelegten bewaffneten Aufstand gegen den Osmanischen Staat schließen ließen. Nach der Niederlage der türkischen Armee gegen Russland in Ostanatolien und dem Beginn der Dardanellen-Schlacht sowie einem möglichen Fall der Hauptstadt Istanbul weiteten die armenischen Milizen ihre Aktionen aus. Die Stadt Van wurde am 20. Mai 1915 von der russischen Armee und armenischen Milizen besetzt. In dieser Zeit lehnten sich die Armenier in Bitlis, Erzurum, Muş, Zeytun und in Van gegen die Staatsgewalt auf, wobei Massaker an der muslimischen Zivilbevölkerung verübt wurden.

Am 24. April 1915 wurden die Drahtzieher des armenischen Aufruhrs festgenommen

Nachdem die Rebellion der Armenier außer Kontrolle geraten war, entschloss sich die osmanische Regierung neun Monate nach Bekanntgabe der Mobilmachung, die Aktivitäten der Terrororganisationen der Armenier einzudämmen und Maßnahmen gegen die Anführer einzuleiten. Während des Krieges desertierte ein nicht unerheblicher Teil armenischstämmiger Soldaten, die in der osmanischen Armee kämpften, zur russischen Armee oder schlossen sich irregulären armenischen Milizen an.

Daraufhin wurden armenischstämmige Soldaten in der osmanischen Armee entwaffnet und Polizisten armenischen Ursprungs aus den Kriegsgebieten in andere Landesteile versetzt oder entlassen. Trotz dieser Vorkehrungen breitete sich der armenische Aufstand weiter aus. Infolgedessen gab die Regierung am 24. April 1915 die Anweisung, armenische Organisationen wie die der Daschnaken, Huntschaken oder Ramgavar zu verbieten und ihre Anführer, welche die Bewaffnung und Anstiftung zum Aufruhr der Armenier organisiert hatten, zu verhaften.

Das Innenministerium richtete an jenem Tag einen Erlass an 14 Provinzen und 10 Verwaltungseinheiten (Sandschaks), der das Verbot radikaler armenischer Organisationen, die Beschlagnahme von Dokumenten und die Festnahme von Rädelsführern vorsah. Im Rahmen der Verfügung wurden in Istanbul 2.345 Komitadschis verhaftet, die im Verdacht standen, die Aufstände in Ostanatolien organisiert zu haben. Ein Schreiben, das aus britischen Quellen stammt und 1918/19 an den Hochkommissar von Istanbul, Admiral Somerset Calthorpe, gerichtet war, bezeichnet die verhafteten Armenier als „armenische Freiwillige, die den Alliierten dienten oder Verantwortliche der Massaker an den Muslimen waren […]“

Auflehnung gegen Osmanischen Staat begann im 19. Jahrhundert

Die Auflehnung bewaffneter armenischer Milizen gegen den Osmanischen Staat hatte bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts begonnen, als die Idee des Nationalismus großen Zulauf unter Armeniern fand und extremistische Organisationen wie die Armenische Revolutionäre Föderation der Daschnaken (ARF) gegründet wurden. Die groß angelegten Aufstände mit Massakern an der muslimischen Zivilbevölkerung fanden nach der Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg statt. Die Sicherheit der türkischen Armee und vor allem ihrer Verbindungslinien war durch die Angriffe armenischer Milizen auf die militärische Logistik und Stellungen hinter der Front ernsthaft gefährdet, zumal die Armenier einen Zweifrontenkrieg eröffnet hatten.

Am 14. Mai 1915 befand sich die russische Armee auf dem Vormarsch in Richtung der strategisch wichtigen Stadt Van. Dabei begingen armenische Soldaten, die in der russischen Armee dienten, zusammen mit armenischen Milizen vor Ort groß angelegte Massaker in der Provinz Van, bei denen über 20.000 muslimische Zivilisten getötet wurden. Am 27. Mai 1915 beschloss die osmanische Regierung das Zwangsumsiedlungsgesetz (Geçici Sevk ve İskân Kanunu), das neben der Umsiedlung der osmanisch-armenischen Bevölkerung aus den Kriegsgebieten auch die Verschickung von aufständischen Arabern und Griechen in andere Provinzen des Reiches zum Ziel hatte.

Zunächst wurden die in den Provinzen Bitlis, Erzurum, Van sowie Adana, Mersin und Iskenderun lebenden Armenier umgesiedelt, später kamen andere Provinzen hinzu. Bei der Umsiedlung der Armenier kamen nach Angaben türkischer Historiker durch Hunger, Wasserknappheit, Seuchen, Ermüdung, Überfälle und klimatische Bedingungen zwischen 60.000-300.000 Armenier ums Leben, während armenische Quellen von 1-1,5 Millionen Toten sprechen. Armenische Milizen und Russen ermordeten nach Ömer Lütfi Taşcıoğlu bei Massakern in Anatolien 518.105 türkische Zivilisten und im Transkaukasus 413.000 türkisch-muslimische Zivilisten.

Türkei weist Vernichtungsabsicht bei der Umsiedlung zurück

Armenische Lobbyorganisationen in der Diaspora und Armenien fordern von der Türkei die Anerkennung der von der damaligen osmanischen Regierung verfügten Zwangsumsiedlung der armenischen Bevölkerung als „Genozid“. Türkische Regierungen haben diese Forderung stets zurückgewiesen. Ankara bestreitet nicht, dass bei der Verschickung Tausende Armenier ihr Leben verloren, weist aber eine Vernichtungsabsicht zurück. Armenische Organisationen versuchen seit Jahrzehnten mit politischen Kampagnen vor allem in europäischen Staaten Parlamente unter Druck zu setzen, um die Ereignisse von 1915 als Völkermord anerkennen zu lassen.

Internationaler Rechtsbegriff des Genozids wird mit nicht-juristischer Definition vermischt

Die Vertreter der Genozid-These verwenden den Begriff Völkermord, obwohl es mehrere Bedeutungen dazu gibt. Zunächst einmal handelt es sich dabei um einen internationalen Rechtsbegriff, der mit verschiedenen Deklarationen nach dem Zweiten Weltkrieg Eingang ins Völkerrecht erhielt und seit 1951 verbindlich definiert ist.

Artikel II der Völkermordkonvention der Vereinten Nationen vom 9. Dezember 1948 bezeichnet Völkermord als eine Handlung, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören. Mit anderen Worten muss für einen Genozid, der juristisch anerkannt wird, eine Absicht des Täters bestanden haben, eine ethnische Gruppe vollständig auszulöschen. Die Taten müssen nach 1951, nach Inkrafttreten der Genozid-Konvention, erfolgt sein. In Bezug auf die Zwangsumsiedlung der Armenier von 1915 trifft das nicht zu.

Nach Ansicht des US-amerikanischen Politologen Michael M. Gunter vermischen die Verfechter der armenischen Genozid-These den international juristischen Begriff mit der eigenen populären, nicht-juristischen Definition, was zu Verwirrung führt und damit die juristische Definition unterläuft. Die populäre Definition der armenischen Diaspora setzt den international juristischen Begriff des Genozids mit jeder Massentötung gleich, die vor 1951 oder danach verübt wurde.

Armenien weigert sich, seine Archive für internationale Forscher zu öffnen

Die seit Jahrzehnten von der armenischen Diaspora und ihren Unterstützern immer wieder vorgebrachten „Beweise für einen Völkermord“ wie die „Andonian-Papers“ wurden als plumpe Fälschungen entlarvt. Die türkische Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Erdoğan hatte eine gemeinsame Historiker-Kommission vorgeschlagen, um diese Ereignisse während des Ersten Weltkriegs aufzuarbeiten und ferner die Öffnung der Archive in Armenien und des Archivs der Armenischen Revolutionären Föderation in Boston gefordert. Beide Vorschläge wurden von Eriwan und armenischen Organisationen abgelehnt.

Bis heute weigern sich sowohl Armenien als auch das Daschnaken-Archiv in Boston, das Archiv des Patriarchen der armenischen Kirche von Etschmiadsin sowie das armenische Patriarchat in Jerusalem für internationale Historiker zu öffnen, die nicht die Genozid-These teilen. Mit der kategorischen Ablehnung der armenischen Seite zur Erforschung von historischen Ereignissen zeigt Armenien exemplarisch, dass es nicht an einer Aufarbeitung der Vergangenheit interessiert ist, denn hinter der Forderung nach einer Anerkennung eines vermeintlichen Genozids verbergen sich revisionistische Ziele, die mit Ansprüchen auf Reparationen und Landrückgabe verbunden sind, wie in einer Erklärung der ARF 2014 in Montebello verlautbart wurde. Im Gegensatz zu Armenien steht der Zugang zu den türkisch-osmanischen Archiven in der Türkei für internationale Forscher offen.

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